Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Helden

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Lynia
Erzmagus
Lynia


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BeitragThema: Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Helden   Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Helden EmptySo Jan 24, 2016 10:09 am

„Wir machen ihnen ein Angebot, das sie nicht abschlagen können.“
Ifirnja von Mundtbach, Anführerin der „Tobrier“ zu ihren Offizieren in einem der wenigen Verstecke der Unterweltbande Gareths, welches nicht zerstört wurde.
Am Abend des 1. Ingerimm 1027 nach Bosparans Fall.


Das knarzen, welches mir signalisierte, dass das Holz arbeitete, wie Vater es immer genannt hatte, ertönte wieder in der gewohnten Lautstärke, die Decke, welche meinen Körper bedeckte roch zwar nicht nach Blumen, aber stank auch nicht mehr so unangenehm wie gestern Abend, und fühlte sich auch nicht mehr so rau an, der Krug auf dem Tisch verbarg seine kleinen Risse vor meinem Blick, zumindest auf diese Entfernung und auch ohne dass ich es versuchen würde war ich mir sicher, das Wasser in diesem würde nicht so frisch wie aus einem Waldbach aber doch besser als gestern Abend schmecken.
Bei Hesinde, der Adlerauge Luchsenohr hatte seine Wirkung verloren, den Zwölfen sei Dank.
Dafür war meine Haut noch weißer geworden, wie ich erkennen konnte. Einzig meine Haupt- und Schamhaare waren noch schwarz.
Aber meine Glieder schmerzten nur noch leicht. Ich hatte normale Arme und Beine und konnte auch auf meiner Haut, von der Farbe einmal abgesehen, keine Veränderungen erkennen.
Grund genug für ein kurzes Dankgebet an die Zwölfe.
Ich wusste noch nicht genau, was heute auf uns warten würde, aber mehr als genug wartete darauf getan zu werden, dies hatte ja schon am gestrigen Abend der Rat der Helden offen verlauten lassen, da wäre sicher auch etwas für eine Analysemagierin aus Punin dabei, die sich bis zum heutigen Tage nicht richtig verteidigen konnte.
Zumindest griff ich nicht mehr auf der Suche nach Araschar ins Leere.

Der Hüter des Raben Stygomar hatte nach uns schicken lassen.
Die Anweisung und Beschreibung unserer Personen in Verbindung mit unseren Namen ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass es, trotz der Umstände, welche in Gareth herrschten, unabdingbar war, dass wir uns alsbald im Borontempel einfinden sollten.
Der Hinweis, dass unser Treffen unmittelbar mit dem Stab des Vergessens zusammenhängen würde hatte, zumindest für mich doch ziemlich überraschend, besonders bei Ghor etwas ausgelöst, dass diesen dazu veranlasste, uns ein wenig zu beeilen.
Ghor hatte es eilig in einen Tempel zu kommen.
Wenn mir das jemand vor ein paar Wochen, ach was, vor ein paar Tagen noch erzählt hätte, ich glaube ich hätte, trotz der herrschenden Umstände tatsächlich ein wenig lachen müssen.
Aber nun war es tatsächlich so, dass Ghor vor uns hermarschierte, wie wenn der erste der den Tempel erreicht einen Beutel Dukaten erhalten würde.
Dem war natürlich nicht so, aber Ghor hatte wohl auch nicht damit gerechnet, zumindest ließ er keine seiner üblichen Kommentare fallen sondern folgte tatsächlich, dem Ort angemessen, Still und langsam dem Boron-Diener, welcher uns tiefer in die Gewölbe des Tempels führte.
Der Hüter des Raben Stygomar begrüßte uns selbst für einen Geweihten des Boron auffällig ernst und blass mit einem schlichten Nicken.
Ich erkannte sofort den Stab des Vergessens, welchen er in seinen Händen hielt und diesen dabei so fest umklammerte, dass seine Knöchel stark hervortraten, bevor seine Stimme meine Aufmerksamkeit zurück auf sein Gesicht lenkte.
„Gefehlt habt Ihr! Der Stab des Vergessens – nicht mehr als ein Stück Holz.“
Der Hüter des Raben Stygomar schloss seine Augen, während ich vergeblich versuchte den Kloss in meinem Hals hinunterzuwürgen.
Noch einer der göttlichen Zwölfe, dessen von diesem den Menschen überlassener göttlicher Talisman mehr oder weniger mit durch mein Zutun uns Menschen nun entzogen war.
Zumindest hatte ich meinen Stab dabei, ohne diesen wäre es mir wohl nicht gelungen, auf meinen Beinen stehen zu bleiben, so wie ich mich plötzlich fühlte.
„Doch auch ich habe gefehlt.“ Der Hüter des Raben Stygomar hatte seine Augen wieder geöffnet und ich erkannte im flackernden Licht der Kerzen, die den schmucklosen, dunklen Raum, in welchem er uns empfangen hatte beleuchteten, dass sie feucht glänzten. Eine Gefühlsregung, welche ich mit ihm teilte, wie ich spüren konnte.
„Es waren für alle harte Tage, ausnahmslos, Hochwürden“ vernahm ich die Stimme Telas.
Ich sah den Hüter des Raben Stygomar auf die Knie sinken, den Stab des Vergessens beinahe sanft auf seinen Händen haltend. Zumindest hielt er seine Hände nicht mehr beinahe schon krampfhaft um diesen geschlossen.
„Boron, es ist Dein Wille, Dein Weg. Wer bin ich, ihn zu hinterfragen. Gib mir die Kraft, ihn zu gehen. Gib mir die Kraft, Deinen Auserwählten ein zweites Mal zu vertrauen. Gib mir die Kraft, in Deinem Namen voranzugehen…“ Der Hüter des Raben Stygomar hatte leise, kaum wahrnehmbar gesprochen, aber die Stille in dem Raum, eben von seiner Stimme abgesehen, war so vollkommen, dass ich seine Worte deutlich vernehmen konnte. Fast hatte ich Angst, meine Freunde hätten das Atmen eingestellt. Ich selber hatte ja die Technik des lautlosen Atmens in unzähligen Stunden in den Unterrichtsstunden und den Studierstuben und der Bibliothek an der Akademie in Punin erlernt.
„Dieser Stab“, nun traten die Tränen in seine Augen offen hervor, als er sich wieder aufgerichtet hatte, „dieser Stab ist lediglich ein Stück Holz. Einst war er ein Talisman Borons, den er an seine Gläubigen gesandt hat. Doch ich spüre das Göttliche darin nicht mehr. Ihr...“ seine Stimme stocke, aber ich wagte es nicht, meinen Blick zu heben und nach ihm zu schauen, wie konnte ich jetzt noch einem Hüter des Raben in die Augen schauen? „...Ihr habt ihn geführt. Doch es hat nicht gereicht.“
Erneut wurde die Stille in dem Raum beinahe vollkommen.
„Doch auch ich habe gefehlt. Ich habe nicht erkannt, dass Ihr nicht stark genug seid. Ich hätte den Stab führen müssen, auch wenn es mein Leben gekostet hätte.“
Ich hörte, wie der Hüter des Raben vernehmlich Ein- und wieder Ausatmete, wagte selbiges aber nicht in diesem Ausmaß, auch wenn ich es wahrlich gerne getan hätte.
„Ich werde Buße tun.“ Nun war die Stimme des Hüter des Raben Stygomar lauter, nur wenig, aber doch deutlich. „Und Ihre werdet den Stab des Vergessens erneut an Euch nehmen. Dies war das Wort Borons in meinem Traum. Ihr werdet eine Wallfahrt unternehmen und in jedem Tempel des Gottes des Vergessens einkehren. Betet. Vielleicht gelingt es Euch, zu enträtseln, wie es zur Vernichtung des Talismans kommen konnte. Folgt den Spuren, die Coran Grassberger hinterlassen hat. Seine Visionen sind der Schlüssel zu den gegenwärtigen Geschicken. Vielleicht könnt ihr so die Schuld von Euch waschen.“ Der Hüter des Raben Stygomar ließ seine Hände in den Ärmeln seiner schwarzen Robe verschwinden, den Stab des Vergessens hatte er Ghor überreicht, und setzte sich dann schweigend auf einen dunklen Steinblock hinter ihm, welchen ich bis dahin gar nicht erkannt hatte.
„Borons Wege sind unergründlich. Boron vergebe mir meine Redseligkeit, doch die Zeit ist gekommen, die Geschichte von Bruder Zyriak zu erzählen.“
Der Hüter des Raben Stygomar atmete noch einmal tief durch, bevor er mit leiser Stimme zu erzählen begann.
„Vor vierzig Jahren schlug Kaiser Reto in Albernia einen Aufstand nieder. Werber der kaiserlichen Armee entvölkerten das Land und zogen Jung wie Alt in das Heer, um in Maraskan zu kämpfen. Der Widerstand wurde in der Schlacht von Altenfaehr zerschlagen. Die Truppen des Kaisers ließen die Überlebenden nach Osten marschieren – Albernia hatte offensichtlich ausreichend Kämpfer zu stellen. Der junge Coran Grassberger war unter ihnen. Er kam aus Winhall und war ein Bursche von gerade Zehn Jahren. Er kämpfte mit Reto auf Maraskan und sah dort Leid und Sterben. Er wurde Anführer einer Horde albernischer Kämpfer, die die hinterhältigen Taktiken der Maraskaner nachahmten und als Blutige Winhaller zum Schrecken Maraskans wurden. Ihn selbst nannte man nur den Tod.“
Der Hüter des Raben Stygomar atmete erneut kurz tief durch.
„Als er Jahre später von Maraskan zu uns nach Gareth kam, kannte er nur den Tod. Doch der Herr Boron öffnete ihm die Augen, und so trug er sein altes Leben zu Grabe und wurde auf den Boronangern von Gareth zum Totengräber. Das leere Grab in der Nekropole birgt seine Vergangenheit.“
Der Hüter des Raben Stygomar schluckte kurz, wie wenn er sich unschlüssig war, ob er weiter erzählen sollte.
„Coran wollte Boron zurückzahlen, was er ihm auf Maraskan genommen hatte. Nach Jahren trat er in das Noviziat ein. Die Liebe zu einer Frau gab ihm seine Gefühle zurück. Er reiste zur Weihe nach Punin, wie jeder Novize es tut. Der Rabe von Punin weihte ihn. Er kehrte als Diener des Raben Zyriak zu uns nach Gareth zurück.“
Für einen kurzen Moment sackte die Gestalt des Hüter des Raben Stygomar in sich zusammen, aber er fing sich, bevor sein Körper sichtbar noch vorne fallen konnte, straffte sich wieder und hob erneut seinen Kopf.
„Doch in seiner ersten Nacht hier in Gareth wachte er schreiend auf und ließ sich nicht mehr beruhigen. Er sprach, Boron habe ihm seine Bestimmung gezeigt, und er sei nicht willens, diesen Weg zu beschreiten. Er flehte mich an, ihn die Vision vergessen zu machen, doch das hätte einen Frevel am Herrn Boron bedeutet. Damals machten seine Äußerungen wenig Sinn. Er sprach von der Geflügelten Verdammnis und vom Stab der Erinnerung, der Verfolgung und des Vergessens. Die letzten Tage und Eure Nachforschungen riefen mir Bruder Zyriaks Worte wieder ins Gedächtnis. Ich vermute, dass er die jüngsten Schrecken bereits damals vorausgesehen hat.“
Der Hüter des Raben Stygomar räusperte sich kurz, bevor er, nun wieder leise, fast flüstern, weitersprach.
„Der Bruder wurde von den Noioniten behandelt und galt als wahnsinnig. Doch nach zwei Jahren schwand seine Verwirrung. Sobald er aus seiner Zelle entlassen wurde, verließ er das Kloster und wurde nie mehr gesehen. Vorher muss er seinen Grabstein noch um die Worte seiner Vision ergänzt haben.“
Nun hob der Hüter des Raben Stygomar erneut seine Stimme und seinen Kopf.
„Dies ist Bruder Zyriaks Geschichte. Seht es als Eure Aufgabe an, sie zu enträtseln. Vielleicht verstehen wir dieses Unheil dann.“

Ghor war noch ein wenig länger bei dem Hüter des Raben Stygomar verblieben.
