Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Das Jahr des Feuers - Schlacht in den Wolken - Wenn die Federn golden fallen I

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Lynia
Erzmagus
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BeitragThema: Das Jahr des Feuers - Schlacht in den Wolken - Wenn die Federn golden fallen I   Das Jahr des Feuers - Schlacht in den Wolken - Wenn die Federn golden fallen I EmptyMi Nov 05, 2014 9:01 pm

Nachdem wir das Wehrheimer Tor und Gareths Ring aus Vorstädten passiert hatten, lag die dicht besiedelte Kaisermark mit ihren Feldern, Schlössern, Teichen und reichen Höfen vor uns. Weiße Schäfchenwolken waren über den ganzen Himmel verteilt. Ich vermeinte Formen zu erkennen, wie einen Greifen im Sturzflug, einen Lanzenreiter und ein Butterfass. Es war schon merkwürdig was einem alles so einfiel, wenn man die Zeit und Muße dazu hatte, und das sanfte dahinreiten bot mir beides. Praios Scheibe tauchte das Land in helle Farben: grüne Weiden, gelbe Felder von Raps und Sonnenblume, weißer Bausch in den Auen und am Waldrand die roten Blüten von Alveransschlüssel und Mohn.
Ghor schien mit seinem Neuen Pferd mehr als zufrieden. Er hatte schon mehrfach die Rasse erwähnt und wie toll es sei und was für ein Großartiges Pferd und, und, und. Für mich war es ein Schwarzes Pferd, aber dass sagte ich Ghor so natürlich nicht. Er war stolz auf sein neues Pferd und das gönnte ich ihm, auch wenn er damit wohl noch nicht so recht zurechtkam. Manchmal riet er uns ein gutes Stück voraus, dann blieb er mal wieder hinter uns, so dass wir uns schon sorgen machten, aber jedes mal wartete er wieder auf uns oder holte uns nach kurzer Zeit wieder ein.
Kaum eine Strecke ist so belebt wie die Kaiserstraße zwischen Wehrheim und Gareth: Fuhrwerke, Soldaten, Botenreiter, Kutschen, Pilger zur Stadt des Lichts und Weidener Rinderherden auf dem Weg zu den Garether Metzgern benutzen die über 1.500 Jahre alte Route. Nach fast jeder Meile findet sich ein Unterstand, ein Brunnenhaus, ein Gasthaus, eine Pferdestation oder eine Burg. Unter den zahlreichen Siedlungen konnte ich mir nur die größeren Orte merken: Alveranstor, Kronling, Natzungen, Puleth, Kaiserhain, Perz. Nur gelegentlich schließen Reste des garethischen Forstes die Straße ein.
Erwartungsgemäß konnte sich fast jeder, der fest an der Reichsstraße wohnte, ob Zöllner, Bauer oder Wirt sich an den Ucuriaten und daran, dass dieser vor etwa drei Tagen durchgereist war erinnern und sich auf der Reichsstraße in Richtung Wehrheim zügig in eben diese Richtung bewegte.
Weniger erfreulich waren hingegen die toten Vögel, welche nach Aussage Ortsnaher Personen im Laufe der letzten zwei Wochen vom Himmel gefallen waren. Kurz vor einer kleinen Ortschaft, bei der wir, den Göttern sei Dank, unsere erste Nachtruhe einlegen wollten sahen wir einen kleinen Schrein eines Goldenen Igels, ein altgarethischer Acker- und Waldgeist, wie uns der Wirt später erzählte, an welchem die nahen Dörfler ein Dutzend Kadaver toter Vögel abgelegt hatten, um, wie es der Wirt ebenfalls wusste, ein schlechtes Omen abzuwenden.
Da ich für meinen Teil inzwischen hatte erkennen müssen, dass zwischen ein bisschen, mal schnell kurz wohin traben und einem ganzen Tag richtiges reiten immer noch ein ziemlicher Unterschied bestand und mir die letzten Monate in dieser Hinsicht nicht wirklich geholfen hatten, sah ich von weiteren Fragen, insbesondere bezüglich der toten Vögel, aber auch des goldenen Igels ab, sondern nutzte die Zeit zwischen Abendessen und Bett um nochmal zu diesem Schrein zu gehen, mein Pferd ließ ich da wo es meiner Meinung nach hingehörte, im Stall. Das laufen ging zwar kein bisschen besser und ich war mir sicher dass ich ein sehr merkwürdiges Bild abgab, als ich versuchte so schonend wie möglich zu dem Schrein zu kommen. Vermutlich sah es so aus wie wenn ich immer noch einen Sattel zwischen den Beinen hätte, aber manchmal musste man eben Opfer bringen und als gebürtige Nostrierin wusste ich sehr wohl von der Macht dieser lokalen Geister, auch wenn ich natürlich durch meine Ausbildung ein klein wenig eine andere Sicht auf diese Wesen entwickelt hatte. Nachdem ich am Schrein zuerst kurz und still gebetet hatte untersuchte ich die Kadaver, so gut es ging, ohne die Heiligkeit dieses Ortes zu stören. Erwartungsgemäß sah ich an den Vögeln keine klaren Anzeichen für einen Angriff, keine fehlende Gliedmaßen, keine zerrupften Federn keine offensichtlichen Wunden. Es schien tatsächlich so, dass die Tiere einfach gestorben waren. Auch eine magische Analyse ergab nichts Neues. Wenn Magie am Tod der Vögel eine Rolle gespielt hatte war dies nicht mehr nachweisbar. Ich hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet, aber auch wenn es mir nach und nach immer mehr gelang manche Schlechte Angewohnheiten los zu werden, oder zumindest ein wenig einzuschränken, manches bekam ich einfach nicht los und Neugier war eben eine dieser Angewohnheiten. Aber jetzt wusste ich, dass ich in kürze direkt und gut würde einschlafen können, ohne mir beständig die Frage stellen zu müssen, ob es an dem Schrein nicht doch vielleicht hätte etwas zu entdecken gegeben. Wobei, so zerschlagen wie ich mich fühlte würde ich eh entweder sofort oder gar nicht einschlafen. Bezüglich meiner Freunde machte ich mir eigentlich gar keine Sorgen. Tela blühte, nun endlich wieder außerhalb Gareths bald noch mehr auf als ich und die beiden Männer hatten beinahe den ganzen Tag über gelacht und sich an wussten die Götter was alles erfreut und sprachen nun in der Herberge dem örtlichen Bier zu, was nicht sonderlich dramatisch war, ich wusste das beide morgen wieder wie ein Stock auf ihrem Pferd sitzen würden, wenn es darauf ankommen würde. Ich für meinen Teil hatte nicht direkt Angst vor morgen, aber darauf freuen konnte ich mich auch nicht so recht. Zumindest wusste ich meine Freunde an meiner Seite.

Schon von der Dergelfähre aus erschienen mir die Eisernen Mauern Wehrheims als uneinnehmbares Bollwerk. Ich war jetzt zwar nicht unbedingt zur Belagerungsmeisterin ausgebildet worden, eigentlich wusste ich von Kriegskunst nur so viel, dass es immer besser war wenn man mehr war als der Gegner, dass Rüstungen und Fernkampfwaffen helfen konnten und Deckung auch nie zu verachten war, aber sogar ich konnte mir nur schwerlich einen Gegner vorstellen, der in der Lage sein sollte diese Mauern zu nehmen, wenn sie von auch nur einem bisschen motivierten Soldaten verteidigt wurde. Die meisten Bedrohungen für das Herz des Reiches kamen aus Firun oder Rahja und wurden hier zurückgeschlagen. Das stählerne Herz des Reiches beherbergt für diese Aufgabe fast 15.000 Menschen in großen Fachwerkbauten und Tausende von Streitern in Burgen, Stadtfestungen, Kriegerschulen, Wehrtempeln und großen Kasernen. Zumindest war es das gewesen, was uns Graf Nemrod während seiner Anleitung für unseren Auftrag erklärt hatte.
Kurz darauf waren wir in der Stadt und ich erkannte, dass der Graf tatsächlich in eigentlich allen Belangen und Erläuterungen recht behielt. In den rechtwinklig angelegten Straßen herrschte Sauberkeit, Ordnung und Götterfürchtigkeit. In der Stadt selber sollten der Reichserzmarschall Leomar vom Berg, die Meisterin des Bundes Rondriana von Eisenstein, und eine Illuminata der Praios-Kirche und - außerhalb der Stadt auf Burg Auraleth - der Ordenshochmeister der Bannstrahler residieren. Die Tempel von Praios, Rondra, Ingerimm, Rahja, Efferd und Tsa sollten den Segen der Götter auf die Stadt sicherstellen. Rondra stand außer Frage. Auch Praios war durchaus und nicht nur auf Grund der Nähe der Bannstrahler verständlich. Ingerimm war auf Grund der vielen Handwerker in der Stadt ebenso leicht erklärt. Aber bei Efferd und Rahja war die Situation nicht ganz so klar und bei Tsa wusste ich beim besten Willen und auch mit viel Phantasie keinen Grund, warum in einer Stadt wie Wehrheim ausgerechnet ein Tempel der Jungen Göttin zu finden war. Aber der Wille der Götter war uns Menschen nun mal schlicht nicht zugänglich und die Göttin hatte ihren Dienern sicherlich nicht rein aus einer Laune heraus den Bau dieses Tempels angewiesen. Auf den Feldern vor Mauer und Graben hingegen standen einfache, aber ordentlich aufgereihte Holzhütten von einstigen tobrischen Flüchtlingen, die hier mit niederen Arbeiten in Stadt und Flur überlebten oder, vom Schrecken der Schwarzen Lande gezeichnet, dahinvegetierten.
Im Praiostempel erfuhren wir dann auch, dass der Ucuriat vor drei Nächten hier nur eine kurze Rast mit wenigen Stunden Schlaf einlegte, bevor ihn sein Weg weiter, hier musste die Greise Illuminata Lucana Lanzenschäfter erst ein wenig nachdenken, wollte doch gerade sie als Praiosgeweihte nicht der Falschaussage verfallen, Richtung Rahja führte. Ich rief mir kurz die Karte ins Gedächtnis, die Graf Nemrod uns gezeigt und die ich mir mittels eines Memorans fest ins Gedächtnis eingebettet hatte, war es doch eine der Detailgetreuesten Karten gewesen die ich je vom Neuen Reich gesehen hatte. Der Aussage der Illuminata nach reiste der Ucuriat auf der Reichsstraße I Richtung Gallys, ganz so, wie es sich Graf Nemrod gedacht hatte, lag in dieser Richtung doch auch die Schwarze Sichel. Ich teilte meinen Freunden meine Erkenntnisse mit, was aber an unserem Plan, diese Nacht in Wehrheim zu verbringen, nichts änderte, worüber ich und vor allem mein Rücken und meine Oberschenkel ziemlich glücklich waren und dem lächeln meiner Freunde nach zu urteilen wussten sie das.

Wir hatten Wehrheim noch nicht lange hinter uns gelassen, als uns eine berittene Patrouille Bannstrahler, zehn an der Zahl, direkt und unmissverständlich die Weiterreise auf der Reichsstraße verstellten.
„Woher kommt ihr und Wohin führt euch die Reise. Im Namen des Götterfürsten, sprecht wahr!“ Ich spürte nicht nur den Blick des, in meinen Augen noch recht jung wirkenden Anführers dieser Gruppe auf mir brennen, auch seine Gefährten zeigten mehr Interesse an mir als an meinen bewaffneten Freunden. Vielleicht war die Schwarze Robe doch keine so gute Idee gewesen, aber ich hatte die letzten Monate so viele neue Kleidung bekommen, da wollte ich meine mir lieb gewordene Reiserobe, auch wenn sie in einem, wie ich inzwischen selber fand, eher unpassenden Schwarz gehalten war, nicht auch noch missen.
„Wir sind im Auftrag des Kaiserhauses auf der Spur eines Ucuriaten, welcher hier auf dieser Reichsstraße in Richtung der Schwarzen Sichel gereist sein soll.“ Gab ich offen und frei dem Mann Auskunft, immerhin erwartete er wohl von mir selbige, so direkt wie er mich anschaute und auch angesprochen hatte. Ganz offensichtlich versah er hier eine Art Gardedienst, daher war es sein gutes Recht, uns diese Fragen zu stellen.
„Ausgerechnet eine von Mada Verfluchte soll im Namen des Kaiserhauses unterwegs sein? Gar eher scheint es, das ihr im Namen finsterer Götzen dem Ehrwürdigen Diener Praios nachstellt um seiner für welche verwerflichen Gründe auch immer habhaft zu werden!“ schrie mich der Bannstrahler unvermittelt an, während seine Begleiter bedrohlich einen Halbkreis um uns zu formen begannen. Erschrocken ließ ich mein Pferd ein paar Schritte zurücktänzeln, weniger um hinter meinen Freunden Schutz zu suchen sondern schlicht weil mich die Verbale Attacke des jungen Mannes so überrascht hatte.
„Bei Praios!“ Vernahm ich unerwartet Ghors Stimme laut und kräftig, mit einem deutlichen Unterton des ungehalten in ihr. „Wie könnt ihr es wagen? Dies ist eine Abgesandte der Reichsregentin! Nehmt gefälligst Haltung an!“ Ghor lenkt sein Schwarzes Pferd zwischen mich und die Bannstrahler. Zusammen mit seiner Schwarzen Rüstung und seinen offenen schwarzen Haaren wirkte er nun wirklich nicht gerade wie der Vorzeigediener des Kaiserhauses und, so ehrlich musste man sein, sah auch nicht sonderlich vertrauenerweckend aus. Aber sein Auftreten schien bei den Bannstrahlern für Eindruck gesorgt zu haben, denn der junge Bannstrahler nahm das offizielle Schreiben des Grafen Nemrod sichtlich zitternd aus der Hand Ghors entgegen, während seine Begleiter ihren Halbkreis wieder gelockert und sich sogar ein wenig von Ghor und ihrem Anführer entfernt hatten.
Mit weiteren harschen Worten klärte Ghor die Situation bis hin zu dem Punkt, dass der junge Bannstrahler sich sogar mehrmals bei mir für sein Fehlverhalten entschuldigte, wobei er sich auf meine schwarze Robe und die herrschenden Zeiten berief. Ich kam nicht umhin, ihm in diesem Punkt Recht zu geben, auch wenn ich es nicht aussprach. Es war sicherlich nicht meine beste Idee der letzten Zeit gewesen, ausgerechnet in einer schwarzen Magierrobe so nah an die Grenze zu den Schwarzen Landen zu reisen. Aber hinterher wusste man ja immer mehr und ändern konnte ich es nun auch nicht wirklich, sah doch der Codex Albyricus klar vor, dass eine Adepta beständig und überall als solche zu erkennen war, also konnte ich mir auch nicht einfach in der nächsten größeren Ortschaft ein paar normale Kleidungsstücke kaufen. Aber zumindest dieses Problem hier, wenn man es denn so nennen konnte, hatte Ghor ja noch recht vernünftig und schnell gelöst, so dass wir unseren Weg nun wieder unbehelligt weiter reiten konnten.

Auch auf der Reichsstraße I Richtung Trollpforte war es keine Kunst der Spur des Ucuriaten zu folgen. Beinahe jede Person, die wir nach diesem fragten konnte uns erzählen, dass er tatsächlich vor drei Tagen hier vorbeigekommen war. Der ein oder andere erinnerte sich sogar noch daran, dass der Ucuriat zwar gefragt hatte, wie weit es noch bis Gallys sei, ihm aber die Antwort keine erkennbare Reaktion entlockt hatte und er danach im gleichen Tempo weitergeritten sei, zügig, aber nicht im wilden Galopp. Da wir uns dem Ucuriaten zwar nicht wirklich genähert hatten, aber immer noch eindeutig auf seiner Spur waren, und sich mein Körper nur langsam an die für ihn doch wieder so ungewohnten Strapazen gewöhnte versuchte ich meine Freunde davon überzeugen, nicht noch die Dämmerung für eine paar gute Meilen Raumgewinn zu nutzen um nach einer kurzen Nacht unter dem Sternenzelt frühzeitig weiterzureiten, sondern statt dessen die Annehmlichkeiten der Herberge, in welcher wir gerade unser Abendessen einnahmen zu nutzen um dafür am nächsten Tag umso ausgeruhter die verschenkten Meilen wieder gut zu machen. Anfänglich sah ich deutlich Zweifel und Unentschlossenheit in den Gesichtern meiner Freunde. Als aber dann auch noch Tela direkt hinter den beiden Männern, das Männer aus welchen Gründen auch immer gerne zusammen zum Wasser lassen gingen war inzwischen sogar mir klar, den Tisch verließ machte mich Unsicher. Wir waren hier ja nicht in der Wildnis, wo es tatsächlich unratsam war, sich alleine von der Gruppe zu entfernen. Es dauerte auch eine Weile, bevor sie zurückkamen, andererseits, wenn es nur einen Abort gab konnten ja auch Männer eher schlecht zusammen, wobei, bei Männern war ich mir in mancher Hinsicht wirklich nicht sicher. Aber das war jetzt eher weniger meine Sorge. Den Gesichtern meiner Freunde nach zu urteilen hatten sie die unerwartete Wartezeit, scheinbar hatten die Männer dann freundlicherweise noch auf Tela gewartet, noch zu einem klärenden Gespräch genutzt. Ich versuchte die Schmerzen in meinem Rücken und meinen Beinen zu ignorieren, als ich mich erhob um am Tresen den Wirt nach den Kosten zu fragen. Dass Hakim plötzlich neben mich trat irritierte mich ein wenig. Wir hatten abgemacht, um die Sache einfach und wo immer möglich unkompliziert zu halten, dass jeder von uns im Wechsel einmal alles zahlte, in Geldsachen waren wir über ein sich Gegenseitig Ausnutzen schon lange hinweg, und meines Wissens nach war ich an der Reihe.
„Wir nehmen die beiden Doppelzimmer, guter Mann.“
Es dauerte ein paar Sekunden bis ich erkannt hatte, dass es Hakim gewesen war, der mit dem Wirt gesprochen hatte. Mein fragender Blick in Richtung Ghor und Tela hatte aber nur zur Folge, dass die beiden mich ungefähr noch eine Sekunde mit ihrem harten, entschlossenen Gesichtsausdruck anstarrten, bevor sie sich lachend in die Arme fielen. Die Arme taten mir jetzt zwar nicht wirklich weh, aber mir fehlte trotzdem einfach die Kraft meinen Stab zu nehmen und die beiden zu schlagen. Also beschränkte ich meinen Zorn auf einen Fausthieb in Hakims Seite. „Bei Peraine! Das wollte ich nicht!“ schrie ich entsetzt auf, als Hakim aufschrie wie wenn er plötzlich lichterloh in Flammen stehen würde und sich Schmerzerfüllt die Seite hielt, an der ich ihn getroffen hatte. Ich hatte meine Hände entsetzt vor den Mund gehoben und blickte hilfesuchen zu Tela und Ghor. Hatte Hakim dort eine nichtverheilte Verletzung vom Turnier? Hatte ich eine angeknackste Rippe getroffen, von der er, in typisch männlichem Stolz niemandem was erzählt hatte? Was hatte ich getan?
