Das Schwarze Auge
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Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
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 Tage des Leids – 29. Peraine, Teil 4: Über die Trümmer

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Tela Reisigritt
Erzmagus
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BeitragThema: Tage des Leids – 29. Peraine, Teil 4: Über die Trümmer   Tage des Leids – 29. Peraine, Teil 4: Über die Trümmer EmptyDo Sep 11, 2014 9:13 pm

Sie standen auf einem Schutthaufen - ein ehemaliger Patrizierpalast, der sich über die Straße ergossen hatte, als ihn die zerstörerische Kraft Kholak-Kais getroffen hatte. Wenn sie gedacht hatten, dass die Zerstörungen bis hierher schlimm waren, hatten sie sich getäuscht. Vor ihnen lagen ganze Felder aus gleichmäßig verteilten oder zu Dünen aufgeworfenen Ziegeln und Steinen. Keine Straße, kein Mauerrest, kein Baum war mehr zu erkennen – als ob eine übergroße Hand den Mörser angesetzt und die Krümel mit dem Finger hier- und dahingeschoben hätte. Keine menschliche Kraft hätte dies bewerkstelligen können.

Auch ihr Schutthaufen, so sahen sie jetzt, war nur der erste Teil eines Trümmerberges, der sich von hinten gegen die straßenbegleitende Bebauung gedrückt hatte. Er stellte sich als so hoch heraus, dass man von der natürlichen Erhebung, auf der sie sich befanden, einen guten Blick über die Stadt hatte. Nichtsdestotrotz schien die Zerstörung begrenzt zu sein. Oft waren die Grenzen unnatürlich scharf. In der Ferne sah sie (mit Hilfe Grauschnauz‘ guter Augen) ein Haus, das nur noch aus rauchenden Trümmern bestand, während beim Nachbargebäude ein leichter Wind durch die Geranien vor dem Fenster zog.

Tela schüttelte ihren Kopf. Auch mit Grauschnauz‘ Hilfe war ihre Wahrnehmung nicht verlässlich. Distanzen waren unnatürlich verzerrt, Stimmen von weit entfernten Personen erklangen wie aus nächster Nähe, und auch sie selbst schienen nicht immer für jeden sichtbar zu sein. Die Gargyle, die Leonardo keine 20 Meter vor ihnen entdeckt hatte, hatten sie, obwohl sie lauernd in ihre Richtung geblickt hatten, nicht bemerkt. Tela hatte Lynia gefragt, ob sie etwa einen Ignorantia auf die ganze Gruppe gewirkt hätte, doch die müde Magierin verneinte, und hatte zurückgefragt, ob Tela es für richtig hielte, wenn sie es täte.

Nein, sie mussten ihre Kräfte schonen, da waren sie sich schnell einig, und die Aussicht vom Schutthaufen bestätigte dies. Ein Blick zurück zeigte, dass der Stadtteil Rosskuppel, den sie bisher durchquert hatten, wohl noch vergleichsweise glimpflich davongekommen war. Wenn die Rauch- und Dampfschwaden sich lichteten und sie ihren Augen trauen konnten, zeichneten sich weit entfernt vor ihnen die ein- oder anderen Umrisse bekannter Garether Gebäude ab. Alles dazwischen ließ es Tela schon vom Anblick her übel werden.

Sie stiegen den Schuttberg langsam wieder hinab in die schützende Straßenschlucht. Leonardo und Hakim zuerst, dann vor ihr Ghor und Lynia. Während Ghor die Magierin mit einer Hand stützte, schien er sich mit der anderen unentwegt an verschiedenen Stellen des Körpers zu kratzen. An einem Punkt wurden seine Bewegungen so ungestüm, dass er auf einer kippeligen Steinplatte den Halt unter seinem Stiefelabsatz verlor und rücklings gegen Tela prallte, die ihn mit einiger Mühe auffing. Als sie ihre Hand wieder von ihm löste, wunderte sie sich, dass sich Ghors Körper unter der Tuchrüstung kalt und rau anfühlte, als ob er schorfige Verbände aus Borke tragen würde. Als sie ihm aufhalf, streifte sie mit einer Hand das schwarze lockige Haar aus seinem Nacken. Grüne, schuppige Flächen zogen sich in dünnen Bahnen von unten seinen Nacken hoch.

Prüfend blickte sie zur Seite, doch Lynia war damit beschäftigt, ihren Tritt zu halten den Boden zu fixieren. Als sie sich wieder Ghor zuwandte, blickte er sie entschuldigend an. Doch es lag auch eine Spur Unsicherheit darin – er schien bereits früher bemerkt zu haben, was Tela gerade eben gesehen hatte, und fragte sich wohl, ob sie es nun auch wusste. Tela zog ihr Jagdmesser und schnitt die Spitze eines kleinen Astes ab, der aus den Trümmern ragte. Sie begutachtete das Fundstück intensiv, doch anstatt dazu das Messer wegzustecken, streckte sie wie beiläufig es Ghor entgegen. „Hier halt mal, ich muss mir das mal genauer ansehen…“ Das Messer steckte bereits wieder in der Lederscheide, und sie reichte es Griff voran ihrem Gefährten. Es guckte etwas verwundert, denn sie hätte es ohne viel Aufwand in ihren eigenen Gürtel stecken können. Doch schließlich nahm er es schulterzuckend entgegen.

„Schau mal. Was siehst Du hier?“, fragte Tela den Al’Anfaner, der mit dem Messer in der Hand neben ihr stand. Stirnrunzelnd antwortete er: „In meinen Augen ist das ein Zweig von irgendeinem hiesigen Baum. Buche oder Birke oder Helasie oder wie sie alle heißen. In Al’Anfa hätte ich dir die Baumart und das Alter sagen können, und die Haarfarbe der Mädchen, die darunter ihren ersten Kuss erhalten hatten, aber hier sehen die Dinger alle so gleich aus…“ Tela nahm den Zweig wieder an sich: „Du hast wohl recht. Irgendein Zweig. Junge Buche, um genau zu sein, nicht älter als 15 Jahre. Aber leider…“ sie machte eine kleine Pause, „…nichts, was dir gegen deine Echsenschuppen helfen wird. Wir sollten Lynia mal einen Blick drauf werfen lassen.“ Bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie sich umgedreht und rief Hakim und Leonard leise hinterher, dass sie fünf Minuten Pause machen würden.
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