Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Bis auf die Knochen III

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Lynia
Erzmagus
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BeitragThema: Bis auf die Knochen III   Bis auf die Knochen III EmptySa Jan 04, 2014 5:46 am

Als es passierte, fing es erst ganz langsam an.
Ein „Sie brechen durch!“ schien das Signal, aber es war, soweit man in unserer Situation von so etwas noch sprechen konnte, falscher Alarm. Ein Abschnitt der Außenmauer hatte schließlich, so wie zu erwarten gewesen war, nachgegeben und es war einem halben Dutzend belebter Leichen, davon über die Hälfte Tierkadaver, gelungen in die Anlage einzudringen. Aber die Leichen bewegten sich weiter direkt auf den Burgfried zu und reagierten erst, als man sie direkt angriff. Diese Information war schnell gemacht und so konnten sich die Kämpfer erst in eine günstige Position bringen, bevor sie zuschlugen.
Dann kam ein „Sie brechen durch!“ aus einer Richtung, an der es keinen Mauerzusammenbruch gegeben hatte. Hier waren die Untoten bis vor wenigen Minuten noch gerade gegen die Mauer gelaufen und hatten die nicht mal einen halben Schritt entfernte, große Lücke in der Außenmauer schlicht ignoriert. Aber das hatte sich nun geändert. Aber es schien ein Einzelfall gewesen zu sein und ich ließ Tela Grauschnauz die Umgebung um diese Stelle absuchen, ob er dort etwas entdeckte, was einer lebenden Person noch am nächsten kam.
Aber noch während Grauschnauz unterwegs war wurden meine schlimmsten Befürchtungen wahr.
„Sie brechen durch!“ kam nun innerhalb kürzester Zeit von allen Seiten der Anlage.
Die Zeit des geradeausgehen schien vorbei. Überall schienen die belebten Toten nun plötzlich in der Lage zu sein, zu sehen, wo sich eine Möglichkeit bot, in die Burganlage hinein zu kommen, auch wenn die meisten von ihnen noch nicht einmal mehr Augen hatten.
Zum Glück ging es dem Edlen von Wertlingen, welcher der Anführer des Totenzuges des Reichsbehüters war, inzwischen zumindest ein klein wenig besser, auch wenn er noch lange nicht in der Lage schien, mehr zu tun als nur aus eigener Kraft zu stehen. Aber es reichte, dass er veranlasst hatte, dass das große Unterkunftsgebäude im Haupthof der Burg, welche als Herberge diente, geräumt wurde und alle Personen, welche nicht in der Lage waren vernünftig zu kämpfen, in den Burgfried gebracht wurden, wo die Rittfrau von Aulebein ihre Kammern im ersten Stock hatte. Dort wurden die Nichtkämpfer, wie er sie genannt hatte, untergebracht, da im Erdgeschoss der Sarg des Reichsbehüters stand, er niemanden in den Keller sperren wollte, wie er es genannt hatte und die Stockwerke oberhalb des zweiten Stocks nur noch zerfallene Ruinen waren, auch wenn der Bergfried von außen an manchen stellen immer noch erkennen ließ, dass er noch über mindestens zwei Stockwerke über den Gemächern der Rittfrau verfügte. Als echter Ritter, der er wohl war, ließ er auch alle Pferde aus dem Stall holen und sie in den höher gelegenen, Inneren Burghof bringen. Dieser war nicht nur höher gelegen, als die eigentliche Burganlage, er war auch nur direkt über eine enge Treppe zu erreichen, die leicht zu verteidigen war, wenn der Gegner keine Leitern oder ähnliches einsetzte. In diesem Inneren Burghof gab es nur noch einen Brunnen und die Überreste von zwei ehemaligen Gebäuden, wobei von einem noch etwas über die Hälfte stand, während von dem anderen nur noch Trümmer übrig geblieben waren. Eine Seite des Inneren Burghofes wurde von einer Mauerseite des großen Hauptgebäudes gebildet, aber trotzdem war auch hier die Innere Mauer durchgezogen worden, so dass, wenn das Haupthaus zusammenbrechen würde, man hier keine Lücke in der Umfriedung hatte.