Er hatte sich nicht dazu geäußert, es war einfach geschehen, aber wir anderen hatten vor dem Tempel auf ihn gewartet und sein Kopf hing ebenso tief auf seiner Brust wie der Meinige.
Ja, Boron genoss in Al´Anfa einen anderen Stellenwert als hier in Gareth und auch wenn es mich irgendwie ein wenig freuen sollte, dass Ghor zumindest zu einem Gott gefunden hatte, ich konnte es nicht. Der Preis für diese kleine Freude war schlicht zu hoch.
Viel zu hoch.
Unweigerlich glitten meine Gedanken zu den anderen Zehn Göttern, außer Boron und Praios. Gab es noch einen göttlichen Talisman in dieser Stadt, an dessen Vernichtung, beziehungsweise dessen Entrückung seiner Göttlichkeit für uns Menschen wir mithelfen konnten?
Ich hatte nie vorgehabt eine Heilige irgendeiner Kirche zu werden, auch nicht der Hesinde, aber ich hatte auch nie daran gedacht durch solche schlimmen Taten in die Kirchengeschichten einzugehen.
Daran, wie Rethon über meine Seele befinden mochte, wenn ich dereinst vor dieser Stand wagte ich erst gar nicht zu denken.
„Dann werden wir bald wieder reisen, denn in Gareth werden wir Bruder Zyriak sicher nicht suchen müssen. Aber noch nicht jetzt, es warten noch ganz andere Dinge auf uns. Lasst uns in die Alte Residenz zurückkehren und etwas essen, dann kommen wir sicher auf andere Gedanken.“
Tela hatte mir leicht in die Seite gestoßen, ein sanfter knuff eben, und sie hatte auch mit leiser Stimme gesprochen, einzig, ihre Worte drangen nicht gänzlich durch.
Zu sehr war ich mit meinen Gedanken bei dem, was hinter uns lag.
Der Stab des Vergessens, Bruder Zyriak, ein Untoter Drache der nur vertrieben, nicht besiegt war, ein Splitter der Dämonenkrone, verschwunden, ebenso wie, inzwischen war aus meiner Vermutung eine ziemlich furchtbare Gewissheit geworden, auch wenn ich es bisher nicht beweisen konnte, das heilige Licht Praios, Unmengen an verdorbenen Elementen aus den Schwarzen Landen inmitten der Stadt, in diesen wer wusste wie viele Unheiligtümer Tyakra´mans und Widharcals, die langsam, schleichend aber doch präsent ihren Einfluss ausübten und Menschen die Angesichts dessen, was hinter ihnen lag offen für diese Einflüsterungen schienen.
Graf von Paligan war plötzlich bei uns, wobei wir uns auch ebenso plötzlich im Bereich der Alten Residenz befanden.
Ja, der Boron-Tempel war räumlich nicht so weit von dieser entfernt gewesen, aber hätten wir nicht unterwegs irgendwo Hilfe leisten können, ein wenig den Bürgern zu Hand gehen sollen, ein wenig den Geist und die Idee des Rat der Helden verbreiten müssen?
Die Idee mit dem Essen hatte wohl ebenfalls einem anderen Schwerpunkt weichen müssen, denn statt in Richtung Küchentrakt waren meine Freunde zusammen mit Graf Paligan vom Eingang zur großen Halle weg plötzlich in diese gestürmt.
Wie auch immer, da wo ich zuerst hinwollte war es eh besser, wenn ich alleine wäre, die Gefahr von wilden Tieren oder ähnlichem würde es innerhalb der Alten Residenz auch im Bereich der Abtritte eher nicht geben, also musste ich auch weder Ghor noch den anderen beiden davon erzählen und vermissen taten sie mich, den Worten aus dem Saal nach zu urteilen im Moment eh nicht.
Als ich schließlich zurückkam, mein Weg hatte am Küchentrakt vorbeigeführt und ich hatte die Gunst genutzt hatte sich die Stimmung ein wenig beruhigt und Graf Paligan erzählte gerade von einem liegenden Greifen.
„Der liegende Greif wird von der Sonnenlegion scharf bewacht, und innerhalb dieser sind es einzig die Greifenreiter, die unmittelbare Leibgarde des Boten des Lichts, also die Panthergarde der Praios-Kirche, welche ihn betreten können, denn der liegende Greif wird nicht zum Schutz des Greifen sondern zum Schutz der Menschen bewacht. Man erzählt sich von vielen Phexgefälligen Dieben, die einen Einbruch in den liegenden Greifen gewagt hatten, aber niemals war einer von ihnen zurückgekehrt. Einzig ein Greifenreiter, außer natürlich der Bote des Lichts selbst, kann euch die Erlaubnis erteilen den liegenden Greifen zu betreten.“
„He, wir sind doch Greifenreiter.“ Ließ sich Hakim freudig vernehmen.
„Dann erteile ich dir hiermit offiziell die Erlaubnis, diesen liegenden Greifen zu betreten.“ Ghor legte Hakim huldvoll eine Hand auf die Schulter.
„Ich glaube nicht, dass das so einfach ist und so akzeptiert werden wird.“ Unterbrach Graf Paligan meine Freunde. „Ich fürchte, ihr werdet nicht umhin kommen einen echten Greifenreiter, also jemand aus der Leibgarde des Boten des Lichtes aufzusuchen.“
„Und die finden wir wo?“ fragte Ghor, während er erkennen musste, dass der Graf von Eslamsbad den Teller, welcher vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte, bis auf ein paar Knochen von allem essbarem befreit hatte.
„Vermutlich in der Nähe des Boten des Lichts.“ Erklärte Tela.
„Und der ist wahrscheinlich bei sich zu Hause, also in der Stadt des Lichts.“ Ließ sich Hakim freudig vernehmen.
„Na, dann haben wir ja ein Ziel.“ Tela nickte Graf Paligan kurz zu und setzte sich dann Richtung Saaltür in Bewegung.
„Die Küche?“ ließen sich Ghor und Hakim im Duett vernehmen.

Wieder einmal befand ich mich im inneren der Stadt des Lichtes und wieder einmal war ich verblüfft und erschrocken darüber, wie einfach es gegangen war.
Ebenso war ich verblüfft darüber, dass man immer noch davon ausging, dass von der Geweihtenschaft innerhalb der Stadt des Lichtes weniger als eine Hand voll ihr Leben verloren hatte, wohingegen das Ausmaß der Schäden innerhalb der Anlage immer noch erschreckend war.
Ein Lichtbringer führte uns, nachdem ich ihn darauf angesprochen hatte, zur einzigen Greifenreiterin, welche im Moment verfügbar sei.
Ihr Name war Aurana, aber erfreulicherweise übernahm Tela das Gespräch mit dieser, während ich die unerwartete Gunst nutze und nach Hinweisen suchte, welche meine schlimmsten Befürchtungen entkräften würden.
Unglücklicherweise hatte Aurana ein recht kräftiges Organ und eine sehr herrische Stimme, beides vielleicht ihrer Berufung geschuldet, auf alle Fälle sorgte es dafür, dass die Aufmerksamkeit bei ihr lag, wenn sie ihre Stimme erhob.
Zumindest meistens.
Irgendwie fehlten mir, zumindest vom Zusammenhang her, wohl immer wieder ein paar Sätze oder Worte, aber ich musste gestehen, zumindest ich musste mich auf unserem Marsch zum liegenden Greifen, er befand sich an der ehemaligen Prachtstraße, auf den Weg konzentrieren, denn dieser Teil der Stadt des Lichtes, durch welchen uns Aurana führte war auf Grund seiner allgemeinen Beschädigung noch nicht Teil der Bemühungen für Ordnung zu sorgen geworden.
Aber nach dem was ich so hörte erläuterte Aurana gerade das gleiche bezüglich des liegenden Greifen, wie Graf Paligan, ergänzt um etliche Ausführungen bezüglich der Bedeutung ein Greifenreiter zu sein, zumindest, bis wir vor den Überresten des liegenden Greifen standen.
Dort angekommen wandte sich Aurana Tela zu und begann mit dieser ein Gespräch, während Ghor und Hakim die Umgebung in Augenschein nahmen, während ich meine Aufmerksamkeit auf die Überreste des liegenden Greif richtete.
Tela hielt ihre Ausführungen in angenehm leiser Stimme und was immer sie so wichtiges mit Aurana zu besprechen hatte, es schien, so dicht wie die beiden voreinander standen, etwas Vertrauliches zu sein, was mir jedoch erlaubte, mich auf das Bild vor mir zu konzentrieren.
Der liegende Greif war eine Kolossale Statue, beziehungsweise war wohl einmal eine solche gewesen.
Nun war er bis zum Hals bedeckt mit unheiligem Schutt. Der stolze, goldene Hals stand schräg und gebogen, die Gwen-Petryl-Augen waren in viele kleine Splitter zersprungen und gaben den Blick auf die kupfernen Spiegel in den toten Augenhöhlen frei. All das gab dem gewaltigen metallenen Greifen die seltsame Würde eines in die Enge getriebenen Tieres, das selbst im Sterben noch den Stolz seiner Art zeigte.
Der ehemals sicher dreißig Schritt lange Körper der Statue war bedeckt von Streben, Balken, Platten und Seilen aus verdorbenem Holz und Unmetall. Und ab und an hörte ich ein metallisches Stöhnen, Quietschen oder Knirschen aus den Trümmern der Überreste von Kholak-Kai, welche diese unwürdige Decke für den Körper der Statue bildete.
„Ich habe noch andere Aufgaben, so entschuldigt mich bitte. Möge das Licht des Götterfürsten mit Euch sein, Helden von Gareth!“ vernahm ich die Stimme der Greifenreiterin Aurana und verbeugte mich mit einem „Praios Licht mit euch“ vor dieser, obwohl ich bezweifelte, dass sie das noch bemerkte.

Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich die Auserwählte sein sollte, welche sich im Inneren der Statue der dort wartenden Prüfung Garafans, des Marschalls der Greifen stellen sollte.
Die anderen drei waren der Meinung, wenn jemand mit am besten wusste wie man eine Prüfung bestand, dann wohl ich, immerhin hätte ich ja die meiste Erfahrung mit Prüfungen.
Und ich stand von uns vieren wahrscheinlich auch Praios mit am nächsten, fügten sie erfreulicherweise von sich aus hinzu, bevor ich beginnen konnte zu erläutern, wie wenig mir meine Erfahrung mit an der Schule der Hohen Magie zu Punin abgelegten Prüfungen vermutlich bei der Prüfung eines engen Diener des Praios helfen würde.
Also hatte ich begonnen, die Trümmer, welche den Körper der Statue bedeckten zu erklettern, obwohl ich durchaus die ein oder andere Veränderung in diesen erkannte, die mir schon von meiner Beobachtung der Neuen Residenz bekannt waren, und von denen hatte mir, vom praktischen Sinne aus dem Auge eines Kletterers her keine wirklich gefallen.
Vom Winkel einer Analysemagierin aus betrachtet bot sich hier sicherlich eine ziemlich seltene Gelegenheit das Zusammenwirken der unterschiedlichen Unelemente, hier auch noch im Angesichts der, für die Unelemente sicherlich nicht gerade vorteilhaften Ausstrahlung einer geweihten Stätte, auch wenn diese nicht dem direkten Gegengott Ingerimm geweiht war, zu beobachten und zu analysieren.
Die Schmerzen in meinem Bein, als ich auf ein sich lösendes Stück getreten war und mich nicht hatte abfangen können brachten meine Konzentration auf mein erstes Teilziel, die Brust der Statue zu erreichen.
Ghor und Hakim, die beinahe gleichauf mit mir waren sicherten mich nach außen hin, was im Falle eines möglichen Übergriffes durch Manifestationen sicherlich hilfreich war, mir aber beim erklettern des Trümmerhaufens nicht wirklich was nutzte.
Ja, klettern, eines der Talente, die ich nie wirklich gelernt hatte, vor allem nicht an der Akademie, die aber mit auf meiner gedanklichen Liste der Dinge stand, die ich mit verbessern, erlernen, erreichen wollte.
