Das Schwarze Auge
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Das Schwarze Auge

Die Abenteuer von Hakim, Lynia, Tela und Ghor
 
StartseiteNeueste BilderAnmeldenLogin

 

 Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 2

Nach unten 
AutorNachricht
Tela Reisigritt
Erzmagus
Tela Reisigritt


Anzahl der Beiträge : 456
Anmeldedatum : 03.10.12
Alter : 45
Ort : Nordaventurien

Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 2 Empty
BeitragThema: Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 2   Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 2 EmptySo Okt 13, 2013 2:02 pm

Die kleine Wunde hatte sich entzündet und war inzwischen zu einer Kinderfaustgroßen roten Beule am Bein angewachsen. Ihr Ziehbruder hatte seit Stunden die Augen nicht mehr geöffnet und lag bleich, mit schweißüberströmtem Gesicht auf den Leinenlaken in der Stube. Ab und an stöhnte er und bewegte sich wie unter großen Schmerzen. Die Erwachsenen, anfangs noch beschwichtigend (Ja ja, irgendwas hat ihn gestochen, das kann schon einmal weh tun, aber morgen ist er sicher wieder auf den Beinen), wurden zunehmend ratlos und besorgt. Das kleine Mädchen wich ihn nicht von der Seite, und immer, wenn niemand außer ihr im Raum war, legte sie ihr Ohr und ihre Stirn abwechselnd auf den Stich und auf Stirn und Bauch des Jungen. Das was ihn gestochen hatte, musste irgend eine Spur hinterlassen haben, irgendetwas, das ihr ein Bild des Tieres gab... Das Gift selbst konnte sie spüren, wie es seinen Weg durch den Körper bahnte und sich schwer auf die Lebenskräfte legte. Erschöpft fiel das Mädchen in einen leichten Dämmerschlaf, und ihr Geist schien weiter und tiefer in den Körper des Jungen zu sinken. Das Gift veränderte sich, doch dort, wo es in den Körper gelangt war, war es noch klar und rein. Sie konnte es förmlich riechen, schmecken, seine Konsistenz ertasten - und aus all diesen Eindrücken erschien ihr nach und nach das Bild des Wesens, das das Gift injiziert hatte. Es war eine kleine, grauschwarz gebänderte Spinne in einen sorgsam gewobenen Netz... Müde öffnete sie die Augen, bemüht, sich den Eindruck des Tieres einzuprägen und nicht zu verlieren. Die aus dem Nachbarort gerufene Kräuterfrau runzelte kurz die Stirn, meinte aber nach einer weiteren Untersuchung, dass dies durchaus sein könne, und dass es ein Versuch wert sei, ein spezielles Heilmittel anzuwenden. Und während das Mädchen selbst erschöpft den nächsten Tag verschlief, öffnete der Junge bald wieder seine Augen.

"Jedes beseelte Lebewesen trägt ein Abbild seiner Seele in sich. Bei den beseelten Tieren besteht Kongruenz, sie sind, was sie sind, denn sie waren schon immer, was sie waren: Einhörner, Drachen, Greifen - bei den Menschen jedoch, die sich von ihrem wahren Wesen entfernt haben, nimmt die Seele die Gestalt eines Tieres an" sprach die Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt. Es hatte sich eine kleine Gruppe von Schaulustigen um die alte Frau gebildet, die nun richtig in Fahrt kam: "Und dieses Tier sagt und viel über die wahre Natur des Menschen aus. Mein Freund und Reisegefährte Korhelm hier, der in seinem langen Leben schon viele Gefahren bestanden hat, hat die Seele eines Löwen. Schaut, geschätzte Leute, schaut genau hin, wenn Ihr Eure Herzen öffnet," (Korhelm warf dem Publikum einen stolzen Blick zu), " wenn Ihr durch die Augen Eurer eigenen Seelentiere blickt, dann könnt ihr das Seelentier des anderen erkennen." Aus der spannungsvollen Stille nach diesen Sätzen begann die Luft um den kräftigen Mann aus der Gauklertruppe zu flirren, und seine Umrisse verschwammen mit denen eines Löwen, mit mächtigen Pranken und einer goldenen Mähne. Das Publikum hielt die Luft an...
In diese Stille hinein fragte die skeptische Stimme eines kleinen, rothaarigen Mädchens, ob man denn auch zwei Seelentiere haben könne. Bei dem Mann sei es außen ein Löwe und innen ein Hahn, und bei der Wahrsagerin sei es einer von diesen schwarz-weißen Vögeln, die einem den Schmuck aus den offenen Schatullen klauen, wenn man nicht aufpasst.
Die Illusion um den Kraftprotz zitterte ein wenig, als die Wahrsagerin der kleinen einen bösen Blick zuwarf und mit etwas schrillerer Stimme fortfuhr: "Ein Löwe, schöne Damen und ehrenwerte Herren, ein Löwe, Bezwinger vieler Gefahren und tapferer Streiter für das Gute..." Das Mädchen wandte sich enttäuscht ab, denn sie spürte, dass das, was sie gesehen hatte, wahrer war die Worte der alten Frau.

Interessiert blickte das kleine Mädchen auf. Irgendetwas hatte ihre Neugier erregt an der kleinen Gruppe von Bittstellern, die ihre Sorgen dem Baron auf einer seiner Rundreisen offen auf dem Markt vortragen konnten. Der Baron schien diese Vorstellungen immer zu genießen, und sie trugen einen guten Teil dazu bei, dass die Leute ihn für einen guten Lehnsherren hielten, der sich kümmerte und ein offenes Ohr hatte. Bei gutem Wetter saß der Baron, flankiert von seinem Schreiber und zwei gelangweilten Leibgardisten, auf einem brokatbehängten Thronsessel, während die Bittsteller in einer Menschentraube um die leere Fläche vor ihm warteten, auf der sich ein dichtes, robustes Wildschweinfell befand, welches den Platz andeutete, wo der Bittsteller seine Bitte kniend vortragen konnte.
Was war es, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte? Irgendetwas im Gesicht eines der Bittsteller... Da! Dieser war es! Das gerötete Gesicht eines mittelgroßen, stämmigen Mannes, der mit gesenktem Blick und lächelnden Mund unter den Wartenden stand. Jeder war nervös, seinem Lehnsherren zu begegnen, dann meist stand viel auf dem Spiel, so dass er nicht weiter auffiel. Jetzt kam er an die Reihe, und er ging weiterhin mit gesenktem Kopf auf den Baron zu. Und plötzlich - das kleine Mädchen taumelte schier zurück - wurden die Gefühle des Mannes offenbar: unbarmherziger, kalter Hass eines Menschen, der sein eigenes Leben bereits als verwirkt betrachtete. Ein erstickter Schrei entfuhr ihrer Kehle, und sie hob ihre Hand wie zum Schutz gegen den Mann.
Vielleicht war es diese Sekunde, in der die Leibgardisten das Umherstarren aufgaben und intuitiv die Hand an den Schwertknauf führten, die dem Baron das Leben rettete. Aus seiner gebückten Position heraus zog der Bittsteller, der sich dem Baron schön über das Wildschweinfell hinaus genähert hatte, einen geschwärzten Dolch aus dem weiten Ärmel und führte ihn in schellem Schwung gegen den Hals des Sitzenden. Doch die Gardisten reagierten ebenfalls blitzschnell, und die Waffe verfehlte den Baron um eine handbreit, als sich einer der Gardisten mit seinem Körper in die Flugbahn des Heranstürmenden warf. Bevor der zweite, tödliche Schwertschlag fiel, hatte sich das kleine Mädchen schon zum Fortrennen abgewandt.
Nach oben Nach unten
 
Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 2
Nach oben 
Seite 1 von 1
 Ähnliche Themen
-
» Telas Träume - Telas Hellsichtmagie Teil 1
» Telas Träume - Telas Einflussmagie Teil 1
» Telas Träume - Telas Einflussmagie Teil 2
» Telas Träume
» Tela - Bäume und Träume Teil 3

Befugnisse in diesem ForumSie können in diesem Forum nicht antworten
Das Schwarze Auge :: Das Wirtshaus zum Schwarzen Keiler :: Der Weg zum Helden-
Gehe zu: