Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Flammen I

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Lynia
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Lynia


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BeitragThema: Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Flammen I   Das Jahr des Feuers – Aus der Asche – Tage des Leids – Tag der Flammen I EmptyDi Jan 19, 2016 4:52 pm

„Ja…. Du hast recht.“
Geräusche wie wenn jemand mit einem harten Gegenstand auf einen anderen harten Gegenstand schlägt.
„Und ob ich das werde, warte es nur ab.“
Ein einzelner, lauter, hallender Ton, wie wenn ein ungeformter Gong geschlagen worden wäre.
„Die Materialen sind jetzt nicht das Beste, aber ich habe schon mit schlimmerem arbeiten müssen, wenn auch nicht unter solchen Umständen.“
Keuchende Geräusche, wie wenn sich eine männliche Person stark anstrengen muss.
„Nein, jetzt bin ich mein eigener Herr und keines Größenwahnsinnigem Sklave mehr.“
Lautes Lachen.
„Nein! Ab sofort erschaffe ich nur noch das, was ich will! Hörst du! Das was ICH will!“
Lautes Lachen, welches in Kreischen übergeht!
„AHHHHHHHHHHHH!“

Weitere Schreie, immer entsetzlicher werdend und Krach, immer lauter werdend sowie helles, rotes Leuchten, welches immer intensiver wird.
Gehört und durch die massive Holztür hindurch gesehen aus der Kammer, in welche sich der Mechanikus Leonardo zusammen mit dem Splitter des Agrimoth eingeschlossen hatte, kurz bevor sich die Wache haltenden Geweihten sich entschlossen, die Türe zur Kammer aufzubrechen.
1. Ingerimm 1027 nach Bosparans Fall.


Bei Firun und Rondra.
Was war ich schwach.
Es war irgendwann, mitten in der Nacht gewesen.
In Ermangelung an Licht hatte sich der Schwerpunkt meiner Sinneswahrnehmung auf mein Gehör verlagert. Ein von gefühlten unzähligen Nachtwachen bekanntes Gefühl.
Doch wo ich normalerweise die Stille oder die Geräusche der Natur in der Nacht zu schätzen wusste, von den Geräuschen meiner Freunde, welche erfreulicherweise aber nur selten zu vernehmen gewesen waren, einmal abgesehen, waren sie hier schließlich einfach zu viel für mich.
Ich schämte mich für diese Gedanken, aber ich hatte das Gefühl dass manche nun in der Dunkelheit extra Laut schrien, in der Hoffnung dass man sie nun besser hören konnte.
Oder sie wussten schlicht nicht welche Tageszeit war und schrien einfach in der Hoffnung gehört zu werden.
Ich erneuerte den Hellsicht trüben zum ich wusste nicht wievielten male, hielt ich den Zauber doch für eine gute Idee mich gegen die Entdeckung durch Gargyle zu schützen und füllte die fehlende Menge von Madas Kraft direkt wieder durch die mich umgebende freie Kraft.
Wer wusste, wann ich sie brauchen würde.
Aber im Grunde meines Herzens war ich mir klar darüber dass ich eigentlich nichts anders tat als vergeblich versuchte meine eigene Schwäche zu verbergen.
In Ermangelung von Alternativen hatte ich damals zu Beginn meiner Zeit an der Akademie in Punin, vor allem um meine Fähigkeiten im Lesen zu verbessern, Sagen, Legenden und Geschichten gelesen, also Bücher, die sonst niemand haben wollte, und auch wenn es wenige gewesen waren, in keiner dieser Geschichten über Helden hatte ich davon gelesen, dass sie fühlten was ich fühlte.
Verzweiflung.

„Oh, ihr seid es. Bitte.“
Die Sonnenlegionäre am Greifentor machten mir Platz und ließen mich die Stadt des Lichtes betreten.
Einfach so.
Im Gegenteil.
Sie hatten mich erkannt, also wussten sie wer und was ich war und trotzdem hatten sie mir einfach so den Zutritt zur Stadt des Lichtes gewährt.
„Danke. Wirklich. Ich…“
„Gelehrte Dame. Alles in Ordnung? Ihr seht so bleich aus, aber das kann auch am Licht der Fackel liegen.“
Und jetzt machte sich ein Sonnenlegionär Sorgen um die Gesundheit einer Magierin.
Andererseits, diese Tage war ja schon mehr und bedeutend schlimmeres geschehen, also erwiderte ich schnell dass ich mich, den Umständen entsprechend, gut fühlte und betrat die Stadt des Lichtes.
Ich hätte auch in die Alte Residenz zurückkehren können, wo ich meine Sachen wusste, einzig, ich wollte, ich brauchte einen Ort von dem ich sicher sein konnte, dass ich dort würde schlafen können, auch wenn es nur für ein paar Stunden sein würde und der Goldene Garten war dieser Ort.

