„Hoouu! Vorsichtig Lynia!“, sagte ich, einem Stein ausweichend. Sie schaute entschuldigend zu mir herab und ich konnte in jedem einzelnen Teil ihres Körpers erkennen, wie anstrengend es für sie war und wie unwohl sie sich dabei fühlte, den Berg zu erklimmen. Ich kletterte zu ihr hoch und half ihr auf den nächsten Metern, bis sie sich wieder etwas sicherer fühlte. Auch Tela hat ihrer Probleme, der pfeifende Hakim griff ihr jedoch tatkräftig unter die Arme. Ich ließ meinen Blick für einen Moment über die Landschaft gleiten, denn mir gefiel diese raue Gegend, die teilweise kahlen Felsen mit wild bewachsenen Hänge, durchzogen von kühlen, klaren Gebirgsbächen... für einen kurzen Augenblick ließ sie mich vergessen, wie nah uns die Schwarzen Lande waren. Ich richtete meinen Blick wieder hinauf zum Kamm und zog mich ein weiteres Stück nach oben. Das Greifennest konnte nicht mehr all zu weit entfernt sein.
Die letzten Tage waren sehr beunruhigend gewesen. Wir erfuhren von den Geweihten eines kleinen Parioskloster, dass die Anzahl der Greifen in letzter Zeit „zurückgegangen“ war, was auch immer das bedeutete. Lynia reagierte sehr verängstigt und stellte dem Geweihten eine Frage, die uns allen einen kalten Schauer über den Rücken laufen lies: „was könnte diesen göttlichen Wesen denn überhaupt etwas anhaben?“. Vor kaum ein paar Tagen sahen wir dann selbst das erste mal einen Greifen aus weiter Ferne und hörten kurz darauf einen markerschütternden Schrei, nur um festzustellen, dass nachts nur noch 7 der Greifensterne am Firmament leuchtete. Man erzählte uns ebenfalls von einem toten Greifen der in einer angrenzenden Baronie gefunden wurde und eben von besagtem Nest, zu dem wir gerade unterwegs waren.
„Ein komischer Greif“, sagte Hakim, als er seine Waffe zurück in die Scheide gleiten ließ, während Lynia abwesend leise „wieso nisten Baumdrachen in Greifennestern?“ murmelte und Tela dem geflügelten Wesen stumm hinterher schaute. Meine Aufmerksamkeit galt in erster Linie den Greifenfedern... 30 weitere Federn für meinen Korb, welchen ich gefüllt mit Federn einem Jungen vor ein paar Tagen abgekauft hatte... zu einem ehrlichen Preis wie ich fand. Wer hätte gedacht, dass sich hier in der Wildnis noch die ein oder andere „Goldmünze“ finden ließ.
Dumpfe Flügelschläge zerrten mich von meinem geistigen Dukatenberg und nur wenige Sekunden später, setzte ein mächtiger Greif wenige Schritt vor uns auf dem kahlen Felsen auf. „STECKT EURE SCHNÄBEL NICHT IN DIE ANGELEGENHEITEN DER UNSTERBLICHEN!“, dröhnte seine Stimme in unseren Köpfen, während ich das majestätische Wesen betrachtete... nicht ohne auch einen Blick auf die zahlreichen goldenen Federn zu werfen, die über seinen Körper verteilt im Antlitz der Praiosscheibe glänzten. Ein faszinierender Anblick nichtderischer Macht in einem makellosen derischen Körper, der von innen heraus zu leuchten schien. Nach seiner kurzen Zurechtweisung machten wir uns mit einem fahlen Gefühl wieder an den Abstieg.
