Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Das Jahr des Feuers – Schlacht in den Wolken – Das kaiserliche Turnier – der sechste und letzte Turniertag II

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Lynia
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BeitragThema: Das Jahr des Feuers – Schlacht in den Wolken – Das kaiserliche Turnier – der sechste und letzte Turniertag II   Das Jahr des Feuers – Schlacht in den Wolken – Das kaiserliche Turnier – der sechste und letzte Turniertag II EmptyDi Okt 21, 2014 8:20 pm

„In Ordnung. Wir können rein.“ Tela drehte sich von mir weg und ließ ihr Pferd wieder lostraben.
Offensichtlich hatte Telas tätscheln meiner Wangen die erhoffte Wirkung gehabt und wieder Farbe in mein Gesicht gebracht, nachdem sogar die mehr als anzüglichen Bemerkungen von Ghor und Hakim, bei denen ich eigentlich immer rot wurde, diesmal wohl nicht funktioniert hatten. Eigentlich war auch Ghor derjenige gewesen, der gemeint hatte, dass er mich vielleicht mal ganz zart und doch wild küssen sollte, womit es angefangen hatte. Natürlich hatte Tela wissen wollen, wie er denn nun auf diese glorreiche Idee gekommen sei, aber Ghor hatte nur mich beobachtet und wohl ein bisschen über meinen Gesichtsausdruck gelacht. Er hatte dann aber tatsächlich eine sehr triftige Begründung und erklärte auch gleich, dass sein toller Plan aber nicht funktioniert hatte. Ghor hatte gemeint, dass so Bleich und Aschgrau, wie ich, seit sie mich als Statue vor dem Tempel der Sonne aufgelesen hatten, aussah würde man mich sicherlich nicht in die Neue Residenz auf das Bankett lassen, vor lauter Angst, ich hätte eine ansteckende Krankheit. Das mit dem Bleich und Aschgrau konnte ich nicht bestätigen, ich hatte seit wir unser Haus verlassen hatten keinen Spiegel mehr gesehen. Das mit der Statue war auch maßlos übertrieben. Ich hatte eben ein bisschen gebraucht bis ich realisiert hatte, dass alle meine Freunde, auch Tela, Gesund und Wohlbehalten den Tempel der Sonne wieder verlassen hatten, auch wenn die sie begleitenden Praiosgeweihten anfänglich ein eher verfälschtes Bild auf mich gemacht hatten, zumal sie auch gleich nach Sonnenlegionären gerufen hatten, denen sie aber dann nur den Befehl erteilt hatten uns direkt zum Tor zurück zu geleiten, damit wir nicht zu spät zum Bankett kommen würden, immerhin sei ja auch die Pünktlichkeit gegenüber der Obrigkeit dem Praios wohlgefällig. Und das man mich für Krank hielt, nur weil ich wohl ein wenig bleich im Gesicht war, ansonsten aber weder schwitzte, noch zitterte noch mich sonst wie Krank fühlte bezweifelte ich auch. Aber er wollte dem ja vorbeugen in dem er mit seiner Unsittlichen Idee mir die Schamesröte ins Gesicht rief, was ja aber wohl auch nicht geglückt war. Hakim hatte sich natürlich ebenfalls gleich auf Ghors Seite gestellt und einen Vorschlag zum besten gegeben, während Tela mich nur sanft angeschaute hatte, aber letztlich Ghor zugestimmt hatte, was meine Chancen bezüglich des Zutritts zur Neuen Residenz betraf. Aber sie hatte sich auch mit ihrer Lösung des Problems durchgesetzt und daher konnten wir nun endlich die letzten Schritte bis zum von einem halben Dutzend in Almadanerblau gewandeten Palastgardisten bewachten Parktor zurücklegen. Ich sah nur noch wenige andere Gäste, offensichtlich hatte unser Aufenthalt in der Stadt des Lichtes länger gedauert als gedacht. Ein Glück dass die Praiosgeweihten das erkannt und uns zur Eile gedrängt hatten.
Zügig passierten wir die Palastgarde und die Freitreppe mit dem Zweiten Hofmarschall, der sichtlich erleichtert wirkte als er Hakim erblickte und uns durch einen Lakaien in den prächtigen Palast mit seinen Sälen, Korridoren und Arkadenbögen geleiteten ließ. Ich warf verzweifelte Blicke in die Richtung in welcher ich die Bibliothek wusste, folgte aber Pflichtbewusst dem Lakai und meinen Freunden. Bald, liebe Bücher, Schriftrollen und Papiere, bald würden wir wieder Zeit füreinander haben. Der Gedanke daran brachte ein Lächeln auf meine Züge, was mir nicht unangenehm war. Ich war über das kommende nicht begeistert, aber ich freute mich trotzdem darauf und es war schön wenn ich das auch zeigen konnte, auch wenn ich mich dazu, wenn auch irgendwie unfreiwillig, eines Tricks bedient hatte.
Der Lakai führte uns über einen ausgelegten roten Teppich zum Großen Speisesaal, durch dessen zweiflügeliges Tor beim Öffnen von selbigem Musik, Essensgerüche und das Stimmengewirr von vierhundert feiernden Menschen entlassen wurde.
Der Lakai gebot uns mit einem Handzeichen zu warten, und ein Herold winkte uns dann einzeln in den Saal. Die festgelegte Reihenfolge waren Tela, Ghor, ich und Hakim, wobei ich nicht sagen konnte, wie diese zustande gekommen war. Einzig Hakim, als Gesamtsieger des Turniers war klar, wobei ich eigentlich damit gerechnet hätte, dass er der erste von uns gewesen wäre. Wir anderen wurden mit fünf Fanfarenstößen angekündigt, welche sechs Herolde erklingen ließen. Ein siebter, derjenige welche uns auch mit Handzeichen in den Saal bat, verkündete daraufhin Lautstark unsere Namen, wobei er jedes mal ein eure, in Ghors Fall ein euer Wohlgeboren und in meinem Fall zusätzlich ein die gelehrte Dame voransetzte und ein die Beschützerin beziehungsweise Beschützer Brins und Vertreiberin beziehungsweise Vertreiber Rhazzazors anfügte, was jeweils für kurze stille im Saal führte. Hakim wurde die gleiche Ehre zuteil, nur das er mit sieben Fanfarenstößen und dem noch lauteren Ruf „Der Gesamtsieger des kaiserlichen Frühlingsturniers, Euer Wohlgeboren Hakim Zurriga, Beschützer Brins und Vertreiber Rhazzazors“ angekündigt wurde, was direkt nach dem kurzen Moment der stille lautes Jubeln erschallen ließ.
Der Saal vor uns war so groß, dass ich die Menschen am anderen Ende kaum erkennen konnte. Zwischen mächtigen Wappenbannern hatte man parallel vier lange Tafeln mit Gestecken, Platten, Tellern und Trinkpokalen aufgestellt. Quer dazu, am anderen Ende des Saals thronte die höhere Kaisertafel mit der Familie derer von Gareth und hohen Gästen. Die Anwesenden Gästen wandten sich wieder sich selber zu, was zu großen Teilen aus rumoren und kelchklirrendem anstoßen und Becher hinunterstürzen bestand. Die Bardengruppe Saltatio Mortis spielte Festmusik, zumindest prangte an einem großen Banner über den Musikern dieser Name, ich sah den Hofnarr Flarach, von dem ich wusste dass er ein Schelm war, was mich daran erinnerte, dass ich mit ihm nochmals ein paar Ausführliche Gespräche über die Magie der Schelme führen wollte, wie er Faxen machte, Kinder liefen zwischen Stühlen umher und ich sah Hunde und Katzen in stiller Eintracht unter den Tischen liegen. Verständlich. Heute würde sicherlich genug für alle unter den Tisch fallen. Ich dachte kurz an Grauschnauz, aber es war wirklich besser gewesen ihn zurück bei uns im Haus zu lassen. In einer langen Reihe stemmten Lakaien Kessel, Schalen und Platten mit Gerührtem, Gebratenem und Gesottenem umher und trugen auf. Der Lakai, der uns hergebracht hatte führte uns durch die Menge, was erschreckend langsam vonstattenging, da entgegen meinen Erwartungen nicht nur Hakim von so ziemlich jedem angesprochen und zu seinem Sieg gratuliert wurde sondern auch wir anderen wurden ebenfalls angesprochen, wobei ich erfreut feststellte, dass die Männer ihre Hände noch bei sich behielten, auch wenn ich mir durchaus darüber im Klaren war, dass dieser Umstand nicht bis zum Ende des Abend bestand haben würde. Meist gratulierte man uns zu unserem Sieg über Rhazzazor, manch einer dankte auch für die Rettung seiner Waffen aus den Klauen dieses von Phex verlassenem Diebesgesindel, offensichtlich waren doch ein paar Informationen über diese Geschichte aus der Garde heraus ins Volk gelangt, und manchmal wurden wir auch einfach so begrüßt und in den Reihen der Streiter für das Reich willkommen geheißen. Schließlich hatten wir unsere Plätze erreicht. Wir saßen an einer der inneren Tischreihen, nur etwas fünfzehn Schritt vom Thron der Reichsregentin entfernt. Auch von hier aus mussten wir und Hakim noch viel mehr, Hände schütteln und Trinkgrüße beantworten. Ein Platz in unserer Nähe blieb leer. Er war für den Schwarzen Ritter freigehalten, der das Turnier immerhin als zweiter beendet und in allen Disziplinen, an denen er teilgenommen hatte unter den ersten Drei gewesen war. Aber wie als Antwort auf meinen Fragenden Blick ging an unserem Tisch die Aussage herum, dass der Schwarze Ritter wohl schon abgereist sei. Zumindest waren sein Zelt und sein Gefolge nicht mehr in der Alten Residenz und auch sonst nicht in der Stadt gesehen worden. Auch Oberst Alrik vom Blautann und vom Berg wirkte unruhig und sein Gedeck war schon abgeräumt. Es hieß dass er auf Geheiß der Reichsregentin noch heute seine Reise zum Finsterkamm antreten sollte, solange der Turnierfriede noch seine schützende Hand über ihn hielt. Auch Graf Eslam von Eslamsbad, den Tela und Ghor wohl noch von ihrem Treffen mit Selindian Hal her kannten, den ich aber leider nicht sehen konnte, verabschiedete sich schon von den ersten Gästen, würde in Almada doch seine Grafschaft nach ihm rufen. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen dass ein Aufbruch zu dieser Stunde noch sonderlich viel nutzen oder zurückgelegten Weg versprach, aber andererseits war solch eine Hingabe zu seinem Lehen ja auch nicht zu verachten und ganz sicherlich Göttergefällig.