„Gelehrte Dame. Verzeiht wenn ich euch geweckt habe, aber ihr werdet gesucht.“
Ich blickte auf und sah einen jugendlichen Lichtsucher vor mir stehen, der einen Umhang auf seinen Armen hielt.
Ein weiterer Blick auf mein Umfeld zeigte mir, dass ich wieder einmal auf der mir inzwischen fast schon heimisch erscheinenden Bank im Goldenen Garten geschlafen hatte, auch wenn ich mich heute um einiges schlechter fühlte als am gestrigen Morgen.
„Geht es euch nicht gut? Ihr seht so bleich aus.“
Ein schneller Blick auf meine Arme zeigte mir worauf der Lichtsucher anspielte. Meine Arme hatten tatsächlich eine ziemlich unnatürliche Blässe, selbst für meine Verhältnisse.
„Ein wenig Hunger, das ist alles. Und ein wenig Kalt ist mir.“ Beantwortete ich die Frage Wahrheitsgemäß, zumindest soweit wie ich es für die Wahrheit hielt. Tatsächlich fühlte ich sonst keinerlei Beschwerden.
„Ja, Anfang Ingerimm beginnen die Tage hier in Gareth noch mit einer gewissen frische.“
Ich folgte dem Blick des Lichtsuchers meinen Körper nach unten und erkannte, dass gewisse Reaktionen meines Körpers auf Kälte durch die dünnes Seidenrobe ziemlich gut sichtbar waren und spürte im gleichen Moment die Wärme in meinem Gesicht, und nicht nur dort, die mir signalisierte, dass ich gerade eben bestimmt nicht nur im Gesicht rot wurde.
Mit einem dankenden nicken nahm ich den Umhang des Lichtsuchers entgegen, legte ihn mir über die Schultern und verdeckte damit auch gleich dass, was die Seidenrobe nur unzureichend verbergen konnte.
Anschließend ließ ich mich von dem Lichtsucher aus dem Garten zu dem gleichen Gebäude führen, an welchem ich schon am Tag zuvor den Tag mehr oder weniger begonnen hatte und auch heute erhielt ich hier die Gelegenheit für Hygiene und etwas zu Essen.
Leider war ich heute alleine, aber die allgemeine Stimmung schien gelöst, ja fast schon erschreckend gut, obwohl ich immer noch Geweihte beim Durchsuchen der Trümmer und beim Reinigen der selbigen durch Gebete und Gesänge sah.
Meine Stimmung hingegen klarte erst auf, als ich plötzlich Tela und, sehr zu meiner Verwunderung, Meister Leonardo in ihrer Begleitung sah.
Ich begrüßte meine Freundin mit einer herzlichen, festen Umarmung, für mehr erschien mir die Umgebung ein wenig zu unpassend und den Meister mit einer tiefen Verbeugung.
Der Meister sah erstaunlich erholt und frisch aus und wirkte von einer Lebhaften Energie erfüllt, die ich so noch gar nicht an ihm gesehen hatte. Einzig der helle Hals, um welchen wer wusste wie lange dieser Daimonid geschlungen gewesen war, störte ein wenig seinen Vitalen Eindruck.
Aber meine Überlegungen wurden durch einen älteren Lichtbringer unterbrochen, der uns höflich bat ihm zu folgen.
Er führte uns in ein Gebäude, welches ich noch nicht kannte, aber viel befremdlicher fand ich, dass er uns in diesem in den Keller führte. Eigentlich sogar mehr als nur den Keller, den er führte uns ein weiteres Stockwerk nach unten und nicht nur die Tatsache, dass ich immer noch Barfuß war sorgte für ein frösteln meinerseits.
Auch die Aussage des Lichtbringers, dass unsere Anwesenheit wegen des Unheiligen Gegenstandes, welchen wir vor zwei Tagen gebracht hatten notwendig sei, half nur geringfügig.
Alleine die Tatsache, dass wir wegen des Splitters Widharcals gerufen worden waren lies eine Unzahl an Gedanken durch meinen Verstand wandern.
Die Tatsache, dass Tela auf Grund dieser Aussage eigentlich sogleich wieder stehen blieb und sich mehr oder weniger freundlich entschuldigte machte es nicht besser.
Andererseits, ich konnte sie gut verstehen.
Sie betrachtete Madas Kraft und die Wirkung der Selbigen als Hexe ja ganz anders als ich als Gildenmagierin und mochte daher bezüglich des Splitters des Widharcals gänzlich anders Fühlen als ich es tat.
Aber all diese Gedanken verblassten, als uns der Lichtbringer durch die von weiteren Lichtbringern bewachte Türe in einen rot glimmenden Raum treten ließ, welcher zusätzlich von zornigem Summen und Kreischen erfüllt war.
Das einzige Möbelstück inmitten des Raumes, welcher gut drei auf drei Schritt groß war, war ein einfacher, schmuckloser Holztisch und im Raum verteilt, wie ich feststellte, weil ich in einen davon rein trat, die Überreste einer Lade, welche dem ersten Eindruck nach von etwas kraftvollem förmlich gesprengt worden sein musste.
Was dieses Etwas war beherrschte jedoch eh so vollkommen den Raum, dass es direkt die Blicke und die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Auf dem Tisch lag, inzwischen sicherlich dreimal so groß wie ich ihn in Erinnerung hatte, und dabei noch intensiver rot glosend, der Splitter des Widharcal und war nun auch eindeutig als die Quelle des Summens und Kreischens zu identifizieren.
Ich ließ den Gedanken an einen Odem oder gar einen anderen Analysezauber sofort wieder fallen, kaum dass ich ihn hatte.
Ich konnte mir auch so vorstellen, welche magische Kraft in diesem Artefakt steckte und sich gegen diesen Ort wehrte und ich hatte eigentlich vor, mein Augenlicht, auch für die kommenden Stunden, zu behalten.
Was ich mir nicht vorstellen konnte war die Möglichkeit, die hier aufbegehrende Kraft zu bändigen.
Wie konnte sich solch eine Kraft inmitten der Stadt des Lichtes so entfalten?
Sollte nicht alleine die Nähe des Licht des Praios, welches im Tempel der Sonne aufbewahrt wurde, dies verhindern?
Oder war, bei unserem bisherigen Glück durchaus möglich, dass Licht gerade nicht hier im Tempel sondern verweilte an einem anderen Ort in Aventurien um die Einweihung eines neuen Tempels zu vollziehen?
Was blieb also?
Koschbasalt eventuell. Aber es würde sicherlich eine ziemlich stabile Lade aus diesem Material brauchen, wenn sie den reichen würde.
Ein speziell gefertigtes Antimagisches Artefakt, oder ein spezieller, von den Ingerimm-Geweihten gefertigtes Artefakt?
Ah, letzteres dürfte auch ausfallen. Die Hochgeweihte des Ingerimm war ja gefallen und ob niedrigere Geweihte über die notwendigen Kenntnisse verfügten solch ein benötigtes Artefakt herzustellen wagte ich zu bezweifeln.
„Ich habe Jahre am selben Ort verbracht wie der Dämonenspan.“ Vernahm ich da die Stimme Meister Leonardos an meiner Seite. „Ich habe gesehen, wie er wirkt und wühlt und ruft und wandelt …“ Plötzlich schüttelte Meister Leonardo förmlich seinen Körper. „Habe gesehen, wie er tickt!“
Meister Leonardo klopfte sich an die Schläfe und starrte dann blass auf den rot glühenden Splitter.
„Aber ich glaube, dass ich etwas bauen kann, was den Span bezähmt. Ich glaube, das würde funktionieren. Patent, patent. Ich brauche bloß Holz, am besten Blutulme.“
Ich wollte ob dieser Aussage schon auflachen, erkannte aber, dass Meister Leonardo noch nicht fertig war mit seinen Ausführungen.
Ein wenig fühlte ich mich an Unzählige Vorlesungen in Punin zurückerinnert.
„Das spanne ich in eine transelementare Madaberge aus Silber ein, die die Madakraft resorbiert. Ja, patent patent! Und Metallspiegel, am besten aus Bronze oder Silber, ja! Silber, Madasilber wäre gar besser. Findet man nur wohl kaum, nicht, nicht?“
Ich versuchte gar nicht erst diese Frage zu beantworten. Es war wie in Punin. Die Frage war rein rhetorisch und der Fragende erwartete eh keine direkte Antwort. Hoffte ich.
„Aufgeladen mit roher Astralkraft sollte er sein. Wenn alles so klappt, wie ich es mir denke, dann wird die Berge die Kraft des Splitters auf sich selbst reflektieren. Patent!“
Glück gehabt. Wie gehofft war die Frage nach dem Madasilber, zumindest für den Moment, rein theoretischer Natur gewesen.
„Und Stangen aus Metall oder Holz, Silber oder Blutulme, Silber oder Blutulme, ja, ja. Patent!“
Leonardo hielt in seinen Ausführungen inne und schaute mich durchdringend an.
Wie in den Vorlesungen, jetzt würde der mich betreffenden Teil kommen.
„Einfach ist es sicher nicht. Der Dämonenspann ist verschlagen, jawohl, hinterhältig und verschlagen. Es wäre gefährlich und schwierig, selbst für mich. Aber bringt mir die Sachen, und ich werde es wagen. Es sei denn, jemand von euch kann es besser?“
„Einiges davon kann ich organisieren lassen.“ Verkündete der Lichtbringer, welcher uns hergeführt hatte.
„Hervorragend!“ jubelte der Meister Leonardo und schon war er zur Türe draußen und weg.
Auf halbem Weg nach oben kam er uns wieder entgegen.
„Efferdfeuer. Das wichtigste von allem. Efferdfeuer! Ohne das brauchen wir alles andere nicht!“
„Darum kümmere ich mich.“ Ich hielt kurz erschrocken inne, als mir klar wurde, dass meine Stimme diese Aussage so vollmundig verkündet hatte.
Andererseits, irgendetwas wollte ich ja auch beitragen und ich konnte mir nicht vorstellen dass es die Efferdkirche erfreuen würde wenn sie erfahren würde das die Kirche des Praios der Kirche des Efferd heiliges Efferdfeuer für den Bau einer magischen Sicherung organisiert hatte.
Von einer Gildenmagierin, zudem von einer Grauen Akademie, auch wenn es Punin war, oder vielleicht gerade weil es Punin war, konnte man ja hingegen schon kaum was anderes erwarten.