So wie ich es mitbekam wurden der Wirt und seine Frau sowie die junge Schankmagd, wobei jung relativ war, sie mochte vielleicht so alt sein wie ich, alle Drei viel zu verängstigt um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, Magister Stoerrebrandt, immer noch nicht in der Lage arg viel mehr zu tun als zu zittern und so auszusehen, wie wenn er sich gleich auf die Seite unserer Gegner stellen würde, und die beiden Stallburschen, in die Gemächer der Rittfrau gebracht. Einer der beiden Burschen schien gerade alt genug um nicht mehr als Kind zu gelten.
Am Sarg standen die beiden Borongeweihten, die sich allgemein bisher zurückgehalten hatten, um das zu schützen, weswegen sie eigentlich hier waren, auch wenn sie es tatsächlich immer noch schafften, bezüglich diesem Punkt ab und an ein paar hitzige Worte zu wechseln und die Rittfrau. Der Edle wechselte beständig zwischen diesen und der Gruppe der Nichtkämpfer, wobei ich mir die Frage stellte, ob dieses ständige Treppensteigen gut für ihn war.
Im Hof selber war unsere Linie an den Mauern und im Schwerpunkt an der Treppe verteilt.
Da waren die Acht Söldner aus Uhdenberg. Wie ich gehört hatte, hatten sich die Drei Orks besonders tapfer und entschlossen im Kampf gegen die Untoten hervorgetan. Wären diese Worte nicht aus dem Mund des Golgariten gekommen, ich hätte sie wahrscheinlich lachend abgetan. Auch jetzt standen dies drei direkt vorne an der Treppe, bereit sich allem zu stellen, was da kommen sollte.
Die drei, inzwischen wusste ich, dass es Panthergardisten waren, also Teil der Leibwache der hoheitlichen Familie, Krieger mit den Greifenwappenröcken, die fremde Frau mit der Augenklappe, die irgendwie einfach wie eine Streunerin für mich aussah, die restlichen Söldner, Ghor, Hakim und Tela hatten sich auf der Mauer verteilt und der Säufer, wie ich ihn inzwischen für mich nannte, stand noch im Hof, wo er gerade mal wieder einen tiefen Schluck aus einem Schlauch nahm, bevor er schwankend ebenfalls eine Treppe nach oben auf die Mauer emporwankte. Andererseits, wenn es seine Art war, mit der Situation zurecht zu kommen, sein Hammer war gegen die Untoten mit Sicherheit eine Wirkungsvolle Waffe.
Ich für meinen Teil stand irgendwie verloren im Hof herum und wusste nicht so recht, was ich tun sollte, außer zu frieren und nass zu werden. Es regnete und stürmte immer noch und inzwischen hatten die ersten Stellen meines Mantels, den ich natürlich wieder vergessen hatte oft und gründlich genug einzufetten, schon aufgegeben und ich spürte die Nässe und Kälte auf meiner Haut. Aber im Grunde genommen waren das noch mit meine kleinsten Probleme. Auf irgendwelche Unterstützende Zauber verzichtete ich ebenso, wie auf magische Analysen, wobei mir letzteres unglaublich schwer fiel, aber ich wollte die mir zu Verfügung stehende Menge an Madas Kraft nicht unnötig vergeuden. Ganz offensichtlich hatten die Untoten erkannt, dass ihr unmittelbar auf das Ziel zuhalten nicht wirklich sinnig war. Aber warum hatten sie das getan? Waren die Linien, welche vom Sarg kamen nun nicht mehr so geradlinig und gerichtet oder gab es andere Gründe? Ich würde noch ein wenig Zeit brauchen, um mir bezüglich einer gewissen Theorie, die ich hatte, ein paar fehlende Informationen zu holen und diese dann umzusetzen. Sollte sich dieser Verdacht, und mehr war es im Moment ja eigentlich auch nicht, daher begann ich auch noch nicht, von diesem zu erzählen, jedoch bestätigen, dann hatten wir, wie mir mehr als nur bewusst war, ein echtes Problem. Vielleicht sollte ich doch zumindest einen schnellen Odem wirken, nur um…
Eine Hand auf meiner Schulter riss mich aus meinen Überlegungen und mein Herz aus meiner Brust.