Der Erste Hofmarschall brachte die Menge kurzfristig zum Schweigen, was die Reichsregentin Emer nutzte um sich zu erheben und damit den Moment der Stille aufrecht zu erhalten, worüber ich ganz dankbar war. Mit wenigen Worten eröffnete die in einen Purpurmantel gewandete Regentin das Bankett, bevor sie sich wieder niederließ und der Lärmpegel schlagartig wieder anschwoll. Ich ließ meinen Blick nochmals über die Throntafel gleiten. Direkt neben der Reichsregentin saß ihre Tochter Königin Rohaja und auf ihrer anderen Seite der alte Prinz Storko, Kaiser Retos jüngerer Bruder. Danach folgten auf beiden Seiten schon kirchliche Würdenträger, was für mich ein klares Zeichen war das Prinz Selindian Hal nicht an dem Bankett teilnahm. Das wiederrum ließ mich mein Gedächtnis nochmals nach den Wegen innerhalb der Neuen Residenz durchsuchen. Mein Ziel war ein günstiger Weg von den Aborten zur Bibliothek. Niemand würde es mir übel nehmen, wenn ich nach dem Essen, welches seinen Luxus durch feudale Reichhaltigkeit und eine abgestimmte Tafel, weniger durch Al´Anfaner Dekadenz, unwillkürlich musste ich an Tante Tsaiane denken und ob sie meine Briefe wohl erhalten würde, präsentierte, mal zu einem speziellen Platz müsste. Und wenn es da länger dauern würde, wer würde eine gelehrte, wohlgeborene Dame zu diesem Thema schon befragen. Der aufgetragene Angbarer Käseschaum, die Schmalzgebackenen Truthahnkeulen mit Meerrettich, der Wehrheimer Zander mit Senf und all die anderen Speisen spielten mir da ja geradezu zu. Ich musste nur schauen dass niemand von den anderen Gästen, welche sicherlich ebenfalls beständig in diese Richtung gingen, meinen abgewandelten Rückweg bemerken würde.
Standesgemäß wollte ich nicht direkt nach dem Essen aufspringen und mich entfernen, also beteiligte ich mich, meist durch reines zuhören, noch ein wenig an den Gesprächen an unserer Tafel, als der Erste Hofmarschall wieder für Ruhe sorgte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, eine Chance verpasst zu haben, was sich bestätigte, als sich Reichsregentin Emer ebenfalls wieder erhob.
„Wir gedenken nun die Sieger der einzelnen Disziplinen des diesjährigen Frühjahrsturniers zu ehren.“ Klang ihre Stimme durch den Saal. Sprach es aus und ließ den Schwarzen Ritter nach vorne treten, welcher die Tjoste für sich hatte entscheiden können. Sie ließ ihren Blick durch den Saal schweifen, wiederholte ihren Aufruf nochmals, während sie den freien Platz an unserer Tafel fest im Blick hielt, fragte nach, ob jemand kund tun könnte über den Verbleib des Schwarzen Ritters und ließ sich, als sich Erwartungsgemäß niemand meldete, von ihrem Hofmarschall eine Schriftrolle zeigen. Laut ließ sie Hakim nach vorne treten und diesen, während er sich von seinem Platz erhob um nach vorne zu treten dreimal hochleben.
„Ein dritter Preis ist in der Disziplin Tjoste nach alter Sitte nicht vorgesehen!“ Der Erste Hofmarschall senkte die Schriftrolle, aus welcher er die beiden Preise für den Erst- und Zweitplatzierten verkündet hatte. Den Regularien nach durfte sich der Sieger als erster seinen Preis aussuchen, anschließend durfte der Zweitplatzierte einen Preis wählen und der Dritte bekam automatisch den übriggebliebenen Preis. Im Falle der Tjoste gab es nur zwei Preise, eine auf ein Jahr befristete Anstellung als Oberst oder eine maßgefertigte Ritterrüstung.
Überraschenderweise entschied sich Hakim, der auf Grund der Abwesenheit des Erstplatzierten wählen durfte für die Ritterrüstung. Anfänglich verstand ich das überhaupt nicht, konnte ich mir den gewandten, immer in Bewegung befindlichen und auf seine auch körperliche Freiheit stets so bedachte Hakim kaum Dauerhaft in so einem Ungetüm aus Metall vorstellen. Aber seine Begründung sorgte dann doch für Aufklärung und lautes Gelächter. „Seien wir doch ehrlich. Ein Zahori als Anführer einer militärischen Einheit? Darüber würde nicht nur Phex lachen, da wäre ich ja bis an mein Lebensende das Gespött meiner Sippe, ah, meines ganzen Volkes.“
In der Disziplin Leichte Handwaffen durfte auch Ghor nach vorne treten, immerhin war er ja nur im Finale Hakim unterlegen gewesen. Die Belohnungen bestanden aus der Auszahlung einer gewissen Summe, einer kostbaren Waffe und der Weihe einer Handwaffe nach eigener Wahl im Rondra-Tempel. Zu meiner Überraschung wählte Hakim die Weihe und Ghor die Waffe. Wenn ich es nicht besser wüsste hätte ich gesagt dass er sich schon im Vorfeld über den Wert der Waffe informiert hatte und dieser die Zweihundert Dukaten, die ausgezahlt werden sollten überstieg. Aber das war eigentlich nicht möglich. Andererseits, es war Ghor. Auch Hakims plötzliche Hingabe an die streitende Göttin überraschte mich ein wenig. Andererseits, hatte er nicht die letzten sechs Tage unter ihrem Wachsamen Auge für eben ihre Ideale gestritten? Ja, manche Erlebnisse konnten eine prägen.
Bei den Wurfwaffen ging der erste Preis an einen Ludovig aus Hügelwacht, der sich mit dem Hinweis „Da weiß ich wenigstens was ich in der Hand habe und Magie ist nicht so meins.“ Für die ausgezahlte Summe von Einhundert Dukaten entschied, während Hakim sich für einen großen Vorahnungstrank, der den Geist dauerhaft schärfen sollte entschied und damit dem Dritten immerhin noch einen verzauberten Griffwickel für eine Wurfwaffe überließ. Eigentlich schade, diesen Griffwickel hätte ich schon gerne etwas genauer untersucht.
Bei den Schusswaffen war Hakim nur Vierter geworden, aber da der Schwarze Ritter immer noch nicht erschienen war, war er inzwischen von der offiziellen Liste gestrichen worden und so bekam Hakim, der nun als Drittplatzierter gehandelt wurde, eine niemals reißende Bogensehne, nachdem sich die beiden Besserplatzierten für einen echten Abendwind-Kurzbogen und eine Sammlung aus Elementarpfeilen entschieden hatten. Ich war mir nicht sicher und in solchen Sachen auch nicht sonderlich bewandert, aber ich hatte den Eindruck das Hakim mit dieser überraschenden Belohnung äußert Zufrieden war.
In der Disziplin Schwere Handwaffen durfte Hakim als Sieger wieder als erstes wählen und entschied sich, inzwischen war ich nicht mehr ganz so überrascht, wieder einmal nicht für die auszuzahlenden Zweihundert Dukaten und auch nicht für den geschmückten Zweihänder, wobei das weniger verwunderlich war, waren solche großen, schweren Waffen ebenso wie schwere Rüstungen ja nun eigentlich wirklich nicht Hakims Art, sondern er entschied sich erneut für die Kirche der Rondra, welche eine beliebige Rüstung im Schwertfeuer des Tempels zu Gareth Weihen wollte.