Im Grunde war es einfach.
Ich musste mich, um diese Zeit zumindest, einfach grob Richtung Praiosmal halten, welches noch relativ gut in Richtung Rahja über den Überresten der Stadt stand, wo sich ja auch die Alte Residenz und damit mein Ziel befand.
Aber im Grunde hätte ich auch einfach den Umhang zurückgeben können und als Rabe zurück zur Alten Residenz fliegen können.
Einzig, ich wusste nicht welchen Eindruck es machen würde, wenn ich einzig in meiner, wenn auch inzwischen stark verschmutzten und leider auch schon ein wenig eingerissenen weißen Seidenrobe die Stadt des Lichtes verlassen würde.
Auch an diesem Morgen hatten sich schon wieder unzählige Garether vor der Stadt des Lichtes eingefunden und empfingen den Segen und die tröstenden Worte des Boten des Lichts Höchstselbst, der es sich wohl auch an diesem Tag nicht nehmen ließ seinen Teil zum begonnenen Wiederaufbau zu leisten.
Zudem hatten auch rund um die Stadt des Lichtes herum die ersten, rudimentären Aufräumarbeiten begonnen und noch überall war die Hoffnung Groß und die Stimmung, zumindest im Gegensatz zum gestrigen Tag, überraschend positiv, wurde doch allerorts von Geretteten berichtet, die man immer wieder aus den Trümmern zog.
Das würde es schwer machen, in der unmittelbaren Umgebung einen Platz zu finden an dem ich mich in Ruhe würde verwandeln können.
Also hatte ich mich herzlich für den Umhang bedankt und war mit diesem und einem paar Sandalen als zusätzliche Bekleidung nun zu Fuß auf dem Weg zur Alten Residenz.
Aber bei Hesinde, vielleicht würde mir die Zeit auf dem Weg zur Alten Residenz auch ganz gut tun, gingen mir jetzt doch schon Gedanken durch den Kopf, die durchdacht werden wollten, bevor ich mich mit jemandem darüber würde unterhalten können.

Der allgemeine Rauch der gestern noch über allem zu hängen schien hatte sich über die Nacht endgültig auf Gareth niedergelegt und alles in ein einheitliches Grau gekleidet.
Nur vereinzelt gelang es etwas farbigem ein Fanal zu setzen.
Aber ich konnte die Leute verstehen.
Wer wollte hier, zwischen all den Trümmern, der Not und dem Elend ernsthaft ans putzen denken, wobei ich durchaus den ein oder die andere gesehen hatte, die genau das getan hatten.
Dort ein alter Mann, der mit einem Besen vor seinem Haus die Straße fegte, dort eine Frau, die mit einem Tuch eine Glasscheibe, die tatsächlich ganz geblieben war, reinigte, und dabei alle umstehende wissen ließ, dass diese doch so teuer gewesen war.
Aber da beide bei ihren Tätigkeiten niemanden behinderten und auch sonst keine Gefahr darzustellen schienen ließ man sie in Ruhe.
Ich musste mit ansehen, wie die Leichen eingesammelt wurden.
Aber ich musste auch die Effizienz anerkennen, mit der dies geschah.
Jeder Wagen der Leichen einsammelte wurde von mindestens einem Geweihten und einem bewaffneten mit breitblättriger Axt begleitet und man erklärte trauernden Umstehenden oder, wenn diese nicht vorhanden waren, Leuten in der Nähe, zu welchem Boronsanger die Leichen gebracht werden würden und in welchem Massengrab, anders war es leider nicht zu bewerkstelligen, diese beigesetzt werden würden.

Dreimal blieb ich stehen und leistete mit einem Balsam Hilfe, die fehlende Kraft direkt wieder ergänzend, auch wenn ich spüren konnte, dass die Freie Kraft langsam zerfloss und es jetzt schon ein wenig länger dauerte, ein entsprechend verbrauchtes Maß wieder zur Gänze zu ergänzen.
Aber das war vielleicht auch ganz gut so.

Ich sah an manchen Stellen wie die Überreste eines Schreins oder eines kleinen Tempels einfach beiseite geräumt wurden, nachdem klar war, dass man niemandem mehr in diesen helfen konnte.
Wo Einsturzgefahr bestand wurden die Überreste kontrolliert zum Einsturz gebracht und die behindernden Trümmer auf Wegen dann weggeräumt.
An anderen Stellen wurden solche Schreine abgestützt, an Trümmern nur das nötigste weggeräumt und vereinzelt sah ich auch schon wieder Opfergaben in Schreinen liegen.
Aber ich sah auch Leute, die ganz unverhohlen diese auch aus Schreinen nahmen, egal um was es sich handelte und niemand schien daran Anstoß zu nehmen.

Ich hörte Hakims Name, sogar ziemlich oft.
Auch Ghor und Tela wurden öfters erwähnt.
Ebenso wurden von Wertlingen, Thorn Eisinger, der Bote des Lichts und Geweihte der Zwölfe sowie sehr zu meinem Erstaunen, die Magier der beiden städtischen Akademien ziemlich oft und sehr positiv erwähnt.
Im Schwerpunkt bezogen sich die Äußerungen auf die Hilfe, welche diese am vergangenen Tag überall geleistet hatten.
Alleine meine Gefährten mussten, allen voran Hakim, ein Fanal der Hilfsbereitschaft gewesen sein.
Und das hatte ganz offensichtlich Eindruck gemacht.
Niemand sprach über die Schlacht vor zwei Tagen oder über sonstige Kämpfe in den vergangenen zwei Nächten oder am gestrigen Tag und ich wollte nicht damit anfangen.
Die Verwüstung und die ganzen Toten gaben Zeugnis genug ab.
Es wurde von Wundern gesprochen, wo man in Trümmern eine ganze Familie unversehrt hatte retten können, von Heldenmut, wie Geweihte des Ingerimm Verletzte aus einem brennenden Haus gerettet hatten.
Es wurde von Gardisten gesprochen, die Hand in Hand mit Bettlern Verschüttete freigegraben hatten, ebenso wie von Magiern, die ihre Robe zerrissen hatten um damit Verwundete zu verbinden, weil sonst nichts passendes greifbar gewesen war.
Und das eine oder andere mal hörte ich sogar von dem was ich hatte beitragen können.
Zumindest erlaubte ich es mir einfach, daran zu glauben, dass von mir gesprochen wurde, wenn von einer kleinen Magierin mit dunkelgrauen Haaren gesprochen wurde, die einfach so aufgetaucht war, geholfen hatte und wieder weg gewesen war.