Eine Liste, die ich selber gar nicht mehr richtig überblickte, wie ich mir eingestehen musste und die irgendwie immer länger wurde, statt kürzer und auf welche für jeden Punkt den ich abhaken konnte scheinbar drei neue dazu kamen. Wobei, bei diesem Verhältnis war es ja ganz vernünftig, dass ich es noch so gut wie nie geschafft hatte, einen Punkt auf dieser Liste zu erfüllen.
„Das Loch im Hinterkopf. Vielleicht haben wir dort Glück.“ Vernahm ich Tela an meiner Seite, bevor sie mich bei der Hand fasste und mir freundlicherweise über eine Spalte zwischen den Trümmern in Richtung Rücken der Statue half.
Das bedeutete noch länger und höher über diese Trümmern zu klettern, als gedacht, aber Tela hatte Recht. Der eigentliche Zugang zum Inneren der Statue, eine Türe in der Brust der Statue war beinahe so vollständig von Trümmern bedeckt, dass, selbst wenn sie sich noch öffnen ließ, ich durch den Spalt der übrig geblieben war in dieser Gestalt nie in das Innere gelangen würde. Und an die Möglichkeit das Innere der Statue in einer anderen Gestalt zu betreten verschwendete ich keinen zweiten Gedanken.
Statt dessen richtete ich meine Aufmerksamkeit zurück zu Tela, die sich zwischen zwei schwere Balken gestemmt hatte und mich zu sich hoch zog, von wo aus sie mir mit einer klassischen Räuberleiter, für manches wurde man wohl nie zu alt, auf die flache Oberseite des Rückens der Statue half.
Tatsächlich, auf dem Rücken der Statue angekommen erkannte ich, dass diese im Hinterkopf ein großes Loch hatte, durch welches ich mich mit Leichtigkeit in das Innere des Kopfes der Statue würde schieben können.
Plötzlich krachte ein Tentakelartige Gebilde aus einer Mischung aus Holz und Metall vor mir auf die Statue, brachte mich aus dem Gleichgewicht und ließ mich zurücktaumeln.
Nur mit viel Mühe und mit Hilfe meines Stabes gelang es mir, mein Gleichgewicht und sicheren Halt zu finden, bevor ich von der Statue fallen konnte.
Die Frage ob und wenn ja in wie weit dieses ganze Gebilde eine rudimentäre Form der Intelligenz besaß, ob es eine Art Wächterfunktion ausübte und verhindern sollte, dass jemand in das Innere der Statue gelangen sollte, ob es einfach nur nach Lebendem schlug, wobei sich die Frage ergab, woran es das erkannte und nach welchen Kriterien es selbiges bemaß, all diese Gedanken, so interessant sie auch waren, mussten, wieder einmal, zurück stehen, denn deswegen war ich ja leider nicht hier oben.
So bewegte ich mich so schnell es die Umstände zuließen auf die Öffnung zu und tauchte in diese förmlich unter, als ich sie erreicht hatte, auch wenn ich mir der Tatsache bewusst war, wie Unwürdig mein Eindringen in solch ein Heiligtum dabei erscheinen musste.
Unweigerlich musste ich daran denken, was wohl letztlich passieren würde, wenn ich bei jeder Verfehlung gegen die Götter denken würde, `na ja, es hat sich jetzt halt nicht ergeben, die Umstände waren gegen mich, aber gleich beim nächsten mal werde ich es besser machen.´
Gedanken, die ich schnell wieder verdrängte.

Das Innere des Kopfes der Statue war überraschenderweise hell.
Es war kein grelles Licht, welches mich blendete, sondern mehr das sanfte Leuchten eines Sommermorgens, welches den Raum erfüllte.
Ursprung dieses Lichtes war offensichtlich ein mannshoher Monolith aus einem klaren gelben Kristall. Vermutlich Zitrin.
Die Kammer selber war auffällig schlicht gehalten, zumindest wenn man bedachte, dass es sich um ein Heiligtum des Praios handelte. Aber die Gravuren von Greifen, welche die gewölbten Innenseiten der Wände schmückten deuteten genau dies an.
Der Mittelpunkt der Gravuren wurde von einem respekteinflößenden, löwenhäuptigen Greif gebildet, wohingegen alle anderen Greifen die klassischen Adlerköpfe trugen.
Der Monolith schien auch das einzige Einrichtungsstück zu sein, von einer halb zerdrückten Treppe, die tiefer in die Statue hineinführen würde, wenn sie nicht völlig zerschmettert und nicht mehr begehbar gewesen wäre, abgesehen.
Auf dem Boden vor dem Monolithen entdeckte ich einen großen Haufen Staub, aus welchem ein schwarzer Dolch und die Überreste menschlicher Knochen, darunter ein Schädel herausragten. Der Größe des Schädels nach zu urteilen die Überreste eines Erwachsenen. Die Knochen selber waren fast völlig verbrannt und in der Luft hing noch der vage Gestank verbrannten Fleisches, wie ich ihn die letzten Tage viel zu oft gerochen hatte.
Wer immer hier sein Ende gefunden hatte, ich war mir sicher, sie oder er hatte den Angriff Kholak-Kais zuvor überstanden, zumindest für geraume Zeit.
Während ich noch über die Ironie des ganzen sinnierte, das Magnum Opus Widharcals überstanden nur um im Inneren eines Heiligtum des Praios zu verbrennen, was unweigerlich Fragen bezüglich der Motivation der Person aufwarf, deren Überreste hier lagen, spürte ich, ausgehend von dem Monolithen vor mir, ein Kribbeln durch meinen Körper.
Es begann in meiner Brust und breitete sich von dort aus immer weiter aus. Es steigerte auch seine Intensität und wurde zu einem sanften Brennen, welches jedoch zunehmend unangenehmer wurde.
Also trat ich an die Quelle dieses Gefühls heran und legte meine Hände vorsichtig an den Monolithen.
Das Licht, welches aus dem Monolithen strömte, verstärkte sich, bis es mich ganz umschloss und gleichzeitig ließ dafür das Brennen in meinem Inneren in gleichem Maße nach, bis es gänzlich aufhörte.
In diesem Moment wurde mir bewusst, hätte Obaran mich nicht erwählt gehabt, dass ich auf seinem Rücken hatte reiten dürfen, ich wäre verbrannt, bevor ich den Monolith hätte berühren können.
So wie es der Person ergangen war, deren Überreste nun neben meinen Füßen lagen.
Aber all diese Gedanken und noch vieles mehr, verblassten, wie das Brennen in mir und die Schwere, die auf mir lastete.
Ich schwebte in einem goldenen Schein, der jegliche Gegenständlichkeit belanglos machte.
Zeit, Raum, Materie, all das verblasste, wurde unreal und schien nicht mehr existent, obwohl ich den Zitrin unter meiner Hand noch spüren konnte, allein das ferne Knistern von Flammen war zu hören. Meine Hand ruhte auf dem Stein des Monolith, in welchem ich nun ein offenes Fach erkannte, welches zuvor nicht erkennbar gewesen war.
In diesem Fach lag ein Siegelring mit einem eingravierten Greifen, der in den Krallen ein Auge hielt.
Aber das war belanglos.
Neben dem Siegelring lag eine Schriftrolle und ich wusste, in dieser war die Kernthesis des Klarum Balsam Sumublut, des Heilzaubers für Krankheiten niedergeschrieben.
Und ich konnte nur einen Gegenstand entnehmen, wie ich wusste, auch wenn ich nicht sagen konnte woher.
Aber es war so.
Ich konnte nur einen der beiden Gegenstände nehmen, der andere wäre für immer meinem Zugriff entzogen.
Aber ich wusste auch, dass außerhalb der Statue meine drei Freunde auf mich warteten, Grauschnauz hatte Tela, auch auf Grund unseres Aufenthaltsortes, wohlweislich in der Alten Residenz zurück gelassen.

Schmerz durchzog meine Hand, als hätte ich ein Stück glühender Kohle ergriffen.
Hatte ich mich doch falsch entschieden?
Doch nach einem Wimpernschlag war der Schmerz wieder verfolgen und ich hielt den Siegelring immer noch fest mit meiner linken umfasst.
Der Heilzauber für Krankheiten, mein Bestreben, seit ich von Madas Kraft in mir wusste, seit ich wusste, dass Magier eigene Zauber entwerfen konnten, auch wenn der Vorgang langwierig, kompliziert und oft genug nicht von Erfolg gekrönt war.
Mein innigstes Ziel, die erste und oberste Eintragung auf meiner gedanklichen Liste der Dinge, die ich noch tun wollte.
Mein sehnlichster Wunsch, auch wenn ich wusste dass er das, warum ich ihn eigentlich erforschen wollte doch nicht würde Rückgängig machen könnte.
Eine der Quellen für jahrelangen Spott und Hohn auf der Akademie.
Die sichere Zulassung für die Prüfung zur Erzmaga, ungeachtet meines Alters.
Die sichere Eintragung, nicht nur in die Annalen der Gildenmagie, sondern wahrscheinlich auch der Hesinde- und, so pragmatisch war sie, der Peraine-Kirche.
Ein weiteres mal `na ja, es hat sich jetzt halt nicht ergeben, die Umstände waren gegen mich und so weiter´.
Meine Freunde hatten mich in diese Kammer geschickt weil sie glaubten dass ich diejenige von uns vieren sei, die den Göttern und unter diesen Praios noch mit am nächsten stand, und damit auch diejenige wäre, welche am ehesten auch nur die Chance hätte, dieses Siegel, welches hier gelagert worden war um es vor denen zu schützen, die es widerrechtlich an sich bringen wollten, und diese hatten gewusst, wo sie suchen mussten, wie mir die Asche zu meinen Füßen zeigte, an uns zu bringen um es denjenigen zukommen zu lassen, welchen es zustand.
Ungeachtet der Vermessenheit der Gedanken, aber ganz tief in meinem Inneren Selbst, welches ich auch keinem noch so Hochrangigen Geweihten geöffnet hatte, der Bote des Lichtes hatte erfreulicherweise in diese Richtung nicht gefragt gehabt, hatte ich immer noch die Hoffnung, dass entgegen der Lehrmeinung der Kirchen einer wahrhaft Gläubigen die Wahl gelassen wurde, in welches der Zwölf Paradiese ihre Seele Einzug finden sollte, so die jeweilige Gottheit dies gut hieß.
Ich hatte immer noch die Hoffnung, eines Tages um Einlass in Travias Ewiges Heim bitten zu dürfen, wo ich auf ein Wiedersehen mit meiner Familie hoffte.
Aber dazu musste meine Seele zuerst vor Rethon bestehen und nach alldem, was ich die letzten Wochen getan hatte war ich mir in dieser Hinsicht überhaupt nicht mehr sicher, und ob die weltlichen Eintragungen in welche Annalen auch immer vor Rethon überhaupt Bestand hatten wagte ich offen zu bezweifeln.
Dies war eine Kammer, dem Fürst der Götter Heilig, und seine Aspekte waren Ehrlichkeit, Ordnung, Wahrhaftigkeit, aber auch Hierarchie und Herrschaft.
Dieser Siegelring war eines der Reichsinsignien eines Reiches, welches am Abgrund stand, und es gab Elemente, die diesen Umstand, entgegen der Göttergewollten Ordnung für sich ausnutzen wollten. Die Sicherstellung dieses Reichsinsignums war eine von einem der letzten ordentlichen Vertreter dieses Reiches offiziell gestellte Aufgabe an Diener dieses Reiches gewesen.
Und ich war eine Dienerin des Reiches.
Vielleicht war es aber auch einfach nur der Schmerz in meiner rechten Hand gewesen, die ich wutentbrannt hart gegen den Monolith geboxt hatte, ob der Ungerechtigkeit, dass ausgerechnet ich vor diese Wahl gestellt worden war und der schnelle Zugriff mit meiner freien linken Hand, bevor ich mich eines besseren Besinnen konnte.
Wie auch immer, nun prangte in meiner linken Handfläche neben dem Ring, welcher in dieser lag, ein merkwürdiges Zeichen aus rotem Narbengewebe.
Um mich herum nahm das Leuchten ab, während ich glaubte, für einen Moment das Gesicht eines löwenhäuptigen Greif zu sehen. Der Raum um mich herum nahm wieder Gestalt an, der Monolith vor mir leuchtete hell, aber sanft. Kein Kribbeln oder Brennen durchzog mich mehr.
Dann jedoch erbebte der gesamte Raum wie unter einem gigantischen Hieb und signalisierte mir, dass es mit Phexens Gunst an einem solchen Ort wohl eher nicht so weit her war und ich schaute, dass ich die Kammer verließ, solange das noch möglich war.

Ich hatte den restlichen Tag, bis zum Sonnenuntergang, frei bekommen, wie meine Freunde es genannt hatten.
Eigentlich hatten sie eher gemeint, dass ich furchtbar aussehe und mich nochmal ein paar Stunden hinlegen sollte um am Abend in Form zu sein. Sie waren sicher, bei dem was uns erwartete mich und meine Fähigkeiten, sie ergänzten schnell magisch in Bezug auf meine Fähigkeiten, noch brauchen zu würden.
Sie selber waren in das Nahe Gareth gelegenen Noioniten--Kloster geritten, um einer ersten Spur dieses Boron-Geweihten zu folgen, welcher uns auf unserer Queste in Bezug auf den Stab des Vergessens weiterhelfen sollte.
Eine Reise, die sie vermutlich wirklich besser ohne mich tätigten, wer wusste schon ob nicht einer der dort tätigen Perainegeweihten in mir Dinge entdeckte, welche ihn ermutigten, mich gleich zu behalten.
Ich fühlte mich auch so, wie wenn ich nicht mehr weit davon entfernt war, diese Hilfe zu benötigen.
Ich hatte meinen sehnlichsten Wunsch, den ich nur noch hätte nehmen müssen, einfach liegen lassen, um einem Reich zu dienen, in dessen Karten Nostria meist nur als Hafenstadt existierte, und kleiner und seltener als Salza eingezeichnet war, weil diesem eine gewisse strategische Bedeutung an der Praiosgrenze der Lande der Thorwaler zugesprochen wurde. In den meisten Karten war Nostria sogar gar nicht eingezeichnet, sondern wurde nur als Waldland, kaum besiedelt geführt.
Nein!
Ich fühlte, dass ich einen Schritt zu weit gegangen war, als ich meinen Körper den Kräften aus Kholak-Kai geöffnet hatte.
So sehr ich diese Kräfte zum Wohle der Bürger dieser Stadt eingesetzt hatte, ich spürte, die unnatürliche Färbung meiner Haut war nur der Anfang. Sie war ein Teil des Preises, nicht die gesamte Summe und nachdem was ich bei Ghor gesehen hatte, erschien mir die Aussicht auf eine kleine Zelle, in der ich wenigstens regelmäßig etwas zu Essen und zu Trinken bekam durchaus verlockender als ein Leben als das, was aus mir werden würde.
Aber für heute Abend würden meine Freunde mich noch brauchen, also würde ich für sie da sein.
Bei ihnen wusste ich ja, dass sie wenigstens wussten, dass es eine Stadt und ein Land Namens Nostria gab und wo diese sich befanden.

Wir waren unterwegs zu einem alten Theater um Graf Paligan zu befreien.
Das war die eigentliche Aussage dessen, was wir gerade taten.
Tela hatte es „wieder einmal für ein Reich die Kastanien aus dem Feuer holen, dass seine eigene Jugend in Sinnlosen Schlachten verheizt und dessen eigene Führung einen neuen Unterschlupf zum Saus und Braus Leben gefunden hatte, nachdem auf den alten nun ein Stein gefallen war, fast so wie Ratten, die sie alle waren“,
Hakim „eine besondere Variante einer Vorstellung von ein Frühlingsnachtraum aus der Feder des genialen Umbario Scriptatore aus Vinsalt, ein wahrhaft von Rahja mit Muse gesegneter, auch wenn dieses Stück vermutlich ein wenig mehr von Phex und Rondra inspiriert dargestellt werden würde“,
und Ghor schließlich einfachen „einen kleinen, abendlichen Ausflug mit Al´Anfanischen Einflüssen“
genannt.
Ich nannte es „von allen Ideen die ich in meinem bisherigen Leben hatte, oder an deren Ausführung ich mit beteiligt war, mit eine der am wenigsten von Hesindes Gabe des Denkens gesegneten.“
Ich konnte mich durchaus auch an Ideen und Taten erinnern, die vielleicht noch ein wenig Dümmer waren, spontan fiel mir sofort unser Eindringen in Kholak-Kai ein, aber sonderlich viele waren es nicht.
Ein weiteres stolpern meinerseits, welches erfreulicherweise durch die uns umgebende Dunkelheit und meinen über uns gelegten Silentium unbemerkt geblieben war, lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Umgebung.
In der Dunkelheit, wenn sich die Untoten wieder aus ihren Löchern trauen konnten, wenn die vernünftigen Bürger Gareths Schutz suchten, wenn man nicht erkannte, welche Gefahr durch die Überreste Kholak-Kais und der pervertierten Unelemente Widharcals einem drohten, musste man auch auf seine Umgebung achten, wenn man trotzdem noch unterwegs war.
Ghors Handzeichen signalisierte mir, dass wir unser Ziel erreicht hatten.
Bei Phex und Firun, ich hatte mir, entgegen meiner Erwartung, nichts gebrochen, kannte dafür aber nun mit Sicherheit jeden Stein der letzten hundert Schritt, an dem man hängen bleiben konnte.
Seit wann hatte ich so viel Pech?
Zürnte mir Phex auch?
War sein geheimer Haupttempel vielleicht auch im Villenviertel gelegen, was sinnig gewesen wäre, dort hätte ihn die Stadtgarde wahrlich als letztes gesucht und nun durch Kholak-Kai und damit indirekt mich auch zerstört worden?
Vielleicht lag es auch nur daran, dass Phex als der Schutzgott diese Stadt und des Kaiserhauses betrachtet wurde und auch wenn wir unser Möglichstes getan hatten, beides zu schützen, auf der Erfolgsseite war unter dem Strich, um in der Handelssprache zu bleiben, ein ziemlich mickriger Gewinn herausgesprungen.