„Warte, es wird gleich besser. Balsam Salabunde.“ Tela hatte eine Hand auf Hakims Seite gelegt und strich nun die ganze Seite von unter den Achseln bis zu den Oberschenkeln auf und ab. Das war zum einen falsch, die Hand sollte auf der Stelle, die man heilen wollte liegen bleiben, zum anderen hatte ich gar nicht gewusst, dass sie diesen Zauber kannte und zudem war ich völlig verblüfft darüber das sie hier so ganz offen zaubern wollte, auch wenn es in diesem Augenblick sicherlich zu Hakims bestem war.
„Lynia! Und ich sag immer, zu viel Gemüse ist ungesund.“ Ghor war an meine Seite getreten und hatte seine Hand um meinen rechten Oberarm gelegt. Wobei, eigentlich nicht seine rechte Hand, sondern nur den Daumen an die Unter- und die anderen Finger auf die Oberseite, wo er prüfend drückte. „Hast du da drin heimlich eine Pfanne versteckt, oder sind deine Muskeln wirklich so hart?“ Sein verblüffter Blick wechselte zwischen mir und Tela und Hakim.
„Das, das war keine Absicht. Ich wollte nicht. Es tut mir Leid, Hakim. Ich wusste nicht, dass…“
Hakim war der erste, der sich nicht mehr beherrschen konnte und loslachte, dicht gefolgt von Ghor und Tela.
„Ihr.“ Ich schaute verblüfft von einem zum anderen. „Du.“ Ich zeigte erst auf Hakim und anschließend auf Tela. Es war wie bei einer Analyse. Wenn man erst einmal einen Ansatzpunkt gefunden hatte ergaben plötzlich alle anderen unklaren Enden ebenfalls einen Sinn. „Ihr!“ Wenn ich noch die Muße dazu gehabt hätte wäre ich vermutlich selber darüber erschrocken, wie tief meine Stimme werden konnte. Schmerzen hin, Müdigkeit her, plötzlich lag mein Stab in meiner Hand und genau da gehörte er auch hin. „Wartet, ich will doch nur zeigen, wie hart ich wirklich trainiert habe!“ Aber die drei waren schon halb zur Türe draußen, natürlich nicht alle gleichzeitig, damit sie hängen blieben und ich sie erwischen würde. „Wehe ihr kommt zurück, bevor ich schlafe!“ Ich drohte den drei Flüchtlingen noch mit dem Stab, bevor ich mich zurück in den Gastraum begab. Intelligenz ist, wenn man erkennt wann eine geplante Tat so eine geringe Aussicht auf Erfolg hatte, dass man sie eigentlich auch sein lassen konnte und das dann auch tat. Sicher, wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren, aber manche Kämpfe waren so oder so schon verloren, dann konnte man auch auf sie verzichten. „Der erste der Lacht. Ah, egal, verzaubern darf und will ich euch nicht und für alles andere fehlt mir die Kraft.“ Ich ließ meinen Blick von den anderen Gästen, von denen der ein oder andere schon gut sichtbar seine Hände vor den Mund gepresst hielt zum Wirt gleiten, der hinter seiner Schürze vor dem Mund vermutlich ebenfalls von einem Ohr zum anderen grinste. „Welches Zimmer ist für uns Frauen?“

Die Straße führte durch das Wehrheimer Land, wo über schwarzen Ackern Saatkrähen kreisten, Obstbäume Dörfer umgaben und auf großen Weiden Herden von Darpatrindern, Ziegen und Schafen ihr Dasein fristeten. Linkerhand passierten wir die alte Turmburg Rabenmund, einst der Sage nach vom Siebenstreichträger Hlûthar erbaut und als Domizil des Verräters Answin von Rabenmund bekannt geworden.
Von der Baernfarn-Ebene vor Gallys aus sahen wir die fernen Berge der Schwarzen Sichel, die gerundet aus tiefen und unwegsamen Wäldern aufragten und die Grenze der freien Lande bildeten.
Wolkenberge verdunkelten sich in den Berghöhen. Ferne Blitze und Regenschleier erschienen wie eine entfernte Wolkenschlacht.
Ein Lächeln zog über meine Lippen als ich an das Gesicht des Wirtes von heute Morgen dachte. Ich war als erst wach und beim Frühstück gewesen, daher bemerkte ich recht gut, wie der Wirt jedes mal wenn aus dieser Richtung Geräusche erklangen, zum Treppenhaus schaute, von welchem aus meine Freund ebenfalls kommen mussten. Vermutlich hatte er sich eine Fortsetzung des gestrigen Abends erhofft und entsprechend war er unschlüssig gewesen, ob er verwundert oder verblüfft darüber sein sollte, dass meine Freunde und ich uns ganz normal, freundlich und offen begrüßten und dann zusammen frühstückten, wie wenn nie etwas passiert war, was ja eigentlich auch richtig war. Natürlich war mir klar, dass meine Freunde sich einen Scherz auf meine Kosten erlaubt hatten, aber bei Rahja und Phex, ein kleiner Streich und ein paar Lacher, zumal ja niemand wirklich zu Schaden gekommen war, auch wenn es in diesem Fall mich getroffen hatte, deswegen löste man doch keine Freundschaft auf, oder grollte, wie es den Zwergen nachgesagt wurde, noch Jahrelang der Untat hinterher. Nein, wir waren zivilisierte Menschen und wussten sehr wohl mit solchen Gegebenheiten so umzugehen, wie es sich gehörte und hakte auch nicht drauf rum oder war lange beleidigt. Außerdem war der Tag dazu auch eigentlich viel zu schön dazu und die über der Schwarzen Sichel hängenden Wolken machten unmissverständlich klar, diesen Umstand auszukosten, solange er noch anhielt. Ein klein wenig hatte ich auch das Gefühl, aber sicher war ich mir in dieser Hinsicht nicht, dass dieser Scherz auch ein wenig geholfen hatte den Druck zu nehmen, der irgendwie ein wenig auf uns gelastet hatte. Es schien alles so einfach und überschaubar, aber offensichtlich hatte nicht nur ich ein merkwürdiges Gefühl gehabt. Aber zumindest unter uns war die Stimmung noch gut und solange das der Fall war konnte kommen was wollte, wir würden es durchstehen.