Im Wagenrennen trat ein sichtlicher Stolzer Graf Paligan nach vorne, der nun in der Rangliste sogar auf den ersten Platz gestiegen war, sich als solcher für die Zweihundertfünfzig Dukaten Auszahlung entschied und sogleich verkündete, dass er diese dem Traviatempel der Stadt für die Speisung der Armen stiften wolle, was anerkennende Bekundungen auslöste. Hakim entschied sich für Sechzehn goldene Aves-Eisen, was mich weniger verwunderte als die Hingabe zu Rondra, immerhin war Aves ja auch der Patron der Reisenden und auf welches Volk würde das besser zutreffen als auf die Zahori? Ludalf von Wertlingen, dem nun Dritten des Wagenrennens blieb immer noch eine stattliche Kaiser-Sextiga mit Goldbeschlägen.
Bei den Preisen des Buhurt verzichtete Hakim fast schon Erwartungsgemäß auf die Auszahlung von Zweihundert Dukaten und auch das geschulte Schlachtross wollte er anderen überlassen, war er mit seinem treuen Tier doch mehr als zufrieden und wollte es daher auch gar nicht eintauschen. Stattdessen wählte er eine magische Waffenscheide, aus welcher die Waffe immer blitzblank und glänzend gezogen werden konnte. Na also, doch noch ein Preis für mich. Bezüglich der Tatsache dass Hakim mir erlauben würde diese Waffenscheide zu analysieren machte ich mir nun absolut keine Sorgen.
Und dann kam der Große Moment in welchem Hakim unter frenetischem Jubel der Gäste, die meisten waren gar von ihrem Platz aufgesprungen, zum Großsieger des Turniers erklärt wurde und als solcher einen Großen Heiltrank erhielt, welcher zusätzlich zu seiner heilenden Wirkung die Lebenskraft eines Menschen beständig erhöhen sollte.
Immer noch von Beifall begleitet durfte Hakim nun wieder seine zur Schaustellung beenden, was ihn aber nicht sonderlich gestört hatte, so wie er aussah, und zu uns an den Tisch zurückkehren. Nun war uns eine kurze Zeit der eigenen Unterhaltung und dem Trank gegönnt, welche ich auch sogleich nutzte um mich zu entschuldigen, was tatsächlich auch nötig war. Unglücklicherweise war der Weg zu den Aborten, die ich eigentlich aufsuchen wollte versperrt und die freigegeben lagen in völlig falscher Richtung. Aber schon auf dem Weg dorthin sah ich überall die aufgestellten Palastgardisten, welche wohl verhindert sollten, dass jemand wie ich den Plan andere Teile der Neuen Residenz aufzusuchen, egal aus welchen Gründen, umsetzte. Also fügte ich mich, mit der Aussicht auf kommende Tage, meinem Schicksal und begab mich wieder zurück in den Großen Saal.
Erneut sorgte der Hofmarschall für Ruhe im Saal, kaum dass ich wieder Platz genommen hatte, fast hatte ich den Eindruck dass er nur auf mich gewartet hat, um direkt im Anschluss mich und meine Freunde sowie ein halbes Dutzend weiterer Namen vorzulesen, welche nach vorne treten sollten um für unsere Taten für Reich und Kaiserhaus in den Kreis der Reichsritter aufgenommen zu werden. Ich und meine Freunde war diese Ehre ja schon zuteil geworden, aber die Reichsregentin hatte ja darauf bestanden, dass dieses Formell nochmals in offizieller und großer Runde wiederholt werden sollte. So knieten wir also ein weiteres mal in einer Reihe vor der Reichsregentin und diese schlug uns mit ihren eigenen Ritterschwert Callanhir zu Ehrenrittern des Reiches und des Hauses Gareth. Anschließend ließen wir uns von der Reichsregentin den wappenförmigen Reichsorden in Bronze an einem purpurnen Seidenband umhängen. Und da sollte noch jemand behaupten bei den Magiergilden sei alles formalisiert und hängt an Prozessionen und Abläufen. Soweit ich von den Tischgesprächen her erfahren hatte, es war ja bekannt gewesen, dass diese Ehrung heute stattfinden würde, war der Reichsorden am Purpurnen Bande eine dreiklassige Auszeichnung, die von Kaiser Reto anlässlich der Eroberung Maraskans gestiftet worden war. Sie wurde und wird für besondere Dienste an Reich und Kaiserhaus verliehen. In der Praxis ist wohl die erste Klasse beschränkt auf zehn Träger und die zweite Klasse, beschränkt auf etwas fünfundzwanzig Träger für hohe Höflinge, ausländische Adlige und wirklich außerordentliche Heroen reserviert, während die dritte Klasse, welche uns verliehen worden war, in etwa einhundert mal vergeben wurde und den Kreis wirklich treuer Kämpfer für den Greifenthron bezeichnete.
Mit einem feierlichen "Erhebt Euch, Ritter des Reiches!", beschloss die Reichsregentin die feierliche Zeremonie und wir durften und nach dem erheben dem Saal zudrehen und uns applaudieren lassen. Für einen kurzen Moment erinnerte ich mich an die Verleihung meines Gildensiegels zusammen mit dem Rohalsmal, nur dass ich dazu nur zusammen mit einer anderen Studiosa aus dem zweiten Lehrzweig der Akademie von ihrer Spektabilität ausgezeichnet worden war und es auch keinen solchen Applaus gegeben hatte. Eigentlich hatte es gar keinen Applaus gegeben und auch keine Gratulationen, was nicht daran lag, dass dies nicht üblich war, die Jahre zuvor waren die Träger dieser Auszeichnung ebenfalls beglückwünscht und gefeiert worden, ebenso wie eigentlich jede Verleihung des einfachen Gildensiegels an unsere Collega vor uns. Schon während der Verleihung der Preise des Turniers und dem dabei wohlgefälligen Kundtun der Zustimmung der Ehrbezeichnung der Anwesenden Gäste durch lauten, vernehmlichen Beifall war mir mit jedem Beifall ein Stich in die Brust gefahren. Bis zu diesem Moment hatte ich über die damalige Zeremonie nie so wirklich nachgedacht und dem ausbleibenden Beifall damals auch keine Bedeutung beigemessen. Aber hier wurde nicht nur Hakim zu seinem Gesamtsieg gratuliert, hier war jede sicherlich für sich genommen herausragende Leistung entsprechenden gewürdigt. Die Verleihung der Gildensiegel war der Abschluss einer, teils sogar über Zwölfjährigen Ausbildung, das Rohalsmal sogar das Zeichen für den Besten Absolventen des Ausbildungszweiges, und doch hatte man weder mir noch meiner Collega aus dem Beschwörungszweig damals applaudiert. Ich drängte diese Gedanken mit Willenskraft aus meinem Gedächtnis, jetzt war wirklich nicht der richtige Moment für solche Erinnerungen aber zum Glück führte uns der Hofmarschall kurz auf die Seite und erläuterte uns nochmals die Privilegien, welche mit diesem Ehrentitel einhergingen, was die Aufmerksamkeit meiner Freunde auf diesen lenkte und mir noch ein paar wertvolle Minuten schenkte meine Gefühle und damit bestimmt auch meine Mimik wieder in den Griff zu bekommen. Wir hatten nun das Recht auf die Anrede „Euer Wohlgeboren“, wie wir es ja schon erleben durften, das Recht des Waffentragens, auch einen Zweihänder, wobei ich mir der durchaus belustigten Blicke der anderen bewusst war, was aber viel praktischere Auswirkungen hatte, da Ghor und Hakim nun nicht mehr jedes mal beim Betreten einer Stadt ihre Waffen verstecken oder abgeben mussten. Wir hatten nun das Recht auf Satisfaktion, also die Bereinigung eines Angriffs auf unsere Ehre, üblicherweise durch einen Zweikampf, wieder bekam ich belustigte Blicke, vielleicht sollte ich mal eine Geschichte über Magierduelle, wie sie im tulamidischen Raum heute noch gang und gäbe waren um Unklarheiten und Streitereien zwischen Collega zu begleichen zum besten geben, sowie das Recht auf die Teilnahme an Adelsturnieren, wieder belustigte Blicke, die ich aber in diesem Fall eben einfach erdulden musste, sowie an Adelskonventen, wie etwa dem jährlichen Reichskongress. Zudem durften wir ab sofort in den mittelaventurischen, der Hofmarschall nannte sie die zivilisierten Länder, Reichen nur von Adligen verurteilt werden, nun lächelte ich die anderen an, aber irgendwie schien es keiner zu verstehen. Offensichtlich waren der Codex Albyricus und die Tatsache, dass anerkannte Gildenmagier nur von ihresgleichen gerichtet werden durften weniger bekannt als ich gedacht hatte. Zudem galten wir nun, so wir diesem oder einem höheren Stand nicht schon anhörten, als dem Niederadel angehörig und hatten damit auch das Recht auf ein Wappen, dass, in Abstimmung mit dem Wappenkönig Neuwreych in die offizielle Wappenrolle des Neuen Reiches aufgenommen werden sollte. Im Anschluss durften, wie schon bei der ersten Verleihung, die anderen sich wieder an ihre Plätze begeben, während mir als Magierin nochmals erläutert wurde, dass mir im Neuen Reich das Führen eines Landbesitzes als Adlige und damit dem Reich verpflichtete Person nicht gestattet war und ich, wenn ich auf welchem Wege auch immer zu dieser Ehre gelangen sollte, für diese Aufgabe einen Vogt zu bestimmen hätte, der diese Aufgaben an meiner Statt und in meinem Namen führen musste. Meines Wissens nach war die Magierkaiserin Hela-Horas vor über tausend Jahren, immerhin schrieben wir ja das Jahr 1027 nach Bosparans Fall, besiegt worden und noch immer fürchtete sich das Neue Reich vor jemandem mit Madas Kraft auf dem Thron. Man könnte fast den Eindruck haben dass die Einflüsse der Zwergenreiche in den Grenzen des Neuen Reiches größer waren als vermutet. Na zumindest galten seit Rohal keine solche drastischen Einschränkungen mehr gegenüber Magieanwendern wie zuvor oder gar bei den Priesterkaisern. Und da sollte noch jemand behaupten, Geographie- oder Geschichtsunterrichte wären langweilig oder uninteressant. Vielleicht sollte ich meine Freunde diesbezüglich demnächst abends nochmals ein wenig an meinem Wissen teilhaben lassen. Ich musste dem Hofmarschall nochmals auf die Zwölfe schwören, seine Ausführungen verstanden zu haben und diese zu achten, schriftlich hatte ich es schon bei der ersten Ernennung bestätigen müssen, dann konnte auch ich zurück zu meinen Freunden.
