Das Schwarze Auge
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
StartseiteNeueste BilderAnmeldenLogin

 

 __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler

Nach unten 
2 verfasser
AutorNachricht
Tela Reisigritt
Erzmagus
Tela Reisigritt


Anzahl der Beiträge : 456
Anmeldedatum : 03.10.12
Alter : 45
Ort : Nordaventurien

__Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler Empty
BeitragThema: __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler   __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler EmptySo Sep 28, 2014 10:20 pm

Erinnerst du dich noch an das letzte Winterfest, als der See zugefroren war? Genau, der sonnige Tag, der trotzdem so kalt war, dass das Eis nicht getaut ist. So kalt war es, als wir auf dem Schiff in den Norden waren. Für Onkel Ghor war das schon fast zuviel - aber nur fast, er hält noch einen guten Teil mehr aus, wie wir später erfahren konnten. Doch so eine Kälte hatte er wohl noch nie in seinem Leben gespürt. Auf dem Schiff konnte man ja nicht einfach Feuer machen, so dass sich Ghor fast nie aus seinem Schlafsack getraut hat. Irgendwann hat der Koch ihm dann einen der Ballaststeine aus dem Kiel im Ofen warm gemacht und ihm, dick in Lumpen gewickelt, mit ins Bett gegeben. Dann hatte das Zähneklappern tatsächlich mal für ein paar Stunden Pause.

Schlimmer dran als Ghor war Lynia. Ich wusste von Hanni, dass es diese „Seekrankheit“ gab – ja, das ist keine richtige Krankheit, aber der Körper will nicht akzeptieren, dass nun alles schaukelt, so dass er sich gegen alles Gute wehrt, was man ihm tun will – aber Hanni hatte auch gesagt, dass das nach ein paar Tagen verschwindet. Bei Lynia war es leider nicht so. Vielleicht lag es daran, dass sich ihr Körper schon auf dem Land unwohl fühlte, so dass die See ungleich schlimmer war. Ich hatte zum Glück ein paar Kräuter dabei, die ihr die Magenkrämpfe linderten und ihr nachts ein paar Stunden Schlaf ermöglichten.

Wenn ich mich also nicht um einen der beiden kümmern musste, hatte ich viel Zeit mit Hakim an Deck. Und da der Zahori es genau wie ich gewohnt war, nicht einfach die anderen alle Arbeit machen zu lassen, waren wir bald ein Teil der Mannschaft. Hakim war schon damals einer der geschicktesten Menschen, die ich kannte, und als wir erstmal heraushatten, wie man die Segel setzt und refft, lieferten wir uns regelrechte Wettrennen durch die Wanten. Mit den besten Seeleuten konnten wir zwar am Anfang noch nicht mithalten, aber am Ende waren wir mindestens genauso schnell.

Aber die besten Seeleute auf einen Handelskahn sind nichts gegenüber den schlechtesten Seeleuten der Thorwaler. Hast du schon Geschichten von den Thorwalern gehört? Klar, hast du. Ghor und Hakim sind ja beide fast einen Kopf größer als ich. Aber damit sind sie gerade mal so groß wie die kleinsten Thorwaler Frauen. Und auch gerade mal so breit in den Schultern. Na ja, vielleicht sind sie beide heute, nach einem langen Abenteurerleben, schon etwas muskulöser als damals, aber unter Thorwaler Männern würden sie immer noch als Henflinge gelten.

Wie wir sie kennengelernt hatten, die Thorwaler? Nun, wir haben sie besucht. Unser Schiff hat uns vor dem Dorf … abgesetzt. Thorwal ist nicht nur die Stadt mit dem Namen, sondern unzählige Dörfer entlang der Nordküste, mit Menschen, die schon von Kindesbeinen an zur See fahren. Zuerst hatte ich ein wenig Angst, als wir uns ihnen näherten, denn sie hatten uns schon von Ferne gesehen und im seichten Kiesstrand bis zu den Knien im Wasser stehend erwartet. In ihren Händen trugen sie verschiedene Formen von Äxten. Einige ähneln denen der Zwerge, wie wir sie hier im Kosch kennen, andere eher denen der Holzfäller, nur dass die Thorwaler so kräftig sind, dass sie sie mit einer Hand führen können. Vielleicht liegt es an der Sonne, die im Norden nie so hoch steht und so stark schein wie im Süden – aber alle Thorwaler lieben kräftige Farben und Kontraste in ihrer Kleidung. Streifenhosen, bunte Tücher… und auch ihre Segel sind von weit her zu erkennen.

Am Anfang waren sie noch etwas misstrauisch, doch wir waren wohl so wenige, so klein und, zumindest war Lynia und Ghor angeht, in einem so schlechten Zustand, dass sie uns nicht als Bedrohung wahrgenommen haben. Aber wenn du in einem kleinen Dorf an der Küste lebst, siegt bald die Neugier, und es dauerte nicht lange, da waren wir von Kindern, Frauen und Männern umringt. Ich staunte nicht schlecht, als sowohl Lynia als auch Ghor plötzlich in ihrer Landessprache mit ihnen sprachen. Und die Thorwaler staunten auch nicht schlecht!

Am ersten Abend war dann das Eis gebrochen. In ihrer Halle haben sie ein großes Mahl veranstaltet, mit viel Bier und Schnaps – du weißt, wie schlecht ich Alkohol vertrage, und wieviel schlechter Lynia. Für uns Frauen war der erste Abend schrecklich, doch für Ghor mussten die Wärme und ein dankbares Publikum wie das Paradies vorgekommen sein. Zumindest so lange, bis der Swafnirgeweihte die Halle betrat.