„Entschuldigt, Edle Dame, ich wusste nicht, dass es mir gelungen war, so leise zu sein. Es lag nicht in meiner Absicht, euch zu erschrecken.“ Der Edle von Wertlingen stand neben mir und hinter ihm sah ich den jungen Stallburschen. Er sah mehr den je aus, wie ein gerade dem kindlich entwachsener Bube. „Magister Stoerrebrandt meinte, ihr könntet uns vielleicht helfen.“
Ich blickte fragend von dem Edlen zu dem Jungen und wieder zurück zu dem Edlen. Ich war Magierin, keine ausgebildete Strategin und Magister Stoerrebrandt musste doch wissen, dass der Paralysis, wenn ich ihn jetzt auf diesen Jungen wirken würde, nicht bis zum Sonnenaufgang und damit dem Ende der Bedrohung durch die Untoten wirken würde. Wie also sollte ich helfen können?
„Wie ihr uns helfen könnt?“ Ganz offensichtlich konnte wohl jeder in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch. „Nun, Magister Stoerrebrandt meinte, ihr hättet an der Akademie in Punin studiert und müsstet daher in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass Heldor“ er zeigte auf den Jungen an seiner Seite. „über die Linie der uns angreifenden Untoten kommt um Hilfe zu holen.“
Ich nickte stumm. Ich hatte an so eine Möglichkeit schon gedacht und ja, dabei hatte ich an Heldor, auch wenn ich nicht gewusst hatte, dass er so hieß, gedacht. Er und in meinen Augen auch der zweite Stallbursche waren einfach noch zu jung, um hier ihr Leben zu lassen, auch nicht für etwas so bedeutsames wie den Leichnam des ehemaligen Reichsbehüters. Daher hatte ich mir überlegt gehabt, wenn absehbar werden sollte, dass es schlimm werden würde, diese beiden mittels meiner magischen Möglichkeiten in Sicherheit zu bringen. Daran, dass einer von ihnen als Bote dienen könnte, um Hilfe zu holen hatte ich aber weniger gedacht. Wo sollte schon ausreichend Hilfe in der Nähe sein. Zumal Hilfe gegen eine Horde Untoter?
„Seid ihr in der Lage, ihn so nahe wie möglich nach Eslamsgrund zu bringen? Das liegt eine Tagesreise zu Fuß gen Praios von hier und dort wartet die Reichsbehüterin mit einer Bedeckung, welche uns hier mehr als nur hilfreich sein könnte. Ich weiß, diese Idee hätte uns schon früher kommen sollen, aber was immer auch in der Suppe war, es hat nicht nur meinem Magen nicht gut getan.“
„Ich kann ihn bis direkt nach Eslamsgrund bringen.“
Der Edle schaute mich verblüfft an und mir dann hinterher, als ich an ihm vorbei in Richtung des Burgfriedes ging, aber er rief mir nicht hinterher, was ich schon mal als ein gutes Zeichen wertete.
Ich hatte meine Umhängetasche in einer Nische im Erdgeschoss des Bergfried abgelegt, sicher vor dem Wetter und hoffentlich auch vor eventuellen Kampfhandlungen und aus dieser holte ich jetzt mein Beschwörergewand. Einen Dschinn zu beschwören war an sich nicht so schwer, wie man allgemein annahm, aber ihn dazu zu bringen das für einen zu tun was man wollte, nun das ging nicht ganz so einfach, wie es in den Märchen der Geschichtenerzähler immer dargestellt wurde. Ich wollte aber nun einen Dschinn in der Nähe dieser unheilvollen Quelle herbeirufen, ganz ohne Vorbereitungen, nur mit einem minimalistischen Beschwörungshexagramm und Schutzkreis. Ein Elementarer Diener war mir, auch wenn es deutlich einfacher und vor allem genügsamer in der erforderlichen Menge an Madas Kraft war, zu unsicher. Das wäre meine Überlegung gewesen, die beiden Jungen in Sicherheit zu bringen, da hätte dann die Kraft nämlich auch für Ghor und Hakim und mich gereicht, wenn es für Tela auch noch gereicht hätte auch für sie, aber von ihr wusste ich, dass sie im schlimmsten Fall auch alleine zurecht gekommen wäre, aber da wäre das Ziel auch das Dorf ein paar hundert Schritt entfernt gewesen und nicht wer wusste wie viele Meilen. Ich wusste auch nicht, wie die Sterne standen und hatte nur die reine Luft auf dem Innenhof, natürlich würde ich für diesen Transportdienst einen Luftdschinn beschwören, und keine Edlen Kräuter, welche ich verbrennen konnte, aber was ich tun konnte würde ich tun. Während ich mich auszog verstummte zumindest