Geraume Zeit später sorgte der Hofmarschall erneut für Ruhe im Saal, durch welche das klirrende, metallische Geräusch umso deutlicher drang. Im Kettenhemd schritt Hochkönig Albrax Sohn des Agam gemeinsam mit Prinz Laurom, welcher ganz offensichtlich die verhüllte Lanze Finsterfang auf seinen Armen trug vor die kaiserliche Tafel.
"Eure Kaiserliche Hoheit!", rumpelt der Zwergenherrscher und stieß den nervösen Jungzwerg mit der verhüllten Lanze vor. "Das Volk der Angroschim vom Amboss möchte Euch ein Geschenk darbringen, das diesen Zeiten des Krieges gerecht wird. Der Enkel meines Bruders Arombolosch Sohn des Agam überreicht Euch eine Waffe, die das Ehrwürdige Väterchen daselbst in den vergangenen sieben Jahren an der Esse mit Angroschs Willen aus seinen Feuerträumen entstehen ließ. Einst erbat sie sich König Brin, doch er ist in den Hallen der Toten. Nun gehört diese Waffe Euch, der Angetrauten Brins."
Ein Raunen ging durch die Versammlung. Die Reichsregentin war sichtlich gerührt und fuhr mit der Hand zum Mund. Unter dem Seidentuch kam die fast 2 Schritt lange Lanze zum Vorschein, in deren Schwärze sich die Lichter des Saales spiegelten.
"Finsterfang, die Lanze wider Untotes Drachengezücht!", donnerte der Zwerg, und jeder wusste, wer mit Untotes Drachengezücht gemeint war.
"Von dieser Waffe träumte mir ...", flüsterte die Reichsregentin wie gebannt beim Anblick des schwarzen Stahls. Sie bedankte sich ungewöhnlich wortreich — auch im Namen des verstorbenen König Brins, bei dessen Nennung ihre Augen feucht glitzerten. Unter anderem erwähnte sie sinngemäß, dass dieses Geschenk schlicht unbezahlbar war.
„Na ja, unbezahlbar wahrscheinlich nicht. Ein paar tausend Dukaten vielleicht, aber unbezahlbar?“
„Also ich habe zumindest mal den Materialwert grob errechnet. Alleine das verarbeitete Endurium an der Spitze der Lanze dürfte in etwa Vierzigtausend Dukaten wert sein.“ Flüsterte ich als Antwort meinem Nebenmann zu, bevor ich realisierte, dass Ghor wieder neben mir saß. Zuletzt hatte ich ihn in Gesellschaft einiger mir unbekannter Damen gesehen und gar nicht realisiert, dass er wieder neben mir Platz genommen hatte. Bevor ich reagieren konnte geschah, was ich befürchtet hatte. Ghors Augen weiteten sich Schlagartig, er holte ein letztes mal schluckend Luft, bevor sein Blick zwischen mir und der Lanze hin und her glitt bevor er glasig wurde und sich Ghors Augen schlossen, während sein Körper kraftlos nach hinten fiel. Aber erfreulicherweise war seine Begleitung direkt hinter ihm gestanden und fing ihn auf, mir einen teils bösen, teils besorgen Blick zuwerfend. Ich konnte nur hilflos mit den Schultern zucken und versuchte vergeblich nicht rot zu werden, während ich glaubte, Tela leise kichern zu hören, aber das wollte ich nicht überprüfen sondern versicherte mich, dass die Damen hinter Ghor sich seiner gut annahmen. Ein schneller Blick zeigte mir, dass die wenigsten im Saal, eigentlich noch nicht mal alle in unserer direkten Umgebung etwas von dem Zwischenfall mitbekommen hatten, wofür ich den Zwölfen schnell und still dankte, hielt doch die Dankesrede der Reichsregentin immer noch alle im Saal in ihrem Griff.

Kurz darauf wurden wir durch den Hofmarschall auf den Balkon des Saales gebeten, wo die frische Luft sicherlich für den ein oder anderen Labsal, aber wohl auch für den ein oder anderen schon fast ein wenig schädlich war. Aber der eigentliche Grund für unseren Aufenthalt im Freien zeigte sich wenig später über dem weitläufigen Areal des Parks, welcher zur Neuen Residenz gehörte. Magister Stoerrebrandt hatte ein Feuerwerk bereitet, welches sich beständig neu zu übertreffen schien. Goldregen und Silberkaskaden sprühten am Boden, Knallfrösche hüpften umher und explodierten in der Luft und Raketen zauberten blaue, rote und goldene Sterne an den erfreulich klaren Nachthimmel, der dank Neumond auch nicht durch das Madamal durchbrochen wurde. Zum Abschluss, wenige Sekunden nachdem der letzte künstliche Stern erloschen und die ersten Hände zum Beifall ansetzten erstrahlte plötzlich der halbe Himmel bevor ein gewaltiges Donnern das Erscheinen eines leuchtenden Greifen am Himmel untermalte, welcher für ein etliche Sekunden am Himmel stand, wie wenn er da schon immer war und immer bleiben würde, bevor er sich verglühend hinabsenkte. Der aufkommende Beifall war diesem Gesamtwerk und wahrlich einem Meisterwerk der Alchemie mehr als gerecht und ich hoffte, auch wenn ich ihn nicht sah, dass Magister Stoerrebrandt nahe genug stand um nicht nur den Beifall sondern auch die überall erklingenden lobenden Worte zu vernehmen.

Das Feuerwerk stellte den offiziellen Höhepunkt und damit auch Abschluss der Feierlichkeiten dar. Natürlich wurde niemand des Saales verwiesen und die Lakaien und Diener trugen auch weiterhin Getränke und Speisen auf und füllten Pokale oder Krüge neu, aber von nun war es dem Protokoll nach gestattet, die Festlichkeit zu verlassen, ohne sich dazu offiziell beim Hofmarschall abmelden zu müssen. Ich für meinen Teil entschied für mich, dass ich bei nächster Gelegenheit, also wenn ich das nächste mal austreten müsste, dabei kurzfristig entscheiden würde ob es sich noch lohnte, in die Bibliothek zu gehen oder ob ich einfach die Zeit mit meiner Freundin, zumindest Tela saß noch ohne Begleitung mit mir am Tisch genießen sollte. Ghor wurde sorgenvoll von seinen Begleiterinnen umsorgt und auch Hakim konnte im Moment zwischen drei Frauen an seiner Seite und auf seinem Schoss wählen. Für einen kurzen Augenblick ließ ich meinen Blick auf Ghor ruhen, wie sein Blick beständig zwischen den Frauen an seiner Seite hin und her wechselte.
„Ich glaube, du solltest als erste mit mir kommen, du als nächste und du dann danach, und du solltest deine Freundin mitbringen.“ Ghor ließ seinen Blick und ein breites Lächeln jeweils kurz auf den Angesprochenen hängen und unterstrich seine Aussage mit einem Augenbrauenzucken, was diese Erwartungsgemäß mit eher ungehaltenem Blick quittierten. „Vierzigtausend. Vierzigtausend.“ Quälte Ghor da plötzlich wieder zwischen seinen Lippen hervor, während er plötzlich wieder anfing zu zittern und die Augen verdrehte. Ich ließ meinen sorgenvollen Blick, was bei Peraine war denn nun passiert, zwischen Ghor, Tela und Ghors Begleiterinnen hin und her gleiten, aber meine Sorge wurde nicht nur nicht geteilt sondern nicht nur von Tela sondern auch von Ghors Begleiterinnen mit einem leichten lachen quittiert. Wie konnte man lachen, wenn es jemanden offensichtlich schlecht ging? Bei Hesinde, vielleicht sollte ich doch gleich in die Bibliothek gehen.