„Adepta Lynia?“
Ich blieb stehen und blickte mich fragend in die Richtung, aus welcher ich die Stimme vernommen hatte, um.
„Adepta Lynia. Ihr seid es wirklich.“
Ich brauchte ein paar Momente, bis ich die Stimme der jungen Adepta zuordnen konnte, die in etwas mehr als bessern Lumpen, die fast schon skandalös wenig bedeckten, was dafür überraschenderweise der Dreck übernommen hatte, aus einem nur leicht beschädigten Haus getreten war.
„Oh, Hesinde zum Gruß, Collega.“ Ich erkannte die jüngste der kleinen Gruppe Weißmagierinnen wieder, mit welchen ich zusammen vor zwei Tagen drei Karakilim hatte bannen können. Aber da die junge Magierin die Türe hinter sich wieder schloss musste ich davon ausgehen dass sie alleine war, was mir, trotz all der Toten und Verletzten um uns herum ein wenig einen Stich versetzte, nachdem ich ein wenig ein Glücksgefühl bei ihrem Anblick verspürt hatte.
„Hesindiane. Bitte einfach nur Hesindiane, ja. Eigentlich heiße ich ja Ilke und Hesindiane ist mein Magierinnenname, aber…“
„Dann aber bitte auch einfach nur Lynia, Hesindiane.“ Ich führte die junge Collega ein wenig an die Seite und kam nicht umhin, sie nochmals kurz zu betrachten.
Bezüglich ihres Namens, wusste ich, was sie meinte. Viele meiner ehemaligen Mitscholaren aus Punin hatten Stunden damit zugebracht sich zu überlegen, wie sie sich nach Verleihung der Adeptenwürde nennen sollten. Es war das Recht einer jeden Scholarin und eines jeden Scholar, sich nach Verleihung des Gildensiegels einen neuen Namen zuzulegen, um damit zusätzlich zu symbolisieren, dass man nun einen Neuen Lebensabschnitt betreten hatte.
Ich hatte auf diese Recht verzichtet, unter anderem auch in Gedenken an meine Eltern, die mir ja diesen Namen gegeben hatten, was meinem Ruf an der Akademie auch nicht wirklich zuträglich gewesen war, aber ich hatte meine Collega trotzdem verstanden.
Wer die Ausbildung an einer Magierakademie mit Erfolg absolviert hatte, der durfte das auch sich gegenüber zeigen, wenn er oder sie es denn mochte.
„Äh, ja. Die letzten beiden Tage waren für niemanden hier in der Stadt einfach, glaube ich.“
Hesindiane schien meinen Blick gespürt zu haben und ich schaute verlegen hoch zu ihr ins Gesicht.
„Es fehlt an vielem, wenn nicht an fast allem. Aber die Menschen helfen sich Gegenseitig wo sie können und so gut sie es können, jeder auf seine Weise. Es ist ein unglaublicher Zusammenhalt entstanden, auch wenn ich gestern mehr als einmal das Gefühl hatte, gleich bricht alles, in geistigem wie körperlichen Sinne endgültig zusammen und jeder sucht sein Heil in der Flucht. Aber es gab Zeichen, vereinzelt, immer wieder, von überall und ich will mal so hochmütig sein und sagen, dass ihr und wir unseren Teil dazu beigetragen haben.“
Ich blickte kurz zurück zu dem Gebäude, aus welchem Hesindiane getreten war.
„Die gute von Steinfurt, Aldare und Praiosmin schlafen noch.“
Hesindiane hatte meinen Blick wohl ebenfalls bemerkt.
„Sie waren noch bis spät in die Nacht hinein unterwegs, ich musste früher Schluss machen, ich konnte einfach nicht mehr. Ja, wir haben alle vier überlebt, weil wir, wie du es gesagt hast, aufeinander aufgepasst haben. Aber manchmal war es ganz schön knapp und ich fürchte, Praiosmin wird eine ganz schöne Narbe zurückbehalten. Aber das ist im Vergleich zu dem, was wir erreicht haben ein kleiner Preis. Ich lebe seit über zwanzig Götterläufen in dieser Stadt und bin seit über Zwölfen davon in der Kleidung einer angehenden und seit zwei Götterläufen in der Robe einer ausgebildeten Magierin in dieser unterwegs. Aber noch nie waren wir so gerne gesehen wie in den letzten zwei Tagen.“
Hesindiane war an mich herangetreten und hatte ihre Hände sanft auf meine Schultern gelegt.
„Die Leute waren offen dankbar und erfreut, als sie uns sahen. Ihr hattet Recht gehabt. Hier eine Dunkelheit um den Gegner zu verwirren, dort ein Fortifex um den eigenen Reihen Zeit zu verschaffen und hier und da ein kleiner Balsam. Stellenweise hat es ja schon gereicht wenn wir eine blutende Wunde verbunden haben, auch wenn wir hierfür recht schnell auf unsere Roben als Verbandszeug hatten zurückgreifen müssen. Und stellt euch vor, Maga von Steinfurt war die erste, die…“
Hesindiane erzählte und erzählte und ich hörte ihr einfach zu.
Zum einen lenkte es mich dankbarerweise ein wenig von meinen eigenen Gedanken ab und zum anderen wusste ich selber wie gut es war, wenn man sich manchmal einfach mit jemandem austauschen konnte.

Es hatte ein wenig gedauert, aber der Hinweis, dass man aus dem Umhang durchaus nochmals Verbandszeug machen konnte und ich ja bald wieder eine vernünftige Robe zum Überziehen hätte, hatte den Ausschlag gegeben.
Nun war ich um etliche, den Zustand der Stadt betreffende Informationen reicher, aber mir selber half das nicht wirklich.
Zumindest erwartete mich, ob bewusst oder zufällig war mir direkt egal, Tela mehr oder weniger vor der Alten Residenz, aber zum einen war sie alleine, keine Ghor oder Hakim bei ihr und zum anderen schien sie ebenfalls noch in Richtung Alte Residenz zu wollen, also keine Erklärung, warum ich zuerst in meine Kammer musste, hoffte ich, war ich mit meinen Gedanken doch gerade bei Themen, die meine volle Aufmerksamkeit brauchten und die ich besser nicht teilen sollte.
„Ulmenholz, Stangen und einen Spiegel. Wenn Leonardo das sagt, so wird es wohl so sein, obwohl ich mir immer noch nicht vorstellen kann, auf welcher theoretischen Grundlage seine Maßnahmen fußen.“ Die reflektierende Wirkung des Spiegels war verständlich, aber die Affinität der gewünschten Materialen untereinander ergab keinen brauchbaren Sinn. „Klar, karmale und magische Komponenten sind unabdingbar, aber es gibt einfach keine gemeinsamen Theorien.“ Hieß es nicht in manchen Schriften, einige der Erzzwölfe seien in ihrer Macht nur vom verdrehten Aspekt her den Göttern verschieden. „Vielleicht wäre es einmal Zeit, diese Frage näher zu beleuchten, aber wie schmal ist der Grad zur Blasphemie, ist doch Karma ein Aspekt der Essenz der Zwölfgöttlichen und damit ihrer selbst… hmmm.“ Andererseits war der Namenlose auch Außerhalb des Zwölfgötterkreises angesiedelt, verständlicherweise, aber andererseits duldeten die Zwölfe ihn, mehr oder weniger bildlich, in ihrem Kreis, zumindest am Sternenhimmel, wie die Namenlose Leere Götterlauf für Götterlauf zeigte.
Und die Zwölfe mussten ihm fünft Tage des Jahres lassen. Welche Macht vermochte das, wenn nicht irgendwie göttliche?
„Und dann Efferdfeuer!“ Ausgerechnet an Tagen wie diesen, wo sauberes Trinkwasser mit eines der Kostbarsten Güter in dieser Stadt war, in der er es erfreulicherweise sonst eher keiner Probleme mit der Wasserversorgung gab, wollte Meister Leonardo einen, der Efferkirche heiligen Gwen-Petryl-Stein haben. „Hier fehlt es an allem, an Kleidung, an Verbandszeug, an Essen, an der essenziellsten Hygiene, und der Mechanikus wünscht Efferdfeuer!“ Ich warf verzweifelt meine Hände in die Luft, was meine Gang Richtung Alter Residenz zum Glück nicht hemmte.
Hesindiane hatte mir sehr deutlich erzählt, was sie und ihre Collega unter Maga von Steinfurt alles erlebt und gesehen hatten und zusammen mit meinen Erlebnissen und Bildern wusste ich besser als mir lieb war, wie es um Gareth bestellt war. Sicher, Hilfe war unterwegs und strömte jetzt schon sichtbar von außen in die Stadt, wie mir der ein oder andere beladene Wagen gezeigt hatte, aber für den Moment war das alles noch zu wenig, zumindest an Grundlegenden Dingen, und wir sollten uns auf die Suche nach einem Efferdfeuer machen, natürlich am besten so, dass es die Geweihten des Efferds nicht mitbekamen.