der Streit der beiden Borongeweihten hinter mir, so das ich mir schon mal die Matrix des Zaubers ein erstes mal bewusst ins Gedächtnis rufen konnte. Als ich schließlich nackt war warf ich mir das Beschwörungsgewand über, ganz wie der Codex Albyricus vorsah ganz in weiß. Es war aus dünner Seide, ein Geschenk von Großtante Tsaiane, dass so leicht und zusammengelegt so klein war, dass es locker in meine Umhängetasche passte. Für eine Elementarbeschwörung war ein einfaches, weißes Gewand mit einem einfachen Leinengürtel, ohne weitere Bekleidung die beste Wahl. Noch während ich mir den Gürtel umband, zweimal links herum um die Taille, ganz nach dem Codex, bat ich die Rittfrau, mir Kreide oder etwas anderes zu bringen, mit dem ich auf dem zum Glück gepflasterten Innenhof etwas auf den Boden malen konnte. Ich verlief mich nicht in Details, die Frau schaute auch so schon böse genug, wobei ich mir gar nicht darüber bewusst gewesen war, dass sie etwas gegen Magier hatte. Am Anfang des Abends war sie doch noch nett und beinahe zu entgegenkommend gewesen. Nun ja, vielleicht war die ganze Situation für sie einfach auch zu viel. Verübeln konnte ich es ihr nicht. Während ich auf die Rittfrau wartete, klärte ich den Edlen darüber auf, dass er und Heldor hier im trockenen warten könnten, bis ich Heldor rufen würde. Die Beschwörung an sich würde, ohne Vorbereitung schon gut eine halbe Stunde dauern. Der Edle wirkte kurz geschockt, nickte dann aber ergeben.
„Wenn er dafür direkt bis nach Eslamsgrund kommt, soll es mir recht sein.“ Brachte er schließlich hervor.
„Das wird er.“ Ich lächelte dem Edlen zuversichtlich zu, nahm von der Rittfrau zwei große Stücke Kohle entgegen, während ich versuchte unter ihren Blicken nicht sofort tot umzufallen und ging wieder hinaus ins den Innenhof, wo ich mich in eine Ecke zurückzog, welche der runde Burgfried und die Mauer des Innenhof bildeten, um so zumindest ein wenig vor dem Wind geschützt zu sein, wenn schon der Regen nur drei Schritte gebraucht hatte, um mein Gewand total zu durchnässen und es mir direkt auf die Haut zu kleben. Während ich also schon im wahrsten Sinne des Wortes nass bis auf die Haut war begann ich das Beschwörungshexagramm und den Schutzkreis zu zeichnen, was ohne Unterlagen und rein aus dem Gedächtnis heraus schon an sich eine Kunst war, ohne das man dabei auch noch fror und zitterte. Warum stand so etwas nie in diesen Berichten oder wurde von den Geschichtenerzählern so erzählt? Ich hatte auch mit dem Gedanken an einen Niederen Dämonen gespielt. Ein Pentagramm in die Luft malen, ein wenig warten, einfach einen Befehl erteilen und nicht herumbitten und handeln müssen, fertig. Aber mir war kein geeigneter Dämon eingefallen, zumindest keiner, der den Jungen schnell genug nach Esmlamsgrund gebracht hätte. Ein Botendämon hätte ich gekannt, aber da wäre auch die Frage gewesen, wie die Truppe um die Reichregentin darauf reagiert hätte. Nein, ein Dschinn, so aufwendig das ganze auch war, war in dieser Situation wohl die beste Alternative, also konzentrierte ich mich wieder auf das Hexagramm vor mir, da waren schon die ersten Ungenauigkeiten, wie ich sah. Schließlich war ich mit meinem Werk zufrieden und auch die Matrix der Formel hatte ich klar und deutlich vor meinem geistigen Auge. Also stellte ich mich mit dem Rücken zum Innenhof, wo der Schutz des Bergfriedes und der Burgmauer am geringsten war und ließ den Sturm erfolglos an meiner zweiten Haut aus Seide ziehen. Viel wichtiger war der Wind um meinen Kopf, der mir half, mich gänzlich auf das Element Luft einzustimmen, war das doch das Element, aus dessen Domäne ich einen Dschinn rufen wollte. Ich ließ meinen Blick nochmal über meine Zeichnungen schweifen, der stetige Regen hatte natürlich schon begonnen, die ersten Feinheiten wieder aufzulösen, aber darauf konnte ich nun keine Rücksicht mehr nehmen, ließ Madas Kraft aus meinem Körper in die Matrix des Zaubers fließen, konzentrierte mich zum einen gänzlich auf die Matrix des Zaubers und die darin nun gebundene Kraft und zum anderen auf das Element Luft, welches mich umspielte, an meinen nassen Haaren und meinem nassen Gewand zu ziehen versuchte und mir als pfeifen im Ohr lag und sprach laut „Dschinnenruf!