Lynia und Hakim hatten den Raum bereits verlassen, als der Baron Tela und mich bat, noch ein paar Augenblicke zu bleiben. Er war sichtlich besorgt und informierte uns mit ein paar wenigen Sätzen darüber, dass die Reichsregentin am nächsten Tag zu einer „wahrlich verrückten Unternehmung“, wie er es nannte, aufbrechen würde. Mit Müh und Not wäre es ihm gelungen sie davon zu überzeugen, dass sie sich von uns, den ehrenhaften Rettern ihres toten Gatten, begleiten ließe. Ehrenhaft hatte man mich zwar selten genannt, aber ich stimmte ihm nickend und voller Überzeugung zu.
Als wir am nächsten Tag an besagtem Punkt rahjawärts an der Stadtmauer ankamen, hätte ich die Reichsregentin fast nicht erkannt. Unauffällig gekleidet saß sie ruhig auf ihrem Pferd und blickte uns aus ihren selbstsicheren Augen an. Ich versuchte in den umliegenden Gassen und Häusern einige Offiziere oder Panthergardisten auszumachen, aber dann wurde mir umgehend bewusst, was der Baron mit „wahrlich verrückte Unternehmung“ gemeint hatte. Sie war allein und sie wollte allein reisen, akzeptierte jedoch die dringliche Bitte des Barons und somit unsere Anwesenheit, wenn wir ihr in gebührenden Abstand folgen würden. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, denn ihren Schutz konnte unter den gegebenen Umständen niemand garantieren und ich wusste aus Erfahrung, dass dies der Albtraum eines jeden Leibwächters war.
Sie trieb ihr Ross zornig und schnell in Richtung Rahja und während sie in Gareth noch unnahbar auf uns wirkte, war sie es nun sogar teilweise wirklich. Ich versuchte über die Distanz Menschen, Orte und die sich daraus ergebenden Situationen frühzeitig einzuschätzen, aber teilweise war es schlichtweg unmöglich und so war ich mehr als froh, als sie ihr Pferd in der Dämmerung zügelte und uns für ein Nachtlager zu ihr aufschließen ließ.
„Guter Mann, nehmt es mir nicht übel, dass ich Euch... Travia möge es mir verzeihen... nicht an unser wärmendes Lagerfeuer bitte, aber meine Begleiterinnen haben den „Flinken Difar“ und dies möchte ich Euch nur all zu gerne ersparen und glaubt mir“, flüsterte Ghor weiter, „die Geräusche sind keine lieblichen Feenlieder die Euch in den Schlaf wiegen.“ Dankend ritt der Mann weiter und ich kehrte zurück ans Feuer wo ich bemerkte, dass sich die Züge der Reichsregentin etwas entspannten. Tela hatte uns, wie so oft auf unseren Reisen, ein vorzügliches Süppchen zubereitet und Emer schien es sichtlich zu genießen. Sie sei wütend und zornig, denn Razzazor hätte das Fass zum überlaufen gebracht. Sie würde seine Taten nicht weiterhin ungesühnt hinnehmen und nun sei der Zeitpunkt gekommen ihm gegenüber zu treten. Ich für meinen Teil hoffte, dass dies noch nicht all zu schnell und nur zu dritt der Fall sein würde und fuhr mit meiner Hand über die Haarstoppeln auf meinem Kopf.
Tela unterhielt sich mit Emer auf eine sehr behutsame und einfühlsame Weise. Es war immer wieder erstaunlich, woher sie dieses Gespür für andere Lebewesen nahm und welche beruhigende und öffnende Wirkung es auf diese haben konnte. Während ich hin und wieder beiläufig zu den Pferden ging oder absichtlich unbeholfen hier und da etwas Feuerholz sammelte, nicht ohne meinen Blick dabei unauffällig über die nähere Umgebung wandern zu lassen, hatte ich fast schon das Gefühl zwei alte Freundinnen am Lagerfeuer sitzen zu sehen.
