Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Aus der Asche - Die neue Ordnung – Teil 1: Der erste Tag des Reichskongresses - 10. Ingerimm 1027 BF

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Tela Reisigritt
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BeitragThema: Aus der Asche - Die neue Ordnung – Teil 1: Der erste Tag des Reichskongresses - 10. Ingerimm 1027 BF   Aus der Asche - Die neue Ordnung – Teil 1: Der erste Tag des Reichskongresses - 10. Ingerimm 1027 BF EmptyMi Nov 19, 2014 5:13 pm

Elenvina war völlig überlaufen. Die halbe Reichsprominenz hatte sich eingefunden, mit ihr ihr Hofstaat und im Schlepptau Händler und Geschäftemacher aller Arten. Bei all dem Prunk und Protz war von der Katastrophe Gareths kaum etwas zu spüren – die wenigen Flüchtlinge, die es bis hierher geschafft hatten, würden nur unter großen Mühen einen Platz in der Stadt finden und weiter in die Nordmarken oder gen Albernia ziehen.

Auch die Reisegruppe der „Forelle“ war zu spät, als dass noch irgendwo ein Gasthaus frei wäre. Graf Rondrigan ließ daher kurzerhand sein Turnierzelt aufbauen, das geräumig, trocken und – umgeben von den Zelten vieler Adliger in ähnlicher Situation – auch hinreichend sicher sein sollte. Tela war froh, dass das Gelände vor den Toren der Stadt lag, denn so konnte sie Grauschnauz problemlos in einem der nahen Wälder verschwinden lassen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, wie sie sich abends wieder sehen würden. Lynia, die sich auf der Fahrt (abgesehen von ihrer üblichen Seekrankheit, die aber bei weitem nicht so schlimm wie auf offener See war) gut erholt hatte, hielt sich von den Menschenmassen fern und war nur schwer dazu zu bewegen, mit ihnen zum Reichskongress zu kommen.

Was sich bereits auf dem Weg vom Hafen zur Zeltstatt angekündigt hatte, zeigte sich auf ihrem Weg in die Stadt umso deutlicher: auch wenn vom Leid Gareths hier nichts zu spüren war, so war ihnen die Kunde über ihre Taten vorausgeeilt, so dass sie bald umlagert waren von Neugierigen und Schaulustigen, die die „Helden von Gareth“ sehen und anfassen wollten. Die beiden Frauen schwammen in der Menge bald im Kielwasser von Hakim und Ghor, die ihre verwegendsten Lächeln aufsetzten und das Spiel sichtlich genossen. Tela bemerkte, dass sie, im Gegensatz zu den Männern in ihren Rüstungen, in ihrer Reisekleidung überhaupt nicht den Erwartungen der Menge entsprach. Für Lynia hingegen mussten sie eine Lösung finden, denn als Tela sie freundschaftlich um die Hüfte fasste, war die Magierin stocksteif und schien fast zu zittern.

Der erste Kongresstag barg bereits die erste Überraschung. Anstatt darüber zu diskutieren, wie den Kernlanden im Wehrheim und Gareth am besten und schnellsten zu helfen wäre, schien sich die Frage um die Thronfolge als der wichtigste Tagesordnungspunkt zu entwickeln. Tela fühlte, wie gespannt die Stimmung war, und versuchte erfolglos, anhand der Blicke, die sich die Adeligen während der Wortbeiträge zuwarfen, herauszulesen, wer zu welchem Lager gehörte. Ebenso schnell, wie man sich ihnen zuwandte, um die neuesten Entwicklungen aus Gareth und die Begebenheiten um den Fall Galottas und die Vertreibung Rhazazzors aus erster Hand zu hören, wandte man sich wieder diesem Punkt zu. Als Tela auf die Frage nach dem Verbleib Emers und Rohajas wahrheitsgemäß antwortete, dass niemand sagen könne, ob die beiden noch lebten, es aber auch keinen Beweis für ihren Tod gab, merkte sie bereits am Ende ihrer Satzes, wie sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden wieder von ihr löste und in Seitenblicken und geflüsterten Kommentaren zerfaserte.

Sie war froh, den Saal zu verlassen, doch bereits auf dem Weg erwartete sie die nächste Einladung, diesmal zu einer Privataudienz bei Prinz Selindian Hal persönlich. Mit den jüngsten Entwicklungen war er plötzlich ins Zentrum des Spiels um Einfluss und Macht geraten, und sie fragte sich, wie der junge Mann, den sie bei ihrer Begegnung auf dem Boronsanger Gareths als kindlich und verträumt wahrgenommen hatte, sich unter diesem Druck verändert hätte. Plötzlich war sie sich bewusst, dass er ja noch sechs Götterläufe jünger war als sie selbst - während auf seinen Schultern das Schicksal des Reiches und womöglich der freien Lande lag hatte sie in seinem Alter noch auf Knien Hannis Küchenboden geschrubbt.

Selindian war kaum drei Jahre jünger als Rohaja, doch bis auf das blonde Haar hatten die beiden Geschwister nicht viel gemein. Wo Rohajas ungestümes Temperament und ihre bisweilen fordernde Geradlinigkeit sie älter erscheinen ließ als sie war, schien ihr jüngerer Bruder zu den Menschen zu gehören, die Zeit brauchen, zu einer gewissen Größe heranzureifen. Es war ihr fast peinlich, mit welcher Ehrfurcht er sie behandelte. Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus dem Kosch kam sie sich ein wenig alt vor – ein Gedanke, der sie spontan auflachen ließ und ihr fragende Blicke von allen Seiten eintrug.

Sie schaffte es irgendwie, die Erklärung wie ein Kompliment für Selindian Hal klingen zu lassen und sie so beide zum Lachen zu bringen. Das Eis war damit gebrochen und ein erstes Band der Sympathie geknüpft, doch sie merkte, dass den übrigen Adligen der Subtext nicht entgangen war. Bald kam man auf das Auge des Morgens zu sprechen, und der Großfürst bat die Helden, sich darum zu kümmern, es wiederzuerlangen. Tela wurde dabei klar, wo die großen Gräben innerhalb des Reiches lagen, insbesondere zwischen derer vom großen Fluss und der königlichen Familie mit ihren albernischen Wurzeln.

Als gegen Ende der Audienz Graf Boronian von Rommilys hereingerufen wurde, sah sie die andere Seite von Selindian Hal, die des zukünftigen Herrschers. All die Trauer und der Schmerz um seine gefallene Mutter und Schwester entluden sich auf den Marschall. Wie ein geprügelter Hund stand der große Mann mit gebeugtem Rücken  vor dem Thronfolger. So wenig sie den Adligen mochte, so ungerecht kam es ihr vor, ihn für all das Unglück verantwortliche zu machen, was dem Kaiserhaus widerfahren war. Sie wollte zu einer Verteidigungsrede ansetzen, da spürte sie die Hand des Grafen Paligan auf ihrem Arm. „Lasst es, ihr macht damit alles nur noch schlimmer“, schien sein Blick zu sagen. Und tatsächlich hob Selindian in diesem Moment an: „… doch Ihr standet gegen Kräfte, die allein nicht zu bezwingen waren, und die nur durch den Einsatz dieser Helden bezwungen wurden.“ Der finstere Blick, den Boronian ihnen zuwarf, machte seine ganze Tragödie offenbar.

Als ihm das Reichssiegel übergeben wurde, überlegte Tela kurz, ob sie es wagen sollte, es mit einem ihrer Lederschnüre zu markieren. Doch abgesehen davon, dass sie nicht wusste, wie sie das erklären sollte, würde Boronian es sicher als weiteren Angriff auf seine Loyalität werten. Manchmal wünschte sie sich die natürliche Autorität einer Magierin wie Lynia – sie hätte mit Sicherheit einen Grund gefunden, eine weitere Sicherungsmaßnahme anzubringen. Aber sie als Kräuterhändlerin – was sollte sie schon tun können. Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, aus dem Schatten herauszutreten.

Denn auch wenn sie keinen Zweifel daran hegte, dass Boronian von Rommilys sein Leben für den Schutz des Reichssiegels geben würde, so war sie sich nicht sicher, ob dies genug wäre – zu viele Leben waren schon der Gier nach dem Auge des Morgens zum Opfer gefallen. Und es schien ihr, als ob der Marschall angesichts der Schande, um die ihn Selindian Hal um keine Unze erleichtert hatte, sein Leben bereits als verwirkt ansah.

Trotz der neu gewonnenen Sympathie für Großfürst Selindian Hal verließ sie die Audienz mit einem schlechten Gefühl. Nie hätte sie Boronian das Siegel anvertraut, ohne ihm auch seinen Stolz wiederzugeben, denn soviel wusste Sie über diesen Mann: Es war in erster Linie sein Stolz, der ihn im Inneren antrieb, der Stolz eines loyalen Soldaten. Wie lange, fragte sie sich, würde er ohne ihn überleben?
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