Kälte, ich spürte sie in all meinen Gliedern und als meinen Blick über den Boronsanger glitt, wurde mir sogar noch kälter. Ein leichter Nebel lag über der aufgewühlten Erde und überall sahen wir umgeworfene Grabsteine, verstreut wie fahle Knochen auf einem Schlachtfeld. 2 geköpfte Raben lagen weggeworfen zwischen den geschändeten Gräbern und ihr Blut tropfte noch beständig von den kalten Steinen.
Ich sah mich weiter um, während die beiden Geweihten erneut zu streiten anfingen, und entdeckte ein kleines leeres Fläschchen am Rande des Boronangers, das ich Lynia anvertraute um es genauer zu untersuchen. Allein die Faszination mit der sie das banale Fläschchen betrachtete, gab mir die Erkenntnis, dass etwas magisches im Spiel war.
Ich ging ein paar Schritte zwischen den geschändeten Gräber, als ich plötzlich von einer seltsamen inneren Zufriedenheit ergriffen wurde. Ich spürte eine Ruhe in mir, eine Stille, wie ich sie noch nie zuvor verspürt hatte und das seltsame Gefühl, genau zu wissen was ich tat. Ich trat in die Mitte des Boronangers, schloss meinen Augen, breitete meine Hände aus und sprach: „Boron, Wächter und Bewahrer der Toten, erhöre unser Gebet und gewähre uns Schutz und Frieden vor unheiligen Wesen, seelenlosen Wanderern auf Deinem Deregrund und segne diesen entweihten Ort. Golgari breite schützend Deine Schwingen über uns aus und geleite die Leiber der Toten sicher über das Nirgendmeer. Möge der Herr uns in diesen Zeiten der Unsicherheit und der Verdammnis beistehen und uns Seine Gnade erweisen.“ Meine Worte hatten die beiden Geweihten endlich verstummen lassen und so begannen sie ihrerseits den Ort zu segnen. Eine seltsame Stille hüllte den Ort wie in ein weiches Tuch und etwas tief in mir schien äußerst zufrieden zu sein.
Wir hatten den Boronsanger kaum verlassen, da begannen die beiden Diener des schweigsamen Herren erneut mit ihrem Disput. Lynia war ganz in sich gekehrt und so konnte ich in Ruhe über das Geschehen nachdenken. Ich hatte an diesem Ort das erste mal in meinem Leben und für einen kurzen Augenblick das Gefühl etwas Wichtiges und Richtiges zu tun, etwas, dass erstmals eine Bedeutung hatte in meinem Leben, die weit über meine bisherigen Erfahrungen hinaus gingen.
Gedankenversunken erreichte ich mit den anderen Dreien die Burgruinen und das Gasthaus. Tela hatte die Anwesenden fürs erste versorgt und ihren Beschwerden gelindert. Hakim war kreidebleich, was mich nicht wunderte, denn ich kannte ihn und wusste wie schnell er etwas verschlang, wenn es ihm mundet. Aber es war gut ihn wieder halbwegs auf den Beinen zu sehen und ich war ein weiteres mal dankbar für Telas Talente. Vielleicht sollte ich mich doch einmal der Welt der Pflanzen widmen, denn es schien weit mehr zu geben, als den Genuss und die Freunden der Rauschkräuter.