“ Während die Matrix Madas Kraft die Form gab, meinen Ruf in die Ebene der Luft zu tragen um dort einen Dschinn zu rufen spürte ich, wie die Magie, welche vom Burgfried aus wirkte, sich begann mit meinem Anteil an Madas Kraft zu vermischen, aber meine Kraft war durch die Matrix schon Formgebunden und bot daher der frei fließenden Magie keinen Angriffspunkt. Ich hielt meine Konzentration aufrecht und auch wenn ich spürte, dass ein beträchtlicher Teil von Madas Kraft meinen Körper verlassen hatte, sah ich noch kein Ergebnis. Aber das war nicht weiter verwunderlich. Der Dschinn entstand ja nicht einfach aus der Luft um mich herum sondern kam aus der Elementarebene der Luft und auch wenn bei einer Herbeirufung räumliche Distanzen im eigentlichen Sinne keine Rolle spielten, gewisse Distanzen mussten trotzdem überwunden werden und das dauerte nun mal. Aber für einen Magieanwender, der die Herbeirufung durchgeführt hatte, Elementarwesen mochten es überhaupt nicht, wenn man in ihrer Gegenwart auch nur von Beschwörung dachte, konnten das lange Sekunden werden, wusste er doch nicht, ob sein Ruf nun gehört worden war oder ob sein Zauber misslungen war. Und wenn der Zauber misslungen war stand immer noch die Frage im Raum, warum er misslungen war. Zu wenig von Madas Kraft, nicht genug vom gewünschten Element, das Element nicht rein genug? Man mochte sich da nicht wundern, dass das Herbeirufen von Elementaren in der Gildenmagie so hinter das Beschwören von Dämonen zurückgefallen war und vermutlich wäre das heute noch genauso, wenn nicht vor ein paar Jahren Borbarad zurückgekehrt wäre. Aber diese Überlegungen waren müßig und mussten nun eh erst mal wichtigerem hintenanstehen, immerhin bildete die Luft über meinem Hexagramm gerade eine Form, die mir ziemlich bekannt vor kam, auch wenn ich sie vermutlich weniger gut kannte, als meine Freunde, immerhin sahen die mich öfter nackt als ich mich selber. Das war auch so eine Sache. In Büchern und Geschichten ist beinahe jeder Fluss, Bach, See oder gar nur Tümpel so klar und still, dass man sich darin noch schnell betrachten kann um seiner Kleidung den letzten Schliff zu geben, bevor man seinem Prinz in die Arme fällt, in Wirklichkeit brauchte ich öfters Telas Hilfe um überhaupt nur den ganzen Schmutz aus meinem Gesicht zu bekommen, den ich nicht sah, als das ich auf der Wasseroberfläche auch nur erkannt hätte, dass ich mich gerade darüber beuge. Das war ebenfalls ein ungeklärtes Mysterium, wobei ich eh erstaunlich wenig darüber gelesen hatte, dass überhaupt jemand dieses Mysterium untersucht hatte. Ich hatte sogar mehr angefangene Abhandlungen über die Frage nach dem verbleib von Fran-Horas gefunden, und der war nun, Akademiegründer hin oder her, nun wirklich kein beliebter oder öffentlich geehrter Mann an der Akademie, als über die Frage, warum Dschinne in den meisten Fällen in der Gestalt des Herbeirufers erschienen und dabei immer nackt waren. Wobei manche Dschinne, wenn auch eher wenige, wohl zumindest die Intimsten Stellen entweder unkenntlich darstellten, gar nicht erst darstellten oder sie mit etwas bedeckten. Der klassische Dschinn aus den Büchern und Geschichten, bei Hesinde, ich würde echt Probleme bekommen, meinen Kindern später mal Abends etwas zu erzählen, trug stellenweise ja sogar ganze Kleidungssätze, passend zum Anlass, zu dem er gerufen worden war. Nun, mein Dschinn, oder Dschinni, der Körper war ja ganz offensichtlich weiblich, zumindest der Oberkörper bis zur Hüfte, darunter hatte sie sich klassisch, zumindest in diesem Punkt hatten die meisten Bücher und Geschichten recht, für einen Luftwirbel entschieden, hatte sich für das ebenfalls klassische Model unbekleidet entschieden. Na ja, dann hatte Heldor zumindest etwas, was ihm vielleicht half, die schlimmen Bilder der bisherigen Nacht aus seinem Kopf zu bekommen.
„Ihr wünscht?“ vernahm ich die Stimme der Dschinni, auch die Stimme klang wie meine eigene, in meinem Kopf und konnte mir ein lächeln nicht verkneifen. Das war ein guter Anfang.
„Ich wünsche nicht, ich hätte wenn, dann eine Bitte an euch, von der ich allenfalls hoffen darf, dass ihr mir sie gewährt.“ Bei so einer klaren Vorlage gab es nur eine passende Antwort um dem Dschinn von Anfang an zu zeigen, dass man wusste, wie man mit ihnen umging. Es war beinahe schon die halbe Verhandlung. Die Tatsache, dass seine Aufgabe relativ einfach war, wenn auch mehr als nur ein üblicher Botendienst, immerhin musste er eine Person transportieren, dafür aber eben nur eine einfache und eine, für einen Dschinn, relativ kurze Strecke, und eigentlich keine Gefahr für ihn bereit hielt, er sollte ja weit über die Untoten hinwegfliegen und die Untoten Vögel, die ich bisher gesehen hatte, hatten den Boden auch nicht verlassen, waren weitere Punkte, die mir bei meinem Gespräch mit dem Wesen halfen. Aber zuerst galt es, der Dschinni zu erläutern, warum ich sie eigentlich gerufen hatte und was ich mir von ihr erbat. Natürlich war sie anfänglich nicht davon begeistert, dass sie eine andere Person als mich zu einem bestimmten Ort transportieren sollte, aber als ich ihr mit ein paar Gedankenbildern die genauen Umstände und das Ausmaß der Bedrohung zeigte, in welcher wir steckten war sie erstaunlich schnell willig und bereit, den Dienst zu tätigen. Auch über die Tatsache, wie schnell sich die Dschinni bereit erklärte, den Dienst tatsächlich zu tätigen war ich ziemlich erstaunt. Andererseits war es ebenfalls bekannt, dass wenn es gegen Dämonen ging, wobei ich nicht gewusst hatte, dass dies auch für Untote so galt, Dschinne eher bereit waren, einen Dienst zu erfüllen. Aber wer war ich, dass ich nun, wo ich schon ein ja hatte, weiter feilschen würde, in der Hoffnung, dass ich den Dienst vielleicht für weniger Aufwand an Madas Kraft bekommen würde. Diese Menge war immer gleich und ich hatte sie gebraucht um die Dschinni überhaupt zu rufen. Den Aufwand an Kraft für den Dienst würde sie selber entrichten.
„Heldor!“ rief ich, so laut wie ich konnte.
Schon wenige Sekunden später kam der Junge, in Begleitung des Edlen aus dem Burgfried gerannt. Beide blieben jedoch abrupt stehen, als sie die Dschinni und mich sahen und beide ließen ihre Blicke ein paar mal zwischen mir und ihr hin und her gleiten.
„Nein, sie sind nicht so perfekt, dass sie die Narben mit übernehmen.“ Versuchte ich die Situation ein wenig zu entspannen. Man konnte gerade meinen, ich hätte einen Braggu beschworen. Aber andererseits, wann hätte eine Junge wie Heldor schon die Gelegenheit haben sollen, eine Dschinni zu sehen und der Edle kam ja auch aus dem Mittelreich und daher war ich mir, was seine Erfahrungen mit beschworenen Wesen anging, auch nicht so sicher. Vielleicht hätte ich doch im Vorfeld erzählen sollen, was ich vor hatte, aber andererseits, ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Magister Stoerrebrandt erzählt hatte, dass man in Punin lernt, wie man einen Riesenadler als Reittier rufen kann, oder aus einem normalen Pferd, wie sie unruhig hier im Innenhof herumstanden, ein geflügeltes Pferd machen konnte.