Gallys. Auf dem Artemaberg standen die Häuser der Stadt Gallys, die von einer bis zu 6 Schritt hohen Mauer umgeben war. Die Gassen waren eng, steil und treppenreich. In vielen Häusern sind Soldaten untergebracht, die dem Provinznest seit Jahren Festungscharakter geben: 100 Mann des Garderegiments Ogerwacht und Darpatische Heiducken, Grenzreiter stehen hier gegen die Schrecken der Berge und der nahen Schwarzen Lande bereit, wenn sich die Aussagen der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur nicht allzu sehr geändert hatten. Aber daran konnte ich eigentlich nicht so wirklich glauben.
Aufgrund der Unwegsamkeit der von Kalksteinhügeln gesäumten Umgebung mussten früher Wagen und Truppen eigentlich einen Umweg von 30 Meilen in Kauf nehmen, wenn die Tore der Stadt geschlossen waren. Ein Baron ließ jedoch, in alter Konkurrenz zu den Bürgern, einen Straßenring zur Umgehung der Stadt bauen, wurde uns erzählt. Aber der örtliche Baron, ein 22-jähriger Jüngling der die Nachfolge seines Vater angetreten hatte verweilte zur Zeit noch in Gareth, wo er an einem Turnier hatte teilnehmen wollen. Für einen kurzen Moment überkamen uns alle die Erinnerung und die Gedanken an die doch nicht ganz so schlechte Zeit in Gareth. War es wirklich gerade einmal fünf Tage her, dass Hakim genau dieses Turnier gewonnen und uns die Reichsregentin ein paar Stunden später hier her gebeten hatte? Wobei, wenn man auf Informationen wartete die von nicht unerheblicher Bedeutung waren, und ganz offensichtlich war das Wohlbefinden des Greif von Bedeutung konnten auch schon fünf Stunden lang werden, von Tagen ganz zu schweigen.
Aber auch in Gallys war es ein leichtes, Informationen über den Ucuriaten zu erlangen. Offenbar hatte er erst vor zwei Nächten hier in Gallys übernachtet. Dann hatte er bei einem Krämer, der sich sehr wohl sehr gut an den Ucuriaten erinnerte, ein langes und stabiles Seil, Kletterhaken und Spitzhacke gekauft. In der Herberge Baron Odilon, wo der Ucuriat übernachtet hatte wusste der Wirt jedoch nur zu berichten, dass unser Gesuchter sich dahingehend geäußert hatte, dass er in die Schwarze Sichel müsste. Er hatte ganz offensichtlich selber nicht so genau gewusst, wo genau er eigentlich hin wollte. An den Toren erfuhren wir dann schnell davon, dass der Ucuriat die Stadt in Richtung Firun verlassen hatte, also wie von ihm selber angekündigt, direkt hinein in die Schwarze Sichel.
Da der Tag schon fortgeschritten war und eine weiterreise ohne richtige Ausrüstung so unsinnig war wie der Glaube an diesem Tag ohne Licht in dieser Gegend noch sonderlich weit zu kommen, zumal wir in Richtung Schwarze Sichel die Reichsstraße gegen Waldwege, wenn überhaupt, eintauschen mussten, beschlossen wir, ebenfalls eine Nacht in Gallys zu verbringen.
Im nach hinein eine äußert glücklich Entscheidung, erfuhren wir doch nicht nur bei Krämer, wo auch wir uns ein wenig mit Ausrüstung für die Berge eindeckten sondern auch in unserer Herberge von anderen Gästen ein paar Neuigkeiten, die bei den Gallysern nicht viel mehr als Interessante Geschichten waren, welche man sich eben gut bei einem Humpen Bier erzählen konnte.
Ein für uns sicherlich nicht uninteressanter Aspekt waren die Berichte über die gesichteten Greifen gewesen. Vor etwa einer bis maximal zwei Wochen waren einzeln oder zu mehreren insgesamt fünfmal deutlich sichtbar Greifen direkt über die Stadt geflogen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man, wenn überhaupt, vielleicht alle paar Monate mal einen einzelnen Greifen gesehen und dann auch nie direkt über der Stadt sondern immer nur irgendwo im Umland.
Aber von der Trollpforte her hörte man nichts Besonderes, außer natürlich der üblichen Furcht vor den Legionen der Untoten, welche dort in der Finsternis lauerten. Aber es gab keine übermäßigen Aktivitäten oder auch nur die Sichtung von ungewöhnlichen Aktivitäten innerhalb des Bereiches, den man jenseits der Trollpforte einsehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, sein Leben zu verlieren. Daraufhin folgte eine sicherlich gut gemeinte Lehrstunde über die Schrecken der Trollpforte, oder auch Wall des Todes, wie er hinter vorgehaltener Hand genannt wurde, die uns aber, hoffentlich, eher von weniger nutzen waren, führte uns unser Weg erfreulicherweise nicht weiter in diese Richtung. Wobei das auch relativ war, denn in diese Richtung führte für etliche Meilen zumindest noch eine halbwegs Instandgehaltene Reichsstraße, während wir uns morgen mehr oder weniger von dieser direkt weg in die Unwegsamkeit der Schwarzen Sichel begeben wollten und das war, auch ohne den Regen, welcher langsam aber mit unaufhaltsamer Stetigkeit angefangen hatte auf das Dach zu prasseln, sicherlich anstrengender als es die letzten Tage für mich eh schon war. Selbst wenn der Regen bis morgen früh aufhören sollte, angenehm würde das morgen nicht und das nutzte ich dann auch als Anlass um mich für die Nachtruhe zu entschuldigen. Außerdem wollte ich noch ein wenig lesen, und dass war innerhalb der Gaststube nur schwer bis überhaupt nicht möglich.

„Die Schwarze Sichel ist fast durchwegs von tiefen Wäldern durchsetzt, die alleine durch ihre Größe und Alter menschliche Sieder entmutigen.“
Ich musste an die Erzählungen der Naturcharakter in Gallys denken, also der Gaststättenbesucher die ihren Lebensunterhalt außerhalb der schützenden Mauern verbrachten, als wir uns von unseren Pferden die Hügel in das schnell bergiger werdende Land der Schwarzen Sichel hochtragen ließen. Ich sah Rotfichten, Firunsröhren und knorrige Sicheltannen an den Hängen, in ihren Schatten Adlerfarn und Schlehendorn. Das dunkel gefärbte Schiefergestein ließ die Berge aus der Ferne als sanfte Erhebungen mit gerundeten Formationen erscheinen, die sich aus der Nähe jedoch als bizarre Auftürmungen, steile Felswände und übereinander gewuchtete Schieferplatten herausstellten. Die höheren Lagen waren immer noch schneebedeckt, während sich Schmelzwasserbäche aus den Regionen, wo doch Praios wärmende Strahlen über Firuns Pracht gesiegt hatte durch Kerbtäler stürzte. Stetig trieben Wolken über Grate und durch Täler und versperrten häufig die Sicht auf die Berge hinter ihnen. Es war vorherzusehen, dass, sollte uns unser Weg ebenfalls in diese Höhen führen, uns diese Gefahr ebenfalls drohte. Aber im Moment hoffte ich nur, dass es zum Abend hin nicht so war, erstrahlten die Berge bei Sonnenuntergang doch wahrlich in dem zu Recht gerühmten Sichelglühen. Es sollte hier, direkt an und in den Bergen noch eindrucksvoller sein als von Gallys aus. Zumindest etwas, worauf ich mich freuen konnte.