Ich wollte mich gerade erheben, als ich eine Änderung im Raum bemerkte. Langsam erstarben Gespräche, als ein Geräusch immer lauter wurde: Metallische Schritte, die näher kamen. Ein eiskalter Luftzug fuhr durch den Raum und ließ Kerzen verlöschen, als der Schwarze Ritter den Bankettsaal betrat. In seiner Hand klirrten die Ketten einer Ochsenherde. Diese ließ er krachend auf einen Tisch niederfahren was diesen zerbersten, die Leute an ihm erschrocken aufschrecken und die auf diesem abgestellten Pokale und Becher wild polternd umeinander wirbeln ließ.
Tela stand, ebenso wie Hakim und Ghor schon auf den Beinen, die Männer jeweils eine Hand auf dem Knauf einer Waffe, Tela beide Hände lang an ihrem Rock. Für einen Moment war ich erfreut, dass es Ghor wieder besser ging, er zitterte auch nicht mehr, als ich Emers Stimme die Stille durchdringen hörte.
"Wünscht Ihr etwas zu sagen, Herr Ritter, so öffnet Euren Helm und sprecht. Wünscht Ihr dies nicht, so öffnet Euren Helm und esst."
Mit einem Klicken sprangen die Verschlüsse des schwarzen Topfhelms auf. Ein alter Mann mit weißem Haar und wallendem Kriegerbart blickte überlegen in die Runde.
„Fürst Udalbert von Wertlingen, der Reichserztruchsess des Feindes Galotta.“ Hörte ich ein grollendes Raunen durch den Raum ziehen.
Einige Ritter waren sogar mit der Waffe in der Hand aufgesprungen und zischten: "Verräter!"
"Ich habe eine Botschaft für Euch. Für Euch alle, versammelte Edle, Regentin Emer, Königin Rohaja", schnarrt die Stimme des alten Fürsten. Er setzte einen Korb ab und schob ihn mit den Füßen in Richtung der Kaisertafel. "Eine Botschaft Seiner Kaiserlichen Majestät Galotta von Transysilien: Eure Tausend Jahre sind vorbei, Garether! Meine Geduld ist vorbei! Ich, Galotta, Träger der siebenstrahligen Dämonenkrone und des Reichsschwertes Silpion, Beherrscher allen Geistes, fordere ein die Unterwerfung des falschen Greifenthrons zu Gareth, den Lehnseid seiner Adligen und die Auslieferung der Infantin Rohaja von Gareth. Ich erwarte Eure Antwort bis zum Vollmond. Jedes Zaudern wird Schmerz und jeder Zweifel Tod sein. Solltet Ihr Euch nicht meinem gerechten Willen beugen, wird Euch meine gerechte Strafe ereilen - aus allen Weiten, Höhen und Tiefen Deres. Im Namen des Herrn der Rache: Stirb, unvollkommenes Gareth! Erst unter dem Namen und Samen von Kholak- Kai, der Dritten Hauptstadt, der Kapitale der Horizonte, sollst du wieder auferstehen! Dies sind die Worte des Kaisers zu Yol-Ghurmak."
Ritter stellten sich dem weiterhin wie ein Monument stehendem Udalbert trotzig entgegen. Sie stießen Rufe der Entrüstung und Schmähungen wider das Dämonenkaiserreich hervor.
Die Stimme der Reichsregentin durchschnitt den Lärm: "Mit dieser Verkündung, Herr Udalbert, habt Ihr Euch selbst aus der Ritterschaft entlassen, in deren Namen Ihr am Turnier teilgenommen habt. Der Turnierfrieden gilt nicht mehr für Euch. Ihr seid nur noch Handlanger eines Feindes, mit dem wir im Krieg stehen. Marschall Ludalf, arretiert den einstigen Fürsten von Wertlingen!"
Bleich und bebend trat Ludalf an seinen Vater heran, der wie unbewegt auf seinen Sohn blickt. Zumindest entnahm ich das wieder den aufgeregt flüsternden Stimmen um mich herum, die sich leise fragten, was die Reichsregentin damit bezweckte, dass ausgerechnet der Sohn, auch wenn er vermutlich tatsächlich der höchste militärische Führer im Raum war, seinen eigenen Vater in Gewahrsam nehmen musste. Gardisten positionieren sich um die beiden herum.
"Unsere Antwort", fuhr Emer fort, "kann Euer Herr jedoch sogleich haben." Sie wendete sich an die Adligen des Saales: "Wer immer sich dem Dämonenkaiserreich unterwerfen möchte, soll die bloße Hand heben. Wer aber dem Feind die Stirn bieten will, hebe das scharfe Schwert."
Ein Wald von glänzenden Klingen schoss in die Höhe. Ich sah auch Ghor und Hakim ihre Schwerter nach oben reißen. Ghor hatte sich für die Neu erhaltene Edle Klinge, sein Preis für seinen zweiten Platz in der Disziplin Leichte Handwaffen entschieden. Ich verzichtete auf die gleiche Geste mit meinem Stab, erschien sie mir bei all diesen blitzenden Klingen doch ein wenig unangebracht.
Grimmig lächelnd verkündete Emer: "Sagt Eurem Meister, dass sich das Heilige Neue Reich vom Greifenthron zu Gareth geschlossen gegen den Frevler und seine Dämonen stellt. Wir werden uns niemals unterwerfen!"
„Niemals!“ Wurde der Ruf hundertfach zurückgeworfen.
Noch während der Schwarze Ritter von Marschall Ludalf aus dem Raum geführt wurde wandte sich die Reichsregentin an Graf Nemrod, bevor sie mit wehendem Mantel den Saal durch eine hinter der kaiserlichen Tafel befindlichen Türe verließ. Graf Nemrod folgte ihr jedoch nicht sondern kam zu uns an die Tafel, wo ihm Dutzende Augenpaare Erwartungsvoll entgegenblickten. Aber der Graf deutete nur auf Tela, Ghor, Hakim und mich und sprach uns dabei alle unvermittelt mit unseren Namen an, bevor er uns, vermutlich nicht nur zu meiner Überraschung, zu einer Unterredung bat. Ob die Blicke der anderen, nicht ausgewählten Ritter nun daran lagen, dass wir und nicht sie erwählt worden waren oder daran, dass der Graf uns tatsächlich gebeten hatte konnte ich nicht beurteilen, aber ich erkannte durchaus, das war wie in den Vorlesungen wenn der Dozent einen Studioso aussuchte der eine Frage beantworten sollte, Erleichterung in mehr als nur einem Gesicht und dabei hatte ich die Damen, welche bis zu Graf Nemrods Erscheinen wie ein Kleidungsstück an meinen Freunden gesessen waren noch gar nicht mitberücksichtigt.

Wir folgten den hinkenden Schritten des Reichsgroßgeheimrats und einigen anderen dunklen Umhangträgern mit schlanken Seitenwaffen, welche direkt hinter der Türe hinter der kaiserlichen Tafel auf uns gewartet zu haben schienen. Es ging durch lange Korridore und vertrackte Treppenfluchten in den Ostflügel des Palastes. Durch die großen Fenster sah ich die dunkle Neumondnacht. Durch eine rötliche Tür aus Blutulmenholz betraten wir ein holzgetäfeltes Kabinett. Kreisförmig standen um einen runden Tisch zwanzig mit rotem Samt bezogene Lehnstühle. Im Zentrum des Tisches ruhte auf einem Dreibein eine schwarze, mit einem Ring von Glyphen verzierte Kugel von Kindskopfgröße: ein Schwarzes Auge. Ich war im Ulmenkabinett, dem geheimen Konzilsraum des Ordens vom Schwarzen Auge zu Punin und hatte mir den Weg hierher nicht gemerkt. Bei Hesinde. Der Orden war ein magischer Bund, der seit Jahrhunderten die Kaiser des Neuen Reiches beriet und über ein bewegliches Schwarzes Auge aus Meteoreisen verfügte, das von den Urtulamiden stammende Auge des Morgens. Ich war so gefangen im Anblick des Schwarzen Auges, dass mich ein „Interessant, nicht?“ in einer mir bekannte Sprache erschrocken zusammenfahren und meinen Blick auf die anderen Anwesenden im Raum richten ließ. Ich hatte zwar zuvor schon Ghors leise Stimme vernommen, aber ihr keine Beachtung geschenkt. Ich hatte zwar noch aus dem Augenwinkel erkannt, dass manche Plätze schon besetzt waren, aber kaum war ich dem Schwarzen Auge gewahr worden hatte es mich in seinen Bann geschlagen. Ein wenig verlegen erkannte ich, dass sich die Anzahl der anwesenden Personen nochmals erhöht hatte. Außer mir und meinen Freunden und natürlich Graf Nemrod, der uns hergebracht hatte erkannte ich nun auch Magister Stoerrebrandt, der mich auch angesprochen hatte und ebenso wie Eure Magnifizienz ibn Jassafer, der direkt neben ihm saß wohl nur schwerlich ein Lachen unterdrücken konnte. Zudem erkannte ich nun auch drei mir unbekannte Männer in grauen Wämsern und dunklen Umhängen. Ich wollte mich gerade ebenfalls auf einen freien Stuhl setzen als sich plötzlich alle wieder erhoben. Auch ich drehte mich in Richtung Türe, wo fast wie erwartet gerade die Reichsregentin eintrat, welche wir alle mit einer Verbeugung begrüßten. Die Reichsregentin wirkte angespannt und war nun in ein praktisches Bauschgewand mit Brokatüberwurf gekleidet und trug das Reichssiegel mit sich. Als sie Platz genommen hatte deutete sie uns an, uns ebenfalls zu setzen, was nur Graf Nemrod ausschlug.