„Ist er das?“ hörte ich meine Stimme in meinen Gedanken.
„Der Junge ist es.“ Sprach ich laut aus, um den beiden zu zeigen, dass Satinav nicht extra für uns das Schiff der Zeit mal eben gestoppt hatte. „Also, Heldor, sag, wenn du soweit bist.“
„Also, mein Junge.“ Der Edle fasste Heldor nochmals fest an den Schultern und schaute hart, aber nicht böse, auf ihn herab. „Du weißt, was von dir abhängt. Du hast meinen Ring und die geheime Losung. Wenn du dich damit einem Panthergardisten gegenüber zu erkennen gibst wird er dich direkt zur Reichsbehüterin bringen. Erzähle ihr alles genauso, wie ich es dir gesagt habe und wenn du dir bei etwas nicht sicher bist, dann berichte so gut, wie du dich erinnerst, aber erkläre dabei, dass du dir bei dieser Aussage nicht sicher bist. Das ist eine Große Aufgabe, mein Junge, keine feige Flucht. Von dir kann vielleicht abhängen, ob wir überleben oder nicht.“
Ich fand die Worte des Edlen teils ein bisschen hart, aber andererseits, wer wusste schon, wie der Junge zu den Leuten hier in der Herberge stand und er war der einzige, der es jetzt auf alle Fälle hier heraus schaffen würde, da war es vielleicht doch ganz geschickt, ihm irgendwie zu erklären, dass seine scheinbare Flucht einen tieferen Sinn hatte. Zumindest straffte Heldor seine Schultern und erwiderte endlich den Blick des Edlen.
„Ich werde mein bestes geben und euch nicht enttäuschen, Marschall.“
Der Edle klopfte Heldor nochmal auf die Schulter, bevor er salutierte und diesen militärisch grüßte. „Rondra mit euch.“
„Rondra mit euch.“ Grüßte Heldor zurück, wobei es nicht ganz so fest und sicher klang, was vielleicht auch daran lag, dass sich die Dschinni inzwischen zu den beiden gesellt hatte und ihre Arme Heldor einladend offen entgegen streckte.
Ich sah den Jungen kurz zusammenzucken. Vermutlich hatte die Dschinni sich gerade eben mit ihm in Verbindung gesetzt. Auch das war so ein Punkt. Als magische Wesen waren Dschinne nicht auf verbale Kommunikation angewiesen, vielmehr schätzten sie ihre natürliche Art der Verständigung und die kam nun mal ohne offen übertragene Worte aus.
„Äh, ja, ganz wie es euch beliebt.“ Antwortete Heldor laut.
Ich sah die Dschinni kurz lachen, dann nahm sie den Jungen auf ihre Arme und flog einfach gerade aus nach oben, wie wenn sie ihn gar nicht tragen würde. Kaum waren sie etwas höher als der Burgfried, der Schrei von Heldor war inzwischen auch wieder verstummt, vermutlich war es nur der Schock gewesen, da verschwanden auch beide schon Richtung Praios.
„Entwarnung! Den Blick wieder nach Außen, hier ist nichts geschehen!“ schrie der Edle an mir vorbei. Als ich mich in Richtung Mauer drehte sah ich zwei der Söldner, welche ihre grinsenden Gesichter wieder von mir weg drehten. Na zumindest konnte sie noch grinsen.
„Geht ein wenig in die Gute Stube der Rittfrau, gelehrte Dame. Dort brennt ein Feuer, an dem ihr euch ein wenig wärmen solltet. Ich lasse euch holen, wenn wir eurer wieder bedürfen.“ Der Edle hatte meinen Mantel mitgebracht, welchen er mir inzwischen umgelegt hatte und schob mich sanft zurück in Richtung Burgfried.
„Danke. Sehr freundlich.“ Ich hörte schon durch die offene Türe des Burgfried die Stimmen der beiden Boroni, was mir jegliche weiteren Worte ersparte. So lange die beiden noch streiten konnten, zusammen mit den grinsenden Söldnern, beinahe war ich versucht, den Worten des Edlen an den Jungen glauben zu schenken. Vielleicht hing es doch von ihm ab, ob wir überleben würden.
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