Gespensterkrähen fliegen zu sehen war nicht weiter schwer, auch Steinböcke ließen sich unbedarft sehen, wussten diese sich doch sicherlich weit und hoch genug von uns weg um sich sicher zu fühlen. Auf eine Begegnung mit einem Waldschrat, den einheimischen Goblins oder gar einem Troll hingegen konnte ich getrost verzichten, hatten uns die Leute in Gallys doch ebenfalls vor diesen Bewohnern der Berge gewarnt. Auch vor den Scheußlichkeiten aus Transysilien, welche immer wieder über die Berge gekrochen kamen, sollten wir uns in acht nehmen, auch wenn niemand in der Lage oder willens gewesen war, diese Gefahr näher zu beschreiben.
Auch die Bergpfade mit ihren Holz- und Hängebrücken und die Klammwege, durch welche wir die Pferde nur langsam am Zügel führen konnten und die wenigen auf der Karte verzeichneten Karrenwege zeigten, dass dies wahrlich keine Gegend war, in der Handel blühen würde und größere Ortschaften einen nutzen oder auch nur die Möglichkeit zur Dauerhaften Verpflegung hätten. Daher passierten wir auch nur, anfangs noch relativ regelmäßig kleine Siedlungen, umgeben von einer Bruchsteinmauer mit niedrigen Wald- und Bergbauernhäuser, deren Schieferdächer bis zum Boden reichten, um im Winter die Schneelast besser bewältigen zu können. Diese Siedlungen lebten noch von der relativen Nähe von Gallys. Aber nicht nur unsere Karte zeigte uns, dass wir die nächsten Tage froh sein konnten, wenn wir innerhalb eines Tages von einer Ortschaft zur nächsten kommen würden. Wobei die Frage war, ob uns das etwas nutzen würde. Die Hinterwäldler, so nannte man die Bewohner des Hinterwalds, welche ihr Dasein im Schatten des dunklen Schiefergebirges fristeten, waren einfache Leute, arm und Fremden gegenüber schweigsam. Aber trotz alledem sollten sie gastfreundlich sein und die Gebote Travias in hohen Ehren halten, ebenso wie Traditionen und unterschiedlichste Lokalen Bräuche.
Aber zuerst trafen wir auf etwas völlig anderes, was ich hier in dieser Gegend eigentlich nicht erwartet hatte, obwohl es in der Karte verzeichnet war. Aber ich musste mir eingestehen, ich hatte es bis zu dem Moment, wo wir tatsächlich davor standen, für eine veraltete oder gar gänzlich falsche Eintragung gehalten.
Ein Praios-Kloster.
Sankt Kathay, wie es sich nannte, war ein kleines, ummauertes Kloster des Praios und wir wurden von einem Bruder Perval, überraschend freundlich und aufgeschlossen in Empfang genommen. Das Kloster wurde von Männern und Frauen gleichermaßen bewohnt und existierte schon seit Generationen. Auch Bruder Holgrir, wie Bruder Perval, er bestand auf die Anrede Bruder, auch wenn er klar als Geweihter zu erkennen war und damit eigentlich das Recht auf die Ansprache Euer Gnaden hatte, ihn nannte war vor gerade einmal zwei Tagen durch dieses Kloster gekommen. Aber außer um im Tempel zu beten und ein kurzes Gespräch über Greifen zu führen, dass wenig zu seiner Erbauung beigetragen hatte, war er nicht im Kloster verblieben. Dafür konnte uns Bruder Perval deutlich beschreiben, in welche Richtung der Ucuriat weitergeritten war. Auf die Verständliche, wenn auch ein wenig drängende Frage meiner Freunde hin, was an der Geschichte über Greifen, die Holgrir hier gehört hatte den so schlimm gewesen war, bat er uns, ihm zu folgen. Bruder Perval führte uns in den, für einen dem Praios geweihten Tempel überraschend schlichten Tempel des Klosters wo wir schon von Eingang aus den dominierenden Altar sehen konnten, der Kunstvoll aus einem großen Schieferblock gefertigt worden war und trotz seiner dunklen Farbe ein leuchten auszustrahlen schien, dass dem Tempelraum im Innern den Glanz gab, der ihm von außen fehlte. Aber das glänzen kam nicht wirklich von dem Altar sondern von den fingergroßen Goldstatuetten von Greifen, welche auf diesem sauber aufgereiht standen. Insgesamt waren es acht dieser Goldstatuetten, aber nur vier von ihnen leuchteten.
„Wir ließen sie zu Ehren der Götterboten aufstellen, als sich die heiligen Greifen vor fünf Jahren in den Bergen niederließen um uns vor Unbill zu schützen.“ Begann Bruder Perval zu erzählen, als ich ehrfürchtig vor dem Altar auf die Knie gesunken war. „Und, Urischar und Schelachar seien meine Zeugen, am Morgen nach ihrer Weihe leuchteten alle acht Figuren golden wie die Sonne! Ein Wunder des Herrn. Doch in den letzten Tagen verloren einige von ihnen schlagartig ihr Licht. Am Abend leuchteten sie noch, doch mitten in der Nacht musste etwas geschehen sein, denn am nächsten Tag war eine der Statuetten erloschen.
„Alle auf einmal?“ hörte ich meine Freunde fragen.