Aber wir hatten gewonnen, irgendwie.
Gareth gab es noch und es wurde nicht von Truppen aus den Schwarzen Landen besetzt gehalten, es gab noch einen Legitimen Thronfolger, Yppolita war ja auf Grund ihres Segens mit Madas Gabe von der Thronfolge ausgeschlossen und es hatten auch genug Garether Bürger überlebt um ein fortbestehen der Stadt zu gewährleisten.
Aber wer wusste schon, mit welchen Einsätzen hier gespielt worden war, wie Ghor immer wieder einmal zu sagen pflegte.
Wie auch immer, mein Einsatz war für den Moment beendet und nun würden Männer, wie Ghor und Hakim es genannt hatten, die Arbeit übernehmen.
Damit stellten sie mich an einen geschützten Platz, von welchem aus ich die Überreste der Heldenbühne, so hieß dieses Theater, gut im Blick hatte, und baten Tela noch freundlich darum, dass es vielleicht ganz geschickt wäre, wenn Grauschnauz ein wenig als Kundschafter fungieren könnte.
Dann verschmolzen sie in der Nacht, wie sonst nur auf dem Weg zu einem Tempel.
„Wenn etwas sein sollte, dann Schrei einfach laut um Hilfe.“ Tela klopfte mir noch aufmunternd auf die Schultern und dann war auch sie weg.
Und ich stand da und wusste nicht, ob ich jetzt dankbar sein sollte, mich nicht noch mehr in Gefahr begeben zu müssen, inmitten dieser Ruine zu stolpern konnte ungleich schlimmer Enden als auf dem was zumindest Grundsätzlich eine Ebenerdige Straße war, oder ob ich beleidigt sein sollte, hier abgestellt worden zu sein wie Ghor seine Haumesser vor dem Schlafen, nein, der Vergleich war schlecht, sonst würde ja Ghor förmlich auf mir drauf liegen, Hakims Säbel fiel aus dem gleichen Grund aus, ah, ich stand hier wie ein aufgeschlagenes Buch im Lesesaal lag, in welchem das gesuchte Textfragment gefunden und abgeschrieben worden war.
Außerdem juckten meine Augen und meine Haut brannte.
Und ich tat meinen Freunden unrecht und das wusste ich.
An dem was auf mich zukam trug ich ganz alleine die Schuld.
Es war meine eigene Entscheidung gewesen und ich würde alleinig die Konsequenzen tragen, so wie sie gerade ihren Teil zur Rettung des Graf Paligan trugen.

Mein Stab, beziehungsweise die Fackel, welche meinen Stab gerade darstellte, erhellte flackernd den kleinen Raum, in welchen mich Tela geführt hatte, nachdem sie mir versichert hatte, dass das Theater nun sicher sei. Zumindest so sicher, wie es die baulichen Umstände hergaben.
Es freute mich, Graf Paligan gesund und unverletzt vorzufinden, aber ich spürte, dass sich dies ändern konnte.
Widharcals Einfluss war durch die Vereinigende Verbindung Kholak-Kais gehalten worden und ohne diese konnte er sich, solange er sich noch in dieser Sphäre halten konnte, mehr oder weniger frei verbreiten und seine vier Elemente verderben, soweit diese nicht geschützt waren und ich wagte zu bezweifeln, dass auf ein Theater ein Travias Haussegen gesprochen worden war, immerhin war dieser für Gebäude gedacht, welchen Menschen Unterschlupf, Verpflegung, Schutz und Heimat bot, also Aspekte, die ich nicht gerade mit einem Theater in Verbindung brachte.
Aber das was Tela und Graf Paligan erzähltne machte es auch nicht besser.
Deren beschriebene Gefahr war in so vielerlei Hinsicht der uns drohenden ähnlich, dass ich erneut spürte, wie ich Angst bekam.
Gefahr aus Richtungen, aus der man sie nicht vermutete, einfach, weil sie jeden verderben konnte.
Einflüsse von außen, in der Lage zu manipulieren und aus Harmlos Gefahr zu machen und Gefahr als Harmlos erscheinen zu lassen.
Und uns wurde nun aufgetragen, diesen Ort, wo ich zumindest wusste, welche Gefahren aus welcher Richtung auch nur vermutet werden mussten und welch Harmloses in Wahrheit Gefahr sein konnte und welche Gefahr Harmlos erscheinen konnte zu verlassen, um an einen Ort zu reisen, wo ich noch nicht einmal Gefahr erkannte, wenn sie direkt vor mir stand.
Wir sollten nach Elenvina reisen um dort am Reichskongress teilzunehmen.
Ausgerechnet ich, mit meiner schlicht immer noch nicht vorhandenen Menschenkenntnis und meinen immer noch vorhandenen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, von meinen Freunden natürlich abgesehen, sollte mit zu einem Reichskongress reisen.
`Eine Dienerin des Reiches´ dachte ich mir still, während ich unmerklich nickte.
Ich hatte ja auch bald sechs Monde lang von den vorzüglichen Ausbildungsmöglichkeiten der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur profitiert, es war nur gerecht, dass ich nun meinen Teil dafür trug, aber ich war weder glücklich noch auch nur angetan davon.
„So schlecht es Gareth geht, ich glaube, dass Thorn Eisinger und der Rest des Rates die richtigen Leute sind, die Stadt wieder aufzubauen. Doch wenn es stimmt, was ihr sagt, Graf, dann wird über das Schicksal dieser Stadt anderswo entschieden, und wir können es nicht zulassen, dass dies auf diese Art und Weise“ Hakim hatte das Wort ergriffen und deute nun mit seinem Säbel in die Dunkelheit des Theaters, wo meine Freunde länger geblieben waren als ich gehofft hatte, auch wenn sie letztlich alle, und wohl außer einer leichten Verletzung an Hakims Arm, welche Tela versorgt hatte, unverletzt zurück gekommen waren „auf diese Art und Weise geschieht. Immerhin sind wir Ehrenritter des Hauses Gareth!“
`Ehrenritter mit Einschränkungen´, zumindest Eine von uns.
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