Ich sah Ghor und Hakim lachend herbeilaufen.
Beide winkten mit ihren gezogenen Waffen, aber inzwischen konnte ich an ihrer Haltung erkennen wann sie wirklich einen Kampf erwarteten und wann sie nur mit ihren Waffen warum auch immer in der Luft herumwedelten.
Ich meine, eine Magierin malte ja auch nicht ab und zu mal magische Zeichen in die Landschaft, nur weil ihr danach war.
Erfreulicherweise gaben die beiden Männer meinem Wunsch, mir kurz in meiner Kammer meine restlichen Sachen zu holen mit einem stummen nicken nach, wobei ich dort angekommen mir die Freiheit nahm, meinen Oberkörper für ein paar Sekunden länger zu betrachten, als gewöhnlich.
Ja, Adepta Hesindiane hatte mich auch bezüglich meiner nun fast gänzlich weißen Haut gefragt, aber die beiden Männer hatten nur meine Seidenrobe auf Brusthöhe betrachtet, aber dort hatte ich auf dieser nichts gefunden was irgendwie befremdlich erschien, also keinen großen Blutfleck oder etwas in der Art.
Nun, nachdem ich auch an meinem direkten Körper, von der inzwischen doch ziemlich unnatürlichen Hautfarbe abgesehen, keine Besonderheiten, wie zum Beispiel Schuppen, erkannt hatte, zog ich mich schnell wieder standesgemäß an, hängte meine Umhängetasche um und nahm meinen Stab, stellte mit einem Schlucken fest, dass meine andere Hand wieder einmal vergeblich nach Araschar hatte greifen wollen und machte mich dann auf den Weg zu dem Raum, in dem wir uns treffen wollten.
Hatte ich eigentlich gefragt für was?
Hatte ich vielleicht stattdessen einiges von dem, was ich gedacht hatte gesagt?
Und wer alles hatte was gehört?

Wenig später saßen wir in einem Saal der Alten Residenz, der voller Tische und Stühle war und im Moment wohl eine Art großer Speisesaal oder Aufenthaltsraum darstellte, und erzählten von unseren Erlebnissen des gestrigen Tages.
Ich persönlich hätte darauf ja gerne verzichtet. Nochmals von etwas zu erzählen, was man eigentlich vergessen wollte machte es nicht unbedingt besser. Also beschränkte ich meine Ausführungen auf das wesentliche und hielt mich, zumindest für meine Verhältnisse, ich wurde nur dreimal darauf hingewiesen mich kürzer und in Garethi zu halten, in meinen Erläuterungen stark zurück.
Aber die Grundaussage von uns vieren bestätigte die Aussage meiner beiden Freunde, welche diese kurz nach unserer geglückten Flucht von Kholak-Kai getätigt hatten.
Es war schlimmer als erhofft, aber trotzdem besser als erwartet.
Es schien tatsächlich so, als ob wir das Magnum Opus des Widharcals zwar nicht gänzlich verhindert, aber doch vor seiner vollen Entfaltung gestoppt hatten.
Ja mehr noch, ganze Stadtteile, vor allem in Richtung Rahja, waren so gut wie gar nicht betroffen worden, zumindest im Verhältnis zu Alt-Gareth und den Stadtteilen gen Firun und Efferd.
Erwartungsgemäß hatte es die größten Schäden in Neu-Gareth gegeben, wo ja auch letztlich Kholak-Kai niedergegangen war, aber das wurde Allerorts als Gnade der Zwölfe, ich fragte nicht nach, welcher Zwölfe, angesehen, war dieser Stadtteil ja im Verhältnis zur restlichen Stadt relativ wenig bebaut gewesen und die meisten Bewohner dieses Stadtteils hatten ihr Heil ja schon in der Flucht gesucht gehabt.
Die Zerstörung der Neuen Residenz und der Stadt des Lichtes war wohl unterschiedlich aufgenommen worden, zumal die Geweihten des Praios ja schon wieder überall in der Stadt präsent waren um zu helfen und zu verkünden, dass das Haus des Fürsten der Götter zwar zerstört war, aber sein Diener und der Glaube an ihn noch lebte. Aber allgemein schien es tatsächlich so, dass Erleichterung darüber herrschte, dass der größte Tempel Aventuriens, soweit es eben bekannt war, nicht gänzlich zerstört worden war und seine Geweihtenschaft die Katastrophe überraschend gut überstanden hatte, war die Stadt des Lichtes, auch wenn es viele Garether so nicht unbedingt immer verkünden würden, mit ein prägendes Bild der Stadt.
Nichts desto trotz, Gareth war in weiten Teilen in einem Ausmaß zerstört worden, wie es die wenigsten Menschen hier je auch nur annähernd erlebt hatten, und die meisten dieser waren Flüchtlinge aus Wehrheim gewesen, und entsprechen war überall Schockstarre, Furcht, Unsicherheit und pure Verzweiflung das größte Hindernis gewesen, welches es zu überwinden gegolten hatte.
Aber auch hier glichen unsere Aussagen einander.
War der erste Stein weggeräumt, die erste Verletzung versorgt, der ersten Leiche mit betenden Worten an den Stillen Gott zumindest gedacht, schien der Bann gebrochen und die Leute hatten erkannt, was von ihnen erwartet wurde.
Und diese Beispiele hatten Wellen geschlagen, wie ein Stein im Wasser, auch wenn der Vergleich angesichts des drohenden Berges, welcher die Überreste Kholak-Kais bildete etwas unglücklich war.