„Nein, nein. Immer nur eine, nach der anderen und auch nicht jeden Tag. Vor genau Fünfzehn Tagen fing es an. Da war die erste erloschen. Die anderen verloren ihr leuchten vor Zwölf, Sieben und Vier Tagen. Ich bin bei Praios sicherlich kein in diesen Sachen bewanderter Mann, aber selbst wir hier wussten, warum die Statuetten leuchteten und wir können uns hier im Kloster daher nur eine Ursache für das erlöschen dieses Leuchtens der einzelnen Statuetten erklären. Etwas geschieht mit den Greifen hier in der Schwarzen Sichel, doch wer oder was könnte einem Greifen etwas anhaben?“

Meine Freunde verstanden es recht geschickt, ihre Ängste über das im Kloster gesehene und gehörte mit der Freude über klare Hinweise auf den weiteren Weg des Ucuriaten zu verschleiern. Vermutlich wollten sie mich damit ein wenig aufheitern, waren mir die Worte Bruder Pervals doch ziemlich nahe gegangen. Vielleichten wollten sie sich damit aber auch nur dafür entschuldigen, dass sie mir nur wenige Minuten für ein Gebet erlaubt hatten, immerhin bestanden gute Chancen, dass wir heute Abend nochmals in einem vernünftigen Gasthaus würden übernachten können. Bruder Perval meinte, in die Richtung, in welche der Ucuriat Holgrir geritten sei läge eine Ortschaft und er sei sich sicher, Bruder Holgrir hätte diese sicherlich auch passiert. Ghor und Hakim gingen sogar schon so weit in ihren Vermutungen und ihrer Einschätzung bezüglich Phexens Gunst, dass sie der Meinung waren, Holgrir würde in der Gaststätte auf uns warten. Nun gut, dass nicht direkt, aber er würde auch dort sein, weil er seinen Auftrag erfüllt hatte und nun zurück nach Gareth reisen wollte, um Bericht zu erstatten. Ein Gedanke, so ehrlich musste ich sein, der auch mir gefallen würde.
Schon die ersten Stimmen der Dörfler, welche uns auf dem Weg begegneten, machten zum einen Hoffnung, zum anderen aber auch ein wenig Unsicher. Die Dörfler waren auf dem Weg zurück nach Hause, aus dem Wald oder nahen Feldern, daher wussten sie nicht, ob der Ucuriat wieder in ihrem Dorf war, sie wussten aber, dass er vor zwei Tagen in selbiges gekommen war und dort auch übernachtet hatte. Tela tat sich besonders im Umgang mit den Menschen hier hervor und entlockte ihnen in leichtem Gespräch Informationen wie ich sie aus einem Buch las. Ich musste gestehen, manchmal bewunderte ich sie dafür. Aber die Götter hatten jedem das seine gegeben und der Umgang mit Menschen war nun mal nicht meines, aber wenn wir wieder in einer Bibliothek Informationen aus den dortigen Büchern benötigen würden, dann wäre wieder meine Stunde gekommen. So war es aber Tela, welcher erzählt wurde, dass die Geweihten des nahen Klosters erzählt hätten, dass sich zwölf, oder waren´s acht? … na, jedenfalls hatten sich Greifen die Grenze zu den Finsterlanden gerecht geteilt und saßen nun auf den höchsten Gipfeln der Sichel und Zacken. Der nächste war wohl der Greif Malachan drüben in Echsmoos auf dem Berg Sonnenthron. In den letzten Wochen waren wohl immer wieder Greifen am Himmel gesehen worden. Es mussten, so die Aussagen der Dörfler, verschiedene gewesen sein, was aber diese verwunderte, hatten sie bisher doch immer geglaubt, die Greifen hätten ihr festes Revier. Aber in den letzten Tagen wurde es dann immer weniger Herumgefliege. Ich ersparte mir, nach einem lächelnden Kopfschütteln von Ghor meine Verbesserungsvorschläge zur Aussprache und Wortwahl im Ansatz. Vermutlich hatte er Recht und, um ganz ehrlich zu sein, in meinem alten Weiler in Nostria war unser Garethi auch nicht sonderlich viel besser gewesen. Ich lenkte meine trübselig werdenden Gedanken schnell auf eine junge Mutter, welche vor ihrem Haus in den letzten warmen Praiosstrahlen saß und ihren Säugling stillte. Ein Bild, das meine Stimmung nicht wirklich verbesserte. Aber die Götter hatten nun mal jedem das seine gegeben und noch schätzte ich mich nicht zu alt für solches Glück ein. Daher hörte ich Telas Gespräch mit der jungen Frau nur in meinem Rücken, auch wenn der Inhalt nicht uninteressant war. Ihr waren, da sie dank ihres Jünglings in letzter Zeit auch zu eher weniger göttergefälliger Stunde wach war, die letzten Tagen immer wieder mal, nicht in jeder Nacht, aber doch öfter als zweimal, seltsame Schreie aufgefallen, die von den tiefen der Schwarzen Sichel hergetragen worden waren. Aber es könnte auch gut sein, dass es sich nur um Eulen gehandelt hatte, so gut kannte sie sich mit den Tierstimmen ja nicht aus.“
„Hurra! Ein Gasthaus!“ lenkten Ghor und Hakim meine Aufmerksamkeit auf sich und tatsächlich, genau wie von Bruder Perval beschrieben stand am Dorfplatz ein größeres Haus, welches mit einem aufgemalten Bierkrug auf einem Schild über der Türe signalisierte, was es hier gab.
Mit den Worten „Noch mehr Flächlinger. Wollt euch wohl alle das Bein brechen“ wurden wir von einem älteren Mann begrüßt, der mit seiner Schürze und seinem Standort hinter einer grob gezimmerten Theke zu verstehen gab, dass er wohl der Wirt sei.
Schnell stellte sich heraus, erfreulicherweise übernahmen meine Freunde das Gespräch, dass im Hinterzimmer des Gasthauses ein alter Mann mit einem gebrochenen Fuß liegen sollte. Das Stichwort gebrochener Fuß ließ Tela in diese Richtung verschwinden, aber sie war noch nicht wirklich lange weg, da hörte ich sie meinen Namen rufen. So viel zu endlich auf etwas sitzen, dass sich nicht bewegte. Aber ich musste gestehen, kaum war ich in dem kleinen Hinterzimmer angekommen konnte ich Tela verstehen und ich kam nicht umhin, ihr dankend zuzunicken.