Heute kann ich darüber lachen, aber damals habe ich geschäumt vor Wut! Als der Alte die Halle betrat, hatte aller Spaß sofort ein Ende. Oh, als ob der Winter sich über die Tische und Bänke gelegt hätte, so blitzten die kalten Augen des Geweihten in die Runde. Mann, Frau, selbst der Hetmann, alle verstummten sofort. Und obwohl ich nicht verstanden habe, worum es genau ging, war es wohl klar, dass wir der Grund waren. Ich war drauf und dran, dem alten Mann einen Fluch an den Hals zu hängen – es wäre wohl der letzte Fehler meines Lebens gewesen, hätte ich es gewagt – denn ich konnte nicht verstehen, wofür man den Frieden und Frohsinn dieses Abends infrage stellen musste.

Rückblickend komme ich mir wirklich dumm vor, und ich bin froh, dass der Geweihte diese Stärke bewiesen hat, obwohl im Gesicht einiger Thorwaler klar zu lesen stand, dass sie jeden anderen, der eine solche Störung gewagt hätte, Kopf voran in die Pferdetränke gesteckt hätten. Der Abend war vorbei, und bis auf meinen Magen und Lynia war wohl niemand damit glücklich.

Meine Wut auf den Geweihten war auch am nächsten Tag noch nicht verraucht, und wurde von Neuem entfacht, als klar wurde, dass wir irgendwelche lebensgefährlichen Prüfungen machen mussten, um uns einem Gottesurteil zu unterziehen. Entsprechend böse funkelte ich ihn an, als er mir bedeutete, auf die hohe Klippe zu steigen und mich in die schäumende See zu stürzen. Aber den Triumph, Angst oder Zögern in meinem Blick zu sehen, wollte ich ihm auch nicht gönnen. In Thorwal wird in solchen Dingen kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. Entweder man hat Mut, oder man ist ein Feigling vor Swafnir – die wohl schlimmste Schmach, die man sich vorstellen kann.

Es waren sicher 20-30 Schritt, die es in die Tiefe ging, höher als die höchsten Wipfel der Bäume hier im Kosch. Na ja, vor der Höhe hatte ich ja noch nie Angst, aber der freie Fall ohne Hand am fliegenden Stecken ist eine andere Sache. Ich bin trotzdem ohne zu zögern gesprungen, mit Anlauf, aber mit den Füßen zuerst. Inzwischen kann ich einigermaßen schwimmen, aber dort reichte es gerade so, wieder an die Wasseroberfläche zu kommen. Ich muss schief aufgekommen sein oder an einen Felsen unter Wasser geraten, denn ein scharfer Schmerz durchzog meine rechte Seite. Kräftige Hände packten mich und zogen mich an Land, wo die Meute applaudierte. Stolz, wie ich in diesem Moment war, vergaß ich sogar, dem Geweihten einen finsteren Blick zuzuwerfen – und in diesem Moment sah ich ihn das erste Mal lächeln.

Ghor hat seinen Schwimm- und Tauchgang ebenfalls nicht ohne Schwierigkeiten, aber mit viel Mut bewältigt, und dass Hakim, der spätere Sieger des Kaiserturniers, so viel Mühe gegen eine Thorwalerin im Ringkampf haben würde, dass es nur zu einem Unentschieden reichen sollte, hat bislang noch keinen Eingang in die Heldengeschichten gefunden, die man sich heutzutage gerne über ihn erzählt. Aus diesem Dorf, von diesem Tag, stammt übrigens die berühmte Tätowierung an seinem linken Oberschenkel - die erste, und wie ich finde, immer noch die schönste.

Das Fest wurde dann nachgeholt, und am zweiten Abend waren wir nicht nur Anlass, sondern Grund und Mittelpunkt des Trinkgelages, und konnten die wahre Gastfreundschaft der Thorwaler kennenlernen, der wir auf unserer weiteren Reise wahrscheinlich unser Leben verdanken. Doch was es damit auf sich hat, das werde ich dir heute nicht mehr erzählen. Etwas muss ja für die nächsten Abende übrigbleiben. Also: Augen zu und vom Fliegen träumen!
Nach oben Nach unten
Lynia
Erzmagus
Lynia


Anzahl der Beiträge : 390
Anmeldedatum : 03.10.12
Alter : 51
Ort : Nostria

__Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler Empty
BeitragThema: Ich träum zwar nicht vom fliegen...   __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler EmptyMo Sep 29, 2014 12:39 am

... aber schön träumen werde ich auf alle Fälle.

Schön, wirklich schön,
und es weckte alte Erinnerungen, die, auch wenn sie keine wer weiß wie viele Jahre zurückliegen, mir nicht nur ein lächeln auf die Lippen zaubern sondern auch meinen Gedanken eine unbeschwerte Leichtigkeit verleihen, die mich wahrlich leichter zu Bett gehen lässt als noch ein paar Minuten zuvor.
Und wahrscheinlich werde ich die Tage auch mal wieder den Ordner mit unserer Geschichte aus dem Schrank holen und ebenfalls noch mal darüber sinnieren, "wie denn alles so angefangen hat".
Nach oben Nach unten
 
__Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 4: Die Fahrt ins Land der Thorwaler
Nach oben 
Seite 1 von 1
 Ähnliche Themen
-
» __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 5: Der Albe
» __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 3: Nostria
» __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 1: Aufbruch im Kosch
» __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 2: Die Reise nach Havena
» __Telas Anfänge - Gutenachtgeschichten für Telas Nichte - Teil 6: Erneuter Aufbruch in den Norden

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
Das Schwarze Auge :: Die Abenteuer der Heldengruppe :: Telas Zeit in der Gruppe-
Gehe zu: