Das Schwarze Auge
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Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Tage des Leids – 6. Ingerimm, Teil 14: Auf dem großen Fluss

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Tela Reisigritt
Erzmagus
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BeitragThema: Tage des Leids – 6. Ingerimm, Teil 14: Auf dem großen Fluss   Tage des Leids – 6. Ingerimm, Teil 14: Auf dem großen Fluss EmptyMo Nov 17, 2014 2:45 pm

Tela stand am Heck der „Forelle“ und blickte Ferdok so lange nach, bis die Rauchfahnen der Schornsteine hinter den dichten Waldsäumen am Ufer verschwunden waren. Dann drehte sie sich um und bereitete sich ihr Lager auf dem Oberdeck. Sie ließ sich an die Reling sinken und schloss die Augen, während sie mit einer Hand in der Kiepe Grauschnauz‘ Nacken kraulte. Für die, die es eilig hatten, würde es eine lange Fahrt werden, doch Tela hatte es nicht eilig, sondern genoss diesen Moment der Ruhe.

Ferdok kannte sie noch aus ihren Kindertagen - es war die einzige Stadt, die sie je zu sehen bekommen hatte, bevor sie auf die große Reise aufbrach - eine Ort bekannt für Gastfreundschaft und Gemütlichkeit. Doch mit der Welle von Flüchtlingen hatte sie sich in eine Art Heerlager verwandelt, das bereits jetzt nicht genug Obdach und Essen für alle bot. Die Stadt selbst quoll über von Menschen, und vor ihren Toren hatte sich eine Siedlung aus Zelten, improvisierten Unterständen und offenen Lagern gebildet, zwischen denen die Menschen mit müden Gesichtern um die Feuer saßen. Und es würde noch viel schlimmer kommen, denn noch war es nur die Vorhut an Flüchtlingen, die das Städtchen erreicht hatte – diejenigen, die Gareth vor der Ankunft Kholak-Kais, verlassen hatte und die Berittenen. Der Strom alljener, die zu Fuß, ohne Hab und Gut, in den sicheren Kosch zu gelangen versuchten, hatte die Stadt noch nicht erreicht. Sollte sich das bislang gute Wetter im launischen Ingerimm-Mond noch verschlechtern, würde es für alle sehr schwer werden.

Ihre Reise aus dem zerstörten Gareth war – verglichen mit den Tagen und Wochen zuvor – fast ereignislos verlaufen. Die Vorbehalte der in der Kutsche zusammengepferchten Herren von Paligan, Eslamsbad und Rommilys gegeneinander, die marodierenden ehemaligen Soldaten und die sterbende Schatzkanzlerin mit ihrem Gefolge fühlten sich an wie der Kater nach einer durchzechten Nacht – unangenehm, teils stechend und fordernd, aber insgesamt dumpf und übelkeitserregend. Lediglich an den Abenden, an denen sie gemeinsam mit Hakim seine Heldensagen sang und so für einen kurzen Moment die allgemeine Bedrückung verschwinden lassen konnte, fühlte auch sie sich wieder etwas besser.

Doch das lag nun hinter ihr – Gareth, Ferdok und der endlose Strom Flüchtlinge, der sich über den Kosch weiter nach Albernia und in die Nordmarken ergießen würde. Die Zeit auf dem Wasser war eine Atempause, die es zu nutzen galt, bevor sich in Elenvina auf dem Reichskongress die Garotte der hohen Politik auch wieder um ihren Hals legen würde. Wenn sie es einrichten könnte, würde sie ein wenig Zeit mit Grauschnauz verbringen. Um die Hexenmagie zu vertiefen, die sich mit dem menschlichen Geist beschäftigt (was sie sich anlässlich ihrer Begenung mit Galotta eigentlich vorgenommen hatte) würde die Zeit zu kurz sein, doch vielleicht würde es ihr endlich gelingen, dass ihr ihr Wanderstab auf ein Schnippen in die Hand sprang - ein Zauber, denn sowohl Hanni als auch Kessi in der notwendigen Meisterschaft beherrschten, die ihr noch fehlte.

Sie musste am hellichten Tag eingeschlafen sein. Als sie die Augen öffnete, blickte sie ins lächelnde Gesicht Ghors, der sie leicht angestoßen hatte. „Na, da schein ja jemand erschöpft zu sein…“. Sie bejahte dies mit einem Grunzen: „…waren anstrengende Tage. Setz dich doch!“

„Und. Was erwartet uns in Elenvina?“ fragte sie ihn, während er sich gewandt in ihrer Ecke des Oberdecks niederließ. „Wein, Weib und Gesang, hoffe ich doch, und von den ersten beiden nicht zu knapp…“ gab er wie erwartet zurück. „Ich kann Dir nur mit dem letzten dienen, und auch da nicht besonders. Aber die anderen beiden will ich Dir nicht verargen.“ Sie lachte und machte eine kleine Pause. „Wie war Dein Besuch im Boron-Tempel?“ Ein Stirnrunzeln zog, kurz über Ghors Gesicht: „Können wir nicht bei Wein, Weib und Gesang bleiben?“. Als Tela nicht antwortete, gab er nach und sprach mit gesenkter Stimme: „Man nennt ihn nicht umsonst den stillen Gott.“ „Er wird sich schon noch melden, vielleicht hat er gerade einfach zu viel zu tun.“. Diese etwas flapsige Bemerkung brachte Tela ein erneutes Stirnrunzeln Ghors ein, doch dann lachte er und meinte: „So wird es sein.“ „Du weißt schon, Ghor – zu Boron geht zwar jeder allein, aber davor hat man Freunde, die einem helfen.“

Der Al’Anfaner schwieg und schaute still vor sich hin. Dann hob er den Blick, und das typische Ghor-Blitzen trat in seine Augen: „A propos Helfen. Die Jungs und ich da vorne wollen uns die Zeit ein wenig mit Boltan vertreiben. Doch bei einem von ihnen müsste man nochmal nach dem Verband sehen. Kannst Du das übernehmen?“

Für Tela war das eine willkommene Gelegenheit, sich aus ihrer Schläfrigkeit zu befreien. Sie ergriff seine Hand, die er ihr entgegengestreckt hatte, und zog sich hoch. Als sie das Deckelfach ihrer Kiepe öffnete, drehte sich Ghor um und meinte augenzwinkernd: „Aber lass Dir nicht allzu viel Zeit, denn er will noch in die Runde einsteigen. Und außerdem hat er schon gezahlt.“

Tela nickte abwesend. „.schon gezahlt…“, wiederholte sie in ihrem Kopf, bis die Erkenntnis zu ihr drang! Dieser Sohn eines Al’Anfanischen Straßenwiesels! „Ghor, hast DU etwa Geld für MEINE Arbeit kassiert?“ rief sie erbost quer über das Schiff. „Aber natürlich, wozu sind Freunde denn da, meine Teure?“ gab er zurück und grinste breit. Na warte, dachte sich die junge Hexe, als sie sich dem verständnislos dreinblickenden Soldaten mit dem verbundenen Arm näherte, wollen wir doch mal sehen, wozu Freunde noch so alles da sind.
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