Graf Nemrod stellte uns Anwesenden nochmals jedem vor, wobei er die Reichsregentin verständlicherweise ausließ und bei allen anderen auf Titel und Ehrbezeichnung verzichtete, was aber niemanden zu stören schien. Die drei mir unbekannten Männer stellte er als Xordai, Breitschwert und Gulmond vor, aber da selbst die Reichsregentin diese offensichtlichen Falschen Namen nur stumm mit einem Nicken zu Kenntnis nahm ging wohl auch das in Ordnung. Mit einem letzten Nicken in Richtung der Reichsregentin nahm der Graf ebenfalls wieder Platz.
Nach einem kurzen Moment der Stille setzte die Reichsregentin an und äußerte direkt und unverfälscht, dass sie wissen wolle wie viel hinter der Drohung Galottas steckte und wie die Lage an der Grenze zu den Schwarzen Landen sei.
Erwartungsgemäß trugen nur Xordai, Breitschwert und Gulmond sowie der Graf Nemrod vor, wobei dieser mit am längsten referierte, auch wenn er zuvor schon Beobachtungen der anderen Drei häufig ergänzt hatte.
Offensichtlich sah es so aus, dass Galottas Truppen im Winter wenig aktiv gewesen waren. Bis auf Kämpfe um Ebelried hatte es in Tobrien keine größeren Attacken gegeben. Auch in der Warunkei schien es ruhig zu sein. Die Wachtruppen des Reiches standen wie eh und je an den Pässen bereit.
Jüngste Gerüchte über wandelnde Untoten-Heere hinter den Trollzacker Bergen konnte der Graf nicht bestätigen. Es gab diese Gerüchte, ja, aber es gab eben keine Bestätigung der selbigen.
In Yol-Ghurmak selbst hingegen schienen die Dämonenschmieden ununterbrochen zu arbeiten. Ihr Rauch zog gut sichtbar bis über die Schwarze Sichel.
Hier ergänzte überraschend seine Magnifizienz ibn Jassafer, dass Dschinne des Erzes vor Tagen einem fernen Donner im Stein gelauscht hätten. Die Dschinne hätten ihm erzählt, dass die Steine geschrien hätten und sie hatten dabei gen Firun-Rahja gewiesen, wo eben dieses Yol-Ghurmak im Ifriitenland lag.
Die beiden letzten verbliebenen Späher der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur hatten die letzten drei Monate über nichts mehr von sich hören lassen, daher gab es auch zu diesen Ereignissen keine Bestätigung. Hier musste Graf Nemrod ergänzen, dass der Korb, welcher der verstoßene Fürst Udalbert von Wertlingen der Reichsregentin zugeschoben hatte die Köpfe dieser Agenten enthalten hatte, womit deren Schicksal und die ausbleibenden Nachrichten geklärt worden waren.
Aus den Trollzacken wurde von organisierten Angriffen der Trollzacker Barbaren berichtet. In der Schwarzen Sichel hingegen sollten laut neueren Berichten aus Gallys ungewöhnlich häufig fliegende Greifen gesehen worden sein, die, so sagte man, die Gebirge gegen magische Flugwesen aus den Schwarzen Landen verteidigten.
Ich bemerkte, dass meine Gefährten das Wort ergreifen wollten und Graf Nemrod deutete ihnen an, zu sprechen. So erfuhr ich, die Drei ergänzten sich in ihren Ausführungen, von dem was der Greif im Tempel der Sonne noch von sich gegeben hatte. Dass der Greif ohne ersichtliche Einwirkung zusammengebrochen war und von uns in den Tempel der Sonne gebracht worden war wusste ich ja schon, aber natürlich erzählten sie es ebenso wie die Tatsache, dass der Greif wohl einen Freund in die Schwarze Sichel geschickt hatte um in seinem Namen nach dem Rechten zu sehen. Er hatte wohl etwas von schwindender Kraft erzählt. Von Schwärze, reiner Schwärze und von einer Grotte namens Keranvor. Er hatte von Federn die golden fallen, seinem Leib, etwas das er tun musste und davon dass bald alle verschwunden seien erzählt. Er hatte wohl auch von einem Kampf in den Wolken gesprochen, von Irrhalken und der Schwarzen Sichel und davon, dass sich Alveran uns allen Erbarmen solle. Und sie erzählten davon dass es den Anschein hatte dass sich der Körper des Greif langsam aufzulösen schien.
Auf die Erläuterung meiner Freunde hin herrschte für geraume Zeit stille Bestürzung im Raum.
„Der Greif ist eine moralische wie körperlich unangreifbare Galionsfigur des Reiches.“ Flüsterte die Reichsregentin leise vor sich hin. Ob es Absicht war das wir sie trotzdem alle hörten vermochte ich nicht zu beurteilen. „Wenn ihn etwas ins Delirium stürzen lassen kann sind gefährliche Kräfte am Werk.“
„Der Freund des Greif ist ein Ucuriat namens Holgrir und er sollte über Gallys in die Praioswärts gewandte Seite der Schwarzen Sichel reisen.“ Ergänzte Graf Nemrod. Ich konnte ein überraschtes Aufschauen nicht verhindern, aber ich war auch überrascht darüber, dass außer mir wohl nur noch meine Freunde überrascht waren und selbst bei denen war ich mir nicht sicher. Ganz offensichtlich wusste der Graf nicht nur über die Feinde des Reiches sondern auch über seine Diener gut Bescheid.
„Ob die ganzen Toten Vögel in der Stadt ebenfalls etwas damit zu tun haben?“ Tela ließ ihren Blick in Richtung der beiden Magier wandern, aber beide winkten nur fahrig ab und verwiesen, wenn auch für meine Begriffe eher unsicher und zögerlich auf niederhöllische Umtriebe, die sie aber nicht näher erläutern wollten.
„Sieh das Siegel. Es bricht, wenn die Federn golden fallen.“ Es dauerte ein paar Augenblicke bis mir klar war, dass mich alle anschauten und ebenso bis mir auch klar wurde das ich meine Gedanken, wenn hoffentlich auch nur leise vor mich hingemurmelt hatte. „Äh. Ein Teil des diesjährigen Jahresorakels, bevor es…“ Die Reichsregentin gab mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass ich nicht weiter erklären musste, was ich gemeint hatte. Worüber ich jedoch erstaunt war, war die anschließende Diskussion über meine Aussage. Sie wurde, entgegen meiner anfänglichen Erwartung nicht unter den Tisch fallen gelassen sondern von fast allen Anwesenden offen aufgenommen. Man gab offen zu, dass durchaus Ähnlichkeiten und Zeichen zu erkennen waren und war sich auch einig darüber, dass die gnädige Botschaft des Götterfürsten vor einer Katastrophe warnen wollte. Nun war also Handeln geboten, dass das Orakel ein Scheitern aller Bemühungen vorhersagte wurde aber von jedem von sich gewiesen, die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.
Emer erzählte, vielleicht durch die plötzliche positive Stimmung im Raum ermutigt, ohne jedoch auf Einzelheiten einzugehen davon, dass sie seit Monaten immer wieder von Alpträumen von Feuer, Knochen und missgestalteten Feinden geplagt wurde.
Auf Graf Nemrods Blick hin musste Magister Stoerrebrandt eine magische Beeinflussung ausschließen. Umfangreiche Untersuchungen in diese Richtung, tatsächlich auch während des Schlafes der Reichsregentin hatten keine Anzeichen in diese Richtung ergeben.
„Wir könnten doch das Auge befragen.“ Äußerte da Magnifizienz ibn Jassafer die Idee, die vermutlich nicht nur ich schon seit geraumer Zeit auf der Zunge hatte.
Dieser Idee musste Graf Nemrod jedoch eine Absage erteilen, da die Anwendung des Artefaktes nur um den Vollmond herum möglich war. Der Graf hob schnell eine Hand um jeglichen Einwänden zuvor zu kommen und erzählte langsam und ruhig davon, dass der Orden sehr wohl die gleiche Idee gehabt hatte und eben tatsächlich schon vor zwei Wochen seinen Blick über die Schwarzen Lande hatte streifen lassen wollen. Aber leider erwies sich zu diesem Zeitpunkt die Aufdeckung eines Verräters mittels des Auges als dringlicher. Damit blieben die Dämonenreiche zwar unbeobachtet, aber die Umstände hatten es notwendig gemacht und alleine die Stimme des Grafen ließ keinen Zweifel an dieser Aussage.