Von uns, beziehungsweise von mir wurde anderes erwartet.
Das erklärte ich auch meinen Freunden, als es darum ging, wie man heute wo am besten helfen konnte.
Anfänglich war kurzes schweigen an unserem Tisch.
Gareth war groß, ebenso die Not in der Stadt. Hilfe war überall von Nöten und wenn es nur, so wie am gestrigen Tag, das gut Beispiel war, welches zeigte, dass jede Hilfe willkommen und nötig war.
„Ich muss los, Efferdfeuer suchen.“ Erklärte ich schließlich. Ja, die Not war groß in Gareth und ich war mir sicher, ich würde, wie am gestrigen Tag, helfen können wie nur wenige Menschen hier in Gareth, wobei ich hoffte, dass nicht alle Gildenmagier der Stadt auf die gleiche Idee gekommen waren wie ich, und sich der freien Kraft Madas bedient hatten.
Ja, sie war hilfreich und ohne sie hätte ich nur einen Bruchteil dessen vermocht was ich geleistet hatte, aber ich war mir bezüglich des Preises, welches dies fordern würde immer unschlüssiger.
Aber es war passiert und ich würde es, solange es eben ging, wieder tun.
„Ist das nicht ein Widerspruch in sich?“ hörte ich Hakim fragen.
„Finde ich auch.“ Stimmte Ghor im zu. „Efferdwasser, ja, dass würde Sinn machen. So eine Art Tempel-Wein. Aber was wäre dann Ingerimmfeuer? Tempelschnaps?“
„Gwen-Petryl-Stein.“ Warf ich schnell ein, als ich erkannte, in was für eine Richtung das Gespräch meiner Freunde führte. „Efferdfeuer ist eine andere Bezeichnung für Gwen-Petryl-Stein.“
„Natürlich.“ Hakim schlug sich leicht mit seiner flachen Hand gegen die Stirn. „Wie konnte ich das vergessen?“
„Oh, Lynia. Sag das doch gleich.“ Ghor schlug mir mehrmals leicht auf die Schulter. Eine Geste, die er gerne verwendete, wenn er mir wieder etwas erklärt hatte, was, zumindest wohl seiner Meinung nach, Allgemeinwissen sein müsste. Dann erhob er sich und deutete uns an, es ihm gleich zu tun. „Also kommt, ich weiß wo einer rumliegt.“
„Einer rumliegt?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich Ghor richtig verstanden hatte, erhob mich aber trotzdem, zog meine Kapuze über den Kopf und griff nach Stab und…, und tat so, wie wenn ich mich am Tisch kurz abstützen müsste.
„Ja, auf seinem Tisch. Irgendein Lichtbote hat ihm den geschenkt. Hat irgendwas Tolles geleistet, hab aber nicht richtig zugehört, seine Dienstmagd hatte gerade den Wein gebracht und die fand ich dann doch interessanter als…“
„Auf wessen Tisch?“ unterbracht Tela Ghors Erzählung.
„Was weiß ich, wie der hieß.“ Ghor blickte zurück zu uns und stemmte seine Fäuste in die Hüften. „Weißt du eigentlich bei wie vielen hochgestellten Persönlichkeiten hier in Gareth hatte aufwarten müssen um von meinen unglaublichen Abenteuern zu erzählen?“
„Nachdem ich ihnen erzählt hatte, dass du auch dabei gewesen bist.“ Ließ sich Hakim vernehmen und schlug Ghor lachend auf die Schulter, als er an diesem vorbei in Richtung Ausgang ging.
„He, das stimmt so gar nicht.“ Hörte ich noch Ghor, während dieser schon Hakim hinterherging.
Irgendwie war ich da jetzt nicht mitgekommen.
Ich wollte mich auf die Suche nach Efferdfeuer machen und plötzlich schien es so, als ob wir Vier alle zusammen, ich hoffte auf Fünf, es wäre schön wenn auch Grauschnauz dabei wäre, er gehörte einfach dazu, diese Aufgabe angehen würden, zumal Ghor, wie auch immer, wohl wusste, wo wir welches finden würden.
Wenn er uns aber einfach in den nächsten Efferdtempel führen würde, dann würde ich ihn zumindest dazu nötigen vor Ort einmal vernünftig zu beten.
Na ja, ich würde ihn halt darum bitten es zu tun, wenn man schon mal in einem Tempel war, immerhin war es ja eines jeden persönliche Entscheidung, wie, wo und wann er den Zwölfen gedachte.

„Auf alle Fälle war es im Grandenviertel.“ Hatte Ghor seinen Marsch in Richtung Efferd begonnen. „Ein nettes Häuschen, in einem netten Park, wobei das sich wohl erübrigt haben dürfte.“
Ich ging einfach mal davon aus, dass er Neu-Gareth und das Villenviertel meinte und hoffte einfach, dass Hesindes Weisheit sein Gedächtnis erreichte, bevor wir dort angekommen waren, Zeit genug hätte sie ja dazu, wie ich wusste.
Warum auch immer, die anderen hatten sich mir und Ghor tatsächlich angeschlossen, auch Grauschnauz, wie ich erfreut feststellte.
Ich wusste nicht genau warum, es war mehr Gefühl als Wissen, aber es tat gut, mit meine Gefährten zusammen zu sein, auch wenn es den Schrecken auf der Straße nicht linderte.
Zumindest nicht direkt.