„Hochgelehrter Magister Prahe.“ Ich verbeugte mich tief vor dem liegenden Mann in roter Robe und gewachstem Alchimistenbart, dessen Zylinderkappe auf einem Tisch neben seinem Bett lag. „Das hier ist der Hochgelehrte Magister Prahe, eine Koryphäe im Bereich der Objektmagie, der Alchemie, der Mineralogie und Zwergenkunde.“ Erklärte ich Tela und war ein wenig verwundert darüber, dass sie ihn nicht selber erkannt hatte. Männer wie er mussten doch in Aventurien bekannt sein wie die Reichsregentin. Aber Tela winkte nur lachend ab, wünschte uns beiden viel Spaß und ließ mich mit dem Hochgelehrten Magister Prahe alleine. Verblüfft schaute ich meiner Freundin hinterher. Hier bot sich die Gelegenheit für ein Gespräch auf einer geistigen Ebene, wie ich es hier in den tiefen der Schwarzen Sichel als allerletztes vermutet hatte und Tela zog lächelnd von dannen. Bei Ghor und Hakim hätte ich es ja noch verstanden, aber Tela. Wahrscheinlich würde sie nur etwas zu trinken holen. Ich für meinen Teil hatte mich im Moment solch einfacher derischen Probleme entledigt, trinken konnte ich irgendwann immer noch und wandte mich dem Hochgelehrten Magister Prahe zu.

Ich lag immer noch wach auf meinem Strohsack, aber war zumindest schlau genug, nicht einmal ansatzweise zu versuchen, zu schlafen. Es lag nicht an meinen Freunden. Im Gegenteil, deren ruhige, tiefe und gleichmäßige Atemzüge hatten mir schon unzählige Nächte beim Einschlafen geholfen, dass hier war nicht der erste Schlafsaal, in welchem wir übernachteten. Natürlich hatte so eine Gaststätte in solch einer Gegend keine Dutzende Einzelzimmer. Eigentlich hatte sie nur ein separates Zimmer und in diesem ruhte der Hochgelehrte Magister Prahe und einen großen Schlafsaal unter dem Dach, welchen wir aber zu viert für uns hatten. Ich gab Grauschnauz ein Zeichen, ich wusste, dass er es sehen und verstehen würde, zog mir meine Robe über und öffnete den Verschlag vor dem Fenster. Grauschnauz strich mir mit einem Flügel dankend über die Hand, bevor er mit einem Satz von der Fensterbank aus in die Nacht sprang. Während ich versuchte meinen Freund im Dunkeln der Nacht zu entdecken fuhr ein hohes, melodisches Krächzen durch den Nachthimmel.
„Das bin nur ich. Ich hab Grauschnauz nochmal ein wenig raus gelassen.“ Erklärte ich schnell, immerhin konnten meine Freunde nur eine schemenhafte Gestalt sehen, welche am plötzlich offenen Fenster des Schlafsaales stand. Ich sah, wie Ghor und Hakim ihre Waffen wieder zur Seite legten und bemerkte, wie Tela sich wieder mit dem Gesicht vom Fenster wegdrehte, wartete aber sicherheitshalber noch ein paar Atemzüge lang, bevor ich mich wieder dem Fenster und dem Nachthimmel zuwandte. Aber statt Grauschnauz sah ich plötzlich einen golden strahlenden Lichtpunkt am Nachthimmel vorbeiziehen. Obwohl ich mir nicht sicher war so glaubte ich doch zu spüren, dass es sich bei diesem Lichtpunkt um einen der Greifen handeln musste, welche hier ihre Wacht hielten. Der Anblick wirkte, obwohl meine Vermutung nur auf einem Gefühl beruhte, doch beruhigend und erhaben auf mich. Mit einem kurzen Dankgebet an Praios, begab ich mich zurück zu meinem Schlafplatz um mich endlich zur Ruhe zu legen. Mir war die Ironie bewusst, dass ich wohl ausgerechnet dem Götterfürsten einen ruhigen Schlaf verdankte, aber manchmal war das Leben einfach merkwürdig. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, hier Tyros Prahe zu begegnen und mich mit diesem stundenlang angeregt zu unterhalten, wobei mir vor allem seine Erläuterungen über Verwandlungsmagie und mögliche Paraphernalia, welche man zur Unterstützung der selbigen einsetzen konnte fast ebenso gut gefallen hatten, wie seine Ausführen über Objektmagie. Ich musste mir selber eingestehen, dass ich mir für geraume Zeit überlegt hatte, mir auch ein Bein zu brechen, hatte diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen. Es wäre meinen Freunden gegenüber ungerecht gewesen. Zudem hatte der Hochgelehrte Magister auch erzählt, dass er in den nächsten Tagen, seinen Bruch hatte ich natürlich geheilt, der Magister hatte den Balsam immer lernen wollen, es aber irgendwie nie geschafft, was mir merkwürdig vertraut in den Ohren nachgeklungen hatte, zurück nach Gareth reisen wolle und das wir dort unser angeregtes Gespräch, er hatte wirklich angeregt gesagt gehabt, ich war in diesem Augenblick bestimmt vor lauter Stolz ganz rot geworden, fortführen konnten. Zufrieden und an eine Großartige Zeit in Gareth denkend, schlief ich ein…
… und wurde von einem Schrei förmlich wieder aus dem Schlaf gerissen. Der Schrei klang merkwürdig nachhallend und verzerrt, er war wohl nicht in der Nähe aufgeklungen, aber er hatte eindeutig wie der langgezogene, verebbende Schrei eines sterbenden Raubvogels geklungen und obwohl mir klar war, dass es daher eigentlich nicht möglich war, so hatte ich doch meinen Stab in der Hand und ließ mit einem geistigen Befehl dessen oberes Ende zu einer Fackel entflammen. Auch meine Freunde waren wach und schauten sich, teils erschrocken, teils fragend um. Selbst Tela hatte nun ihren Dolch in der Hand. Ich wollte gerade aufspringen und zum Fenster laufen, als Grauschnauz auch schon durch dieses geflogen kam. Ruhig und ganz offensichtlich unverletzt. Bei den Zwölfen, mir war, wie wenn der Oger auf meinen Schultern endlich erkannt hatte, dass in meiner sitzenden Position seine Beine bis auf den Boden reichten und er daher auch selber stehen konnte. Ich rappelte mich auf, stolperte auf den Kater zu und umarmte ihn fest.
„Keine Angst. Mir ist nichts passiert. Was immer da seinen letzten Schrei getan hat, es war weit weg von hier.“ Sprach mir Grauschnauz beruhigend ins Ohr und erwiderte die Umarmung mit seinen Flügeln. Anschließend flog er geschmeidig zu Tela, rollte sich an derer Seite zusammen und schlief ein, dicht gefolgt von Tela und den Männern. Meine Versuche in diese Richtung verliefen nicht ganz so glücklich und einfach, aber daran hatte ich, schon wieder, auch nicht wirklich geglaubt.
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Das Jahr des Feuers - Schlacht in den Wolken - Wenn die Federn golden fallen I
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