„Also haben wir folgendes.“ Reichsregentin Emer hatte sich erhoben und stützte sich mit ihren Händen auf der Tischoberfläche ab. „In den Schwarzen Landen brodelt etwas, das noch undeutlich ist. Galotta scheint also nicht mit hohler Hand zu drohen. Aber zumindest ist eine Verbindung mit Rhazzazor eher unwahrscheinlich. Die beiden Heptarchen haben erfreulicherweise für uns einfach zu unterschiedliche Ziele. Aber wir haben in der Schwarzen Sichel, der Grenze des Neuen Reiches zu den verfluchten Landen versteckte Aktivitäten, die den Boden in Aufruhr zu versetzen scheinen, die wachenden Greifen fliegen lassen und womöglich auch mit dem Kollaps unseres Herolds, dem Greif zusammenhängen, der delirierend eben von seinen Namensgebenden Praios-Boten und der Schwarzen Sichel sprach.“ Die Reichsregentin wischte sich mit einer Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht und atmete ein paarmal tief ein und aus, während ihr Blick auf die Tischfläche vor ihr gerichtet war. Niemand wagte es auch nur lauter zu atmen als er unbedingt musste. Selbst Graf Nemrod verhielt sich vorsichtig und still. Als die Reichsregentin ihren Blick wieder hob hatte sie den gleichen Glanz in den Augen den ich darin auf Burg Aulebein gesehen hatte. „Graf Nemrod, schickt Boten und Späher zur Trollpforte und zum Arvepass und lasst die örtlichen Kommandanten darüber unterrichten, dass sich etwas anbahnt. Die Details dieser Nachricht überlasse ich euch. Nach Wehrheim schicken wir zu Reichserzmarschall Leomar vom Berg die Nachricht, das Heerbanner bereitzuhalten.“
Der Graf nickte bei jeder Anordnung stumm. Als die Reichsregentin fertig zu sein schien wandte er sich an die drei Männer an seiner Seite. „Die nördlichen Pässe der Schwarzen Sichel. Der Sichelstieg bei Salthel und die Golderhelds Stiege in Südweiden.“ Mehr sagte er nicht und das nicken der Drei als Antwort fiel mindestens genauso knapp aus, bevor sie sich erhoben, sich vor der Reichsregentin nochmals verbeugten und dann den Raum stumm verließen.
Der Blick der Reichsregentin, die nun einen Finger versonnen an die Lippe gelegt hatte, wandte sich von der Türe weg zu uns. „Euch, meine guten Ritterinnen und Ritter des Reiches, bitten Wir darum, die Spur des Ucuriaten Holgrir aufzunehmen und in Gallys und der südlichen Schwarzen Sichel zu forschen, was dort auf den Graten und Gipfeln unter den Wolken vorgeht. Was dem Greif solche Pein bereitet und was die geflügelten Boten des Praios scheut. Wir müssen die Hintergründe unserer Feinde aufdecken, ehe sie uns überraschen. Wir hoffen, in zwei Wochen wieder von Euch zu hören.“
Ich für meinen Teil gab meine Zustimmung mit einer tiefen Verbeugung, unmittelbar nachdem ich aufgesprungen war, was aber mehr aus Reflex den aus klarer Überlegung herrührte. Einem klaren Auftrag der Reichsregentin widersprach man nicht, vor allem nicht als Dienerin des Reiches. Aber schon während mein Blick auf die Tischplatte vor mir fiel wurde mir klar, dass plötzlich gar nichts mehr so war, wie ich bis vor weniger als einer Stunde noch gedacht hatte. Zumindest sah ich aus dem Augenwinkel, dass sich meine Freunde ebenfalls erhoben hatten.
Ob es daran lag das wir eh gerade standen oder sie wirklich nur auf unsere Zustimmung gewartet hatte, die Reichsregentin löste sich von ihrem Platz und verließ, gefolgt von den beiden Magiern, das Kabinett und ließ uns mit Graf Nemrod alleine zurück.
„Der gesuchte Ucuriat Holgrir von Sighelmsstein ist Mitte Vierzig, klein und schlank, hat eine blonde Mähne und reitet einen reinweißen Warunker. Als Ucuriat trägt er deren Tracht, bestehend aus einem archaischem Harnisch, Flügelhelm und Beinschienen, allesamt vergoldet, darüber eine weiße Robe mit purpurnem Saum und dazu ein falkenköpfiger Heroldsstab. Es sollte also ein leichtes sein, seiner Spur durch bewohntes und zivilisiertes Gebiet zu folgen, da ein Ucuriat als Diener Praios sich nicht verkleidet oder versteckt und ein Angriff auf seine Person einem Angriff auf die Praioskirche und dem Neuen Reich gleich kommt, also sollten sich die Leute die ihn gesehen haben sicherlich auch noch an ihn erinnern, so viele Ucuriaten oder sonstige Praiosgeweihte ziehen momentan nicht durch diese Gegend.“ Der Graf hatte noch nicht einmal gewartet bis die Türe geschlossen war sondern nur bis die Reichsregentin außer Sicht war. Einer der Dunklen Umhänge, welche uns hierher begleitet hatten warf einen Blick in den Raum und der Graf gab ihm ein Zeichen, woraufhin der Mann verschwand, die Türe aber offen ließ. Offensichtlich war das was nun folgte nicht mehr ganz so geheim wie bisher. „Die Schwarze Sichel ist ein Gebirge von etwas dreihundertfünfzig Meilen Länge und bis zu zweitausendsechshundert Schritt Höhe. Berühmte Berge sind im Südteil der Mistelspitz, die Rachtelkuppe und der Gehörnte Kaiser. Seit gut sieben Jahren verläuft nun schon auf den höchsten Graten der Sichel die unwegsame Grenze zwischen Transysilien und dem Neuen Reich. Die südlichen Teile des Gebirges gehören größtenteils zur Grafschaft Ochsenwasser unter Graf Barnhelm von Rabenmund, teilweise aber auch zur Grafschaft Wehrheim, also meiner Grafschaft. Hier liegen ein knappes Dutzend abgelegener Baronien, wie Mistelhausen, Wolkenried, Echsmoos und Oppstein. Seit dem Frühling 1022 nach Bosparans Fall horsten mindestens acht Greifen auf den höchsten Bergen der Schwarzen Sichel und den Trollzacken. Seitdem unterbinden sie dort Flüge von dämonischen Wesenheiten, aber auch von magischen Luftkreaturen. Sie scheinen die Wacht des Götterfürsten selbst zu sein. Die Ortschaft Gallys liegt an Reichsstraße II auf halbem Weg zwischen Wehrheim und der Trollpforte. Die Strecke von zweihundertfünfzig Meilen bis dorthin sollte im Eilritt zu Pferde in drei oder vier Tagen zu schaffen sein.“ Der Graf ließ seinen Blick wieder zur Türe gleiten, wo wieder der dunkle Umhang stand und stumm nickte. „Dann wollen wir mal.“ Der Graf erhob sich und deutete uns an, es ihm gleich zu tun.
Wir gingen aber nur ein paar Schritte weiter und betraten eine kleine Kapelle, in welcher schon ein Praiosgeweihter auf uns wartete. Der Graf stellte ihn als Arrius von Wulfen vor, dem Praiosgeweihten der Kaiserfamilie, bevor er uns bat uns zu entkleiden. Während ich noch einen Platz suchte, an dem ich meinen Stab anlehnen konnte sah ich, dass meine Freunde sich noch gar nicht gerührt hatten.
„Nur eine Formalität. Euer Gnaden untersucht euch auf Dämonenmale, also nichts, wovor ihr euch zu fürchten hättet, oder? Hier geht es um nicht weniger als das Wohl des Reiches, da können wir uns keine noch so kleine Nachlässigkeit erlauben. Wir können natürlich die Betrachtung auch alleine durchführen, wenn ihr euch voreinander schämt, obwohl ich anmerken darf, dass weder Travia- noch Rahjageweihte anwesend sind und wir eigentlich auch kaum noch Zeit haben.“
Der Graf meinte seine Äußerung wohl ernst, woran ich keine Sekunde gezweifelt hatte, zudem stellte man die Befehle eines Vorgesetzten, immerhin war der Graf als Großgeheimrat auch der legitime Führer der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur nicht in Frage. Außerdem, wie der Graf schon festgestellt hatte, hatte ich nichts zu verbergen und es gab nichts, was meine Freunde an mir nicht schon gesehen hätten, daher hatte ich mich auch während seiner Worte weiter entkleidet. Tela war da wohl anderer Meinung, denn sie packte sowohl Ghor als auch Hakim an jeweils einem Ohr, was beide ein wenig in Not brachte, da beide sich plötzlich sehr darum bemühten dem Befehl des Grafen möglichst schnell nachzukommen. Für einen Moment glaubte ich auf dem Gesicht des Grafen einen Hauch eines lächeln gesehen zu haben, aber es war so schnell wieder weg dass ich mir in dieser Hinsicht nicht gänzlich sicher war. Als ich mich gänzlich entkleidet hatte und vor dem Praiosgeweihten stand konnte ich nicht verhindern dass ich ein wenig rot wurde, was nicht an Scham lag, sondern daran, dass ich ein wenig fürchtete, dass meine ganzen Narben einen falschen Eindruck machen könnten.
Aber erfreulicherweise war dem wohl nicht so und dass das „Sie ist gänzlich ohne Makel, soweit dies eine Trägerin von Madas Fluch sein kann.“ des Praiosgeweihten klang so gut wie es sich anfühlte.
Graf Nemrod wartete gerade noch so lange bis ich zumindest meinen Lendenschurz umgebunden hatte, bevor er nach den nächsten rief. Wieder war da dieses kurze lächeln, als Ghor und Hakim kurz im Türrahmen hängen blieben, als sie beide versuchten gleichzeitig in den Raum zu kommen, aber ich sah ihren Gesichtern und ihrem sich gegenseitigen in die Seite knuffen an, dass sie diese kleine Einlage vermutlich vorher abgesprochen hatten. Ob sie es absichtlich für den Grafen gemacht hatten? Bei Männern und ihren Ideen konnte man nie wissen.

Verständlicherweise wollte sich der Schlaf nicht so einstellen wie ich mir das gehofft hatte.
Da waren sie also hingegangen, meine Pläne für die nächsten Tage.
Keine Ausgiebigen Besuche der Bibliotheken, egal ob in der Neuen Residenz, der Akademien oder dem Hesindetempel. Also auch keine Recherchen über Kholak-Kai.
Kein Besuch eines Rahjatempel zusammen mit Ghor.
Keine anregenden Gespräche mit den klügsten Köpfen der Magierschaft, welche im Vorfeld des Allaventurischen Konvent schon in die Stadt gekommen waren. Na gut, dieser Punkt war nicht ganz so schlimm, immerhin würde sich dazu sicherlich auch während und nach dem Konvent noch die ein oder andere Möglichkeit auftun.
Statt dessen sollten wir morgen in aller Frühe in Richtung der Schwarzen Sichel aufbrechen um zu ergründen was den Zustand des Greif hervorgerufen hatte, wenn dessen Bote, dieser Ucuriat Holgrir dies nicht schon geschafft hatte, hatte dieser doch einen gewissen Vorsprung. Zumindest die Vorbereitungen für die Reise waren schon abgeschlossen. Graf Nemrod hatte noch am gestrigen Abend dafür gesorgt dass wir noch in der Neuen Residenz und der Kaiserlich und Königlichen Central-Registratur der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur mit allem ausgerüstet wurden, was wir benötigen würden. Zudem befand sich nun in einem feinen Hirschlederumschlag ein gesiegeltes Wachspapier, welches uns namentlich als Gesandte und unmittelbar Ergebene der Kaiserkrone auswies, denen allerorten auf Reichsboden Zugang und Passage zu gewähren war. Vor loyalen Offizieren, Adligen und anderen Agenten der Kaiserlich Garethischen Informationsagentur sollte dieses Schreiben auf alle Fälle Wirkung zeigen. Es entsprach wohl der vorübergehenden, weil auftragsgebundenen Erhebung zum Gaugrafen oder Inquisitor. Vor allem bei letzterem hatte ich schwer mit einem Lachen kämpfen müssen, ebenso damit, dass ich dabei nicht direkt zu Tela geschaut hatte. Bevor ich meine Selbstbeherrschung verlieren konnte hatte ich mich dann verabschiedet. Ich hatte noch mitbekommen dass Tela und Ghor eine Gespräch über die Möglichkeiten dieser Legitimation und deren Verbleib führten während Hakim mich begleitete, wobei er mir vor unserem Haus eingestand, dass er noch in den Rondratempel gehen wollte. Er schien mein überraschtes Gesicht trotz der schlechten Lichtverhältnisse auf den Straßen erkannt zu haben und hatte lachend erklärt, dass er natürlich sehr wohl der göttlichen Leuin nochmals für den Turniersieg danken wollte, aber dass es ihm, so ehrlich musste er sein, in erster Linie darum ging, dass seine Errungenen Preise verliehen wurden. Eine geweihte Waffe und eine geweihte Rüstung, nun wo wir uns direkt in das Grenzland zu den Schwarzen Landen begeben wollten, war ein Zeichen das er nicht übersehen wollte. Tsa hatte seiner Seele schließlich nicht diesen Leib geschenkt damit er diese ihrem Bruder Boron voreilig zurückgab, nur weil er die anderen Geschwister und deren Gaben nicht achtete. Für einen kurzen Moment war ich verblüfft gewesen, solch Göttergefälligen Worte hatte ich noch nie so bewusst aus dem Mund des Zahori vernommen, aber weitere Erklärungen folgten nicht und da ich Hakim auch noch ein paar Stunden Schlaf gönnte hatte ich auch nicht weiter gedrängt und ihn ziehen lassen. Aber auch dieses Gespräch hatte mich beschäftigt und tat es immer noch. Ein knarren ließ mich kurz in Richtung Türe schauen. Konnte es sein dass die anderen auch nach Hause gekommen waren? Aber selbst wenn, was dann? Aufstehen und ihnen sagen dass ich nicht schlafen konnte? Das ich mir Gedanken über alles Mögliche machte?
Nein. Sie würden sich Sorgen machen, vermutete ich. Sie würden sich wahrscheinlich fragen, was mich bedrückte, wobei es da ja eigentlich nichts gab. Ich hatte wenig Sorge über das was kommen würde. Ich war zusammen mit meinen Freunden unterwegs einen Mann zu suchen, der auffiel wie eine Tsageweihte im Borontempel zu Punin, ausgestattet mit der Legimitation diese Suche gegebenenfalls durch örtliche Kräfte unterstützen zu lassen. Da dieser Ucuriat kraft seines Amtes selbst über weitreichende Befugnisse verfügte würde er vermutlich das Problem, welches den Greif plagte schon selber gelöst haben, immerhin schien es kein magisches Phänomen zu sein, zumindest konnte ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen, wenn ich daran dachte, wie der Körper des Greif unter meinem Odem ausgesehen hatte. Also würde es vermutlich darauf hinauslaufen, dass wir dem Ucuriaten nicht hinterher sondern ihm zum Schluss hin eher entgegen kamen um dann gemeinsam wieder zurück nach Gareth zu reisen. Oder aber Phex würde sich einen kleinen Streich erlauben und während wir auf dem einen Weg dem Ucuriaten hinterherreisten würde dieser gerade, vermutlich nur wenige Meilen entfernt, auf einem anderen Weg gerade zurückreisen, aber dann wären wir im schlimmsten Fall eben ein paar Tage länger unterwegs. Also eigentlich mit das, was ich eigentlich auch angedacht hatte, wenn auch nicht so schnell und so lange.
Nein, über das was vor uns lag machte ich mir keine Gedanken, zumindest nicht sonderlich viele. Viel mehr dachte ich wirklich an das, was ich nun auf unbestimmte Zeit verschieben musste und wie sich das aufeinander auswirken müsste. Die Tatsache, dass ja auch noch der Allaventurische Konvent anstand, bei welchem ich sicherlich auch die ganze Zeit gebunden war, wobei diese Zeit mit Sicherheit nicht verschwendet sondern in höchstem Maße Sinnvoll eingesetzt war, was aber trotzdem alle anderen Pläne verschob, war ein Punkt, der Berücksichtigt werden wollte. Dadurch wurden ja schließlich auch alle anderen Pläne eben zeitlich wieder nach hinten verschoben, was dem Kaiserhaus oder Kaiserlich Garethischen Informationsagentur wieder mehr Zeit ließ sich neue Aufträge für uns einfallen zu lassen. Plötzlich war ich gar nicht mehr so glücklich darüber das Graf Nemrod mir die Tage offenbart hatte, dass ich künftig nicht mehr der Akademie zu Punin Gefolgschaft schuldete, dass hatte er geklärt, sondern eben dem Neuen Reich und Kaiserlich Garethischen Informationsagentur. Aber wer hätte schon gedacht dass das Leben als Dienerin des Reiches so unstrukturiert und spontanen Änderungen unterworfen war. Das hatte sich die letzten Monate ganz anders dargestellt gehabt.
Andererseits, wenn ich es mir recht überlegte. Das was vor uns lag war ungefähr das gleiche, wie ich es die letzten beiden Jahre unter der Führung der Akademie erlebt hatte. Dort hatte ich von Zeiten meiner Ausbildung her auch einen klar strukturierten Ablauf in geordneten Bahnen in Erinnerung gehabt nur um dann völlig unerwartet und unvorhersehbar von einem Ort zum nächsten geschickt zu werden, von einem Auftrag zum nächsten hatte reisen müssen und von einem Abenteuer ins nächste geraten war. Eigentlich war es dann doch wieder so, wie es vor unserer Zeit hier in Gareth gewesen war. Die Überlegungen führten von A über B nach C nur um uns mitten drin über K und L zu T zu führen.
Na hoffentlich würde es diesmal nicht ganz so schlimm werden, immerhin hatte ich doch noch einiges hier in Gareth zu erledigen, inklusive dem Allaventurischen Konvent.
Sicherheitshalber bat ich alle Zwölfe nochmals gemeinsam darum, mich sicher und rechtzeitig vor Ende Peraine wieder zurück nach Gareth zu bringen. Ich spürte meine Augen schwer werden und mit einem seligen lächeln schloss ich sie, in der Gewissheit, dass die Götter wohl meine Bitte erhört hatten.
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