„Hinweg, Hexe!“ schrie mich die Frau an und zog ihren blutigen Arm aus meiner Hand und unterbrach damit den Balsam, kaum dass ich ihn begonnen hatte. Aber eben dadurch, dass die Wirkung und damit der Fluss von Madas Kraft schon eingesetzt hatte, ging ich eines Teiles dieser verloren. Eine geöffnete Matrix ließ sich eben nicht einfach rückgängig machen, wie wenn nie etwas gewesen wäre. Sobald der Spruch gewirkt wurde verließ Madas Kraft die Matrix, egal ob der Spruch erfolgreich war oder nicht. Das einzig gute war, ein missglückter Spruch verbrauchte nie die gesamte Kraft, die ein erfolgreicher Spruch benötigt hätte. Warum das so war konnte bisher, und es gab ganze Buchreihen über die Untersuchungen zu diesem Thema, niemand hinlänglich beantworten, aber ich war dankbar dafür, auch wenn ich im Moment, inzwischen völlig Unterbewusst, die fehlende Kraft Madas in mir unmittelbar wieder ergänzte.
„Aber ein normaler Verband, mit einem frischen Streifen Stoff, der darf es doch sein, oder, gute Frau.“ Ghor hatte mich sanft zur Seite geschoben und hielt einen langen Streifen Stoff in der Hand.
Ich trat zurück und ließ Ghor die Frau verbinden.
Szenen wie diese gab es immer wieder, auch wenn sie selten waren.
Die meisten Menschen, denen wir unsere Hilfe angeboten hatten, hatten diese bereitwillig angenommen, auch wenn, verständlicherweise, profane Hilfe wie Starke Arme oder Geschickte Hände willkommener waren als magische.
Inzwischen hatte auch der am wenigsten von Hesinde berührte erkannt, dass etwas wie Kholak-Kai, Dämonenhilfe hin oder her, nur durch Magie zu bewerkstelligen gewesen war und entsprechend war das Misstrauen dieser gegenüber.
„Ich bin nicht so zimperlich.“ Hörte ich eine männliche Stimme, die einem Gardisten gehörte, wie ich seiner Kleidung entnahm und der mit merkwürdig verzerrtem Gesicht auf einem nahen Steinbrocken saß und auf eines seiner Beine zeigte, aus welchem ein Knochen herausragte. „Ist nicht meiner. Ist nur das Überbleibsel eines Skelettes, welches wir vorher in einem Keller gefunden haben. Aber ich hab Angst es könnte was Schlimmes an dem Knochen dran sein und einfach rausziehen, so schlau bin ich auch, wollte ich ihn auch nicht. Aber ohne Verbandszeug kann man nichts machen, auch wenn der Rest meines Trupps gerade welches holen will, nachdem wir unseres schon an die Bevölkerung verteilt hatten.“
Ich begab mich zu dem Mann, betrachtete kurz die Wunde und erklärte ihm dann den Ablauf der Heilung.
Wenige Minuten später waren wir wieder auf dem Weg Richtung Villenviertel, ein paar versorgte Bürger hinter uns lassend.

Ich konnte nicht sagen, wie lange wir gebraucht hatten, unser Ziel zu erreichen, es war mehr als eine gute Stunde gewesen, aber es hatte sich gelohnt.
Es gab nun ein gutes Dutzend Untoter weniger, die sich versteckt hielten, die Aussage des Gardisten hatte uns in dieser Hinsicht vorsichtig gemacht und etliche Dutzend Bürger mehr, die sich mit neuer Kraft und teilweise versorgten Verletzungen an der allgemeinen Hilfe beteiligten.
Wahrscheinlich half es auch, dass meine Gefährten, hierbei war ich mehr als einmal über Ghors und Hakims kürze und Bescheidenheit der Ausführungen erstaunt, immer wieder mit ihrer ihnen nun einmal eigenen Sicherheit erläuterten, dass Galotta besiegt und Rhazzazor geflohen sei, als wir auf entsprechende Gerüchte angesprochen wurden.
Leider mussten sie auch bestätigen, dass die Reichsregentin, sie verkürzten es immer auf ein einfaches Emer, wie wenn jeder wissen würde, wer gemeint war, was aber erschreckenderweise wohl meistens der Fall war, als verschollen galt, auch wenn sie diesen Punkt, ebenfalls verständlicherweise, nie genauer ausführten.
Unglücklicherweise war es aber auch genau diese Sicherheit in ihren Ausführungen, die immer recht schnell Menschen aus der näheren Umgebung anzulocken schienen, die alle die Aussagen ebenfalls hören wollten, oder die doch Details wissen wollten.
Mehr als einmal mussten wir uns förmlich unseren Weg aus dieser Traube Menschen frei machen um überhaupt weiter zu kommen, aber zumindest hielt uns nie jemand mit Gewalt auf, sondern man ließ uns immer, wenn wir es nur deutlich genug zeigten, ziehen.
Aber wir hinterließen eine Spur der Erzählungen, die uns teilweise, vor allem wenn wir wieder irgendwo vor Ort Hilfe leisteten, auch überholte, was uns unvermittelt manchmal auf eine Gruppe Menschen treffen ließ, die gar nicht mehr erst fragten, ob die Gerüchte stimmten, sondern Galottas Tod und Rhazzazors Vertreibung als Tatsachen verkündeten.
Und beides tat der Allgemeinen Stimmung in der Stadt sichtbar gut.
Ein wenig beschämt musste ich meine Kapuze noch tiefer über mein Gesicht ziehen, als ich spürte, wie ich rot wurde, als meine Gedanken zurück an meine Akademiezeit glitten, zu dem Tag, als verkündet worden war, dass Magister Cavazaro für eine längere Zeit seine Studien an einer anderen Akademie fortführen würde und für den weiteren Lehrbetrieb nicht mehr zur Verfügung stand. Diese Verkündung hatte der allgemeinen Stimmung unter uns Scholaren damals auch sichtlich